1. Bundesliga
BHC behält Durchblick im Farbenfestival
Beim verdienten 32:28 gegen Leipzig gibt es neben zwei Punkten auch drei Rote Karten und 14 Zeitstrafen.

Finde die Lücke: Arnor Thor Gunnarsson steuerte zwei Treffer zum Sieg des BHC bei, der die Leipziger Keeper Mohamed Essam El-Tayar (Nummer 96) und Kristian Sæverås oft alt aussehen ließ. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – SC DHfK Leipzig 32:28 (19:13). Natürlich wurde körperlich kräftig hingelangt. Schließlich handelte es sich ja um ein Spiel der 1. Handball-Bundesliga und nicht um ein Schachduell, in dem sich zwei Hauptdarsteller mit und in Gedanken auszumanövrieren versuchen. Aber ein derartiges Farbenfestival? Ging völlig am Sachverhalt vorbei: Die insgesamt 14 Zeitstrafen, die zu zwei Roten Karten führten, und die eine direkte Rote Karte passten nicht zu dem, was BHC und Leipziger in Düsseldorf auf die Platte legten. Vermutlich lag es an der phasenweise klaren Überlegenheit der Hausherren, dass sie ans Gesehene und Gegebene später nur noch bedingt viele Gedanken verschwendeten – obwohl die Verteilung der Zwei-Minuten-Urteile mit 9:5 eher zu ihren Ungunsten ausgefallen war. Dasselbe traf im Übrigen auch auf die Siebenmeter zu: Sechs gab es für Leipzig, zwei für die Hausherren. Dass der BHC selbst in den kritischen Phasen die Vorteile auf seiner Seite hielt, lag zuvorderst an einer überzeugenden Teamleistung – optimiert durch die guten Leistungen der Regisseure Tomas Babak und Linus Arnesson, die sehr oft richtige Entscheidungen trafen, sowie durch zahlreiche sehenswerte Paraden von Torhüter Peter Johannesson, der am Ende in der offiziellen Statistik auf 13 Paraden und eine Quote von 34,21 Prozent an abgewehrten Würfen kam. In der Addition aller Puzzleteile sicherte sich der BHC einen verdienten Sieg, durch den er sein Konto auf 28:28 Punkte ausglich und auf den achten Tabellenplatz kletterte.

Dass die Mannschaft von Trainer Jamal Naji nach dem miserablen Auftritt zuletzt beim TBV Lemgo Lippe (28:38) unbedingt etwas gutmachen wollte, war angesichts hoher Leidenschaft unschwer zu erkennen. Nach dem frühen 1:0 (1.) durch Lukas Stutzke begannen allerdings schnell die ersten echten Stress-Situationen, weil Djibril M’Bengue (2.) und Linus Arnesson (4.) für jeweils zwei Minuten runter mussten. Ergebnis: Als der BHC wieder komplett war, hieß es 4:1 – nach einem Treffer des eben aufs Feld zurückgekehrten Arnesson (7.). Dass Sekunden darauf Lukas Stutzke eine Zeitstrafe kassierte (7.), glich die Zeitstrafe (7.) gegen Leipzigs Simon Ernst aus – und Frederik Ladefoged erhöhte auf 5:1 (8.). Die Gäste schienen eine Spur intensiver in die Partie zu finden, doch keine durchgreifenden Mittel für einen offenen Abend, sodass beim Stande von 9:13 (18.) die erste Auszeit folgte. Deren Wirkung in der durch weitere Strafzeiten gewürzten Auseinandersetzung verpuffte fast wirkungslos – und SC-Coach Runar Sigtryggsson rief die Leipziger nach dem 11:18 (27.) zu einer zweiten Besprechung zusammen, um angesichts vieler Lücken in der Abwehr und ausbleibender Torhüter-Unterstützung ein drohendes Debakel zu verhindern. Das immerhin gelang, obwohl Babak zunächst auf 19:11 (29.) für die Hausherren erhöhte.

Meint ihr das wirklich so? BHC-Trainer Jamal Naji konnte nicht jede Entscheidung der Schiedsrichter nachvollziehen. (Foto: Michael Jäger)

Hilfreich für den BHC und bitter für die Gäste aus Sachsen: Für Simon Ernst endete die Partie nach einem Foul an Stutzke mit der Roten Karte (32./dritte Zeitstrafe) richtig früh in der zweiten Halbzeit – und die Hausherren nutzten die Überzahl zum 21:14 (34.). Beim 22:15 (35.) führte der BHC weiter mit sieben Treffern Differenz, aber der bunteste Teil der Angelegenheit stand den 2172 Zuschauern in der Mitsubishi-Electric-Halle noch bevor. Zunächst blieb Najis Team für mehr als fünf Minuten ohne Tor – unter anderem deshalb, weil es kurz hintereinander Zeitstrafen gegen Frederik Ladefoged und M’Bengue gab (jeweils 38.). Leipzig verkürzte vom 16:22 (36.) auf 17:22 (40.), ehe es Matiej Klima nach einem Foul an Babak mit der direkten Roten Karte verlor und Arnesson den Siebenmeter zum 23:17 (40.) verwertete. Keine 120 Sekunden darauf durfte sich Djibril M’Bengue ebenfalls einen Platz auf der Tribüne suchen: Dritte Zeitstrafe, folgerichtig Rote Karte (42.). Mit dem Hänger vom 25:20 (46.) zum 25:23 (49.) schien der BHC anschließend zwar aus der Spur zu geraten, doch er behielt die Kontrolle – dank der Tore von Babak und Arnesson zum 26:23 (50.) und 27:23 (51.). Übers 28:24 (52.), 29:25 (52.), 30:26 (56.) und 31:27 (59.) brachten die Gastgeber den Vorsprung danach letztlich ungefährdet über die Runden – und vergrößerten so den Frust des SC (Zwölfter/24:30 Punkte), der zum sechsten Mal hintereinander verlor.

Beim BHC überwog hinterher die Erleichterung – in doppelter Hinsicht. Erstens korrigierte Najis Team den streckenweise peinlichen Eindruck aus der zweiten Halbzeit in Hannover, als aus dem 15:18-Rückstand jene heftige Pleite mit zehn Toren Differenz wurde. Zweitens zeigte die Mannschaft, dass sie die kommenden Aufgaben anzunehmen bereit ist, und einfacher wird es auch nicht mehr: Der Saison-Endspurt bringt die Aufgaben am Sonntag beim Deutschen Meister SC Magdeburg (Zweiter/45:11 Punkte), am 14. Mai gegen die Füchse Berlin (Dritter/43:11), am 18. Mai beim VfL Gummersbach (Zehnter/26:30), am 1. Juni bei den Rhein-Neckar Löwen (Fünfter/37:19), am 4. Juni gegen den Tabellenführer THW Kiel (45:9) und zum Abschluss am 11. Juni gegen den HC Erlangen (Neunter/26:28). „Ich bin zufrieden darüber, wie wir aufgetreten und mit welcher Energie wir in das Spiel gegangen sind“, fand der BHC-Coach, „wir wollten beweisen, dass uns diese zweite Halbzeit gegen Lemgo so nicht noch mal passieren soll. Rein spielerisch und taktisch gibt es schon ein paar Dinge, die nicht so gut waren. Um ehrlich zu sein, ist mir das heute aber gar nicht so wichtig. Mir war viel wichtiger, welche Reaktion wir zeigen und wie wir auftreten.“ Seine Ansicht zum beherzten Zupacken: „Ich glaube, dass die Halle gemerkt hat, welch großes Energie-Level wir hatten – vielleicht war es in der einen oder anderen Situation auch den Schnuff zu viel. Ein Drittel des Spiels in Unterzahl zu spielen, ist schon sehr viel. Trotzdem ist mir diese Härte lieber als das manchmal zu zaghafte Abwehrspiel. Alles in allem spielen wir eine wirklich gute erste Halbzeit. Über die zweite kann man diskutieren.“

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (2), Persson (1), Scholtes (1), Schönningsen, Nothdurft, Weck (3), Gunnarsson (2), Ladefoged (7), Babak (3), Gutbrod, Arnesson (8/1), Nikolaisen, N’Bengue, Stutzke (5).