1. Bundesliga
BHC-Drama in Magdeburg, VfL-Krimi gegen Erlangen
Der Bergische HC hat den Deutschen Meister beim 21:23 am Rande einer Niederlage. Gummersbach rettet 32:31 gegen Erlangen ins Ziel.

Unfassbar: Auch Trainer Jamal Naji (links) und sein Co-Trainer Peer Pütz mussten ihre Gedanken nach dem großen Kampf des BHC in Magdeburg zuerst mal sortieren. (Foto: Michael Jäger)

SC Magdeburg – Bergischer HC 23:21 (8:10). Sie hätten begeistert von sich und ihrer eigenen Leistung sein können. Schließlich hielt der BHC den immer noch amtierenden Deutschen Meister, der sonst eher jenseits der 30 Treffer zu produzieren pflegt, durch eine leidenschaftlich kämpfende und bestens eingestellte Abwehr bei nur 23 Treffern – ein Rekord in der 1. Bundesliga, den sich die Mannschaft von Trainer Jamal Naji mit niemandem teilen muss. Den bisherigen Bestwert hielt gleich doppelt die MT Melsungen mit 27 Gegentreffern beim 23:27 gegen den SC in der Hinrunde und beim 27:27 in der Rückrunde. Das bedeutet zugleich: Keiner der anderen Titelkandidaten setzte Magdeburg derart unter Druck, nicht mal der THW Kiel – der in Magdeburg zwar gewann, aber mit dem 34:33 glatte zehn Tore mehr kassierte als der BHC und in eigener Halle mit dem 34:34 noch eins mehr. Was sich Naji und seine Mannschaft dafür kaufen konnten? Nichts. Und deshalb war am Ende von überbordender Freude keine Spur zu sehen. Der Coach versuchte es hinterher mit einer breiten Palette an Stimmungs-Elementen: „Insgesamt sind es gerade viele gemischte Gefühle bei mir – Trauer, Wut, Zorn. Aber was überwiegt, ist der Stolz auf meine Mannschaft.“ Kollege Bennet Wiegert, natürlich extrem erleichtert, verteilte indirekt ebenfalls ein dickes Lob an die Gäste. „Vielleicht mag man mich beschmunzeln, aber ich finde, das war ein geiles Handballspiel“, sagte der Magdeburger Coach, „das, was ich eigentlich sehr mag, nämlich zwei Mannschaften, die unfassbar gefightet haben in der Abwehr, hat man hier heute gesehen.“ Geil fand er das sicher unter anderem deshalb, weil der SC mit nun 47:11 Punkten seine Rolle als erster Verfolger der Kieler wahrte (47:9). Für den BHC bleibt immerhin nicht nur als schwacher Trost, dass er in den folgenden Spielen auf der Zielgeraden der Saison von Rang neun aus (28:30) tatsächlich in der Endabrechnung in der oberen Tabellenhälfte landen/bleiben könnte.

Bereits die ersten Minuten boten spektakuläre Defensivarbeit, denn nach dem 1:0 (4.) von Noah Beyer und dem 2:0 (5.) von Lukas Stutzke machten Keeper Christopher Rudeck und seine Abwehr bis zum 1:2 (8.) durch Magdeburgs Nationalspieler Philipp Weber hinten dicht. Und nach dem 3:1 (9.) von Linus Arnesson brauchte der Favorit schon eine Zeitstrafe gegen Lukas Stutzke (13.) und einen Siebenmeter von Kay Smits zum 2:3-Anschluss (14.). Übers 3:3 (16.) und 4:4 (20.) ging das zähe Ringen weiter,  bevor der BHC den ersten personellen Rückschlag einstecken musste: Frederik Ladefoged, als Teil des Mittelblocks und vorne am Kreis enorm wertvoll, sah nach einem Foul die direkte Rote Karte (20.). Trotzdem beantworteten die Gäste das 4:5 (23.) mit dem 5:5 (23.) und das 5:7 (25.) sowie das 6:8 (27.) durch drei schnelle Treffer mit dem 9:8 (29.). Als kurz darauf Beyer zwei Sekunden vor der Pause auf 10:8 (30.) erhöhte und Elias Scholtes den zweiten Durchgang mit dem 11:8 (31.) eröffnete, nahm die später dramatische Partie zusätzlich Fahrt auf.

Beyers 12:8 (34.) verschaffte dem BHC ein Vier-Tore-Polster, über das sich die Gäste allerdings nicht ausgiebig freuen konnten – weil Magdeburg erstens auf 10:12 (36.) verkürzte und zweitens bald die nächsten personellen Nackenschläge folgten: Erst erwischte es Djibril M’Bengue, der aber nur für zwei Minuten runter musste (37.), und keine 20 Sekunden darauf Arnor Thor Gunnarsson, dessen Aktion die Schiedsrichter mit der zweiten direkten Roten Karte gegen den BHC ahndeten (37.). Starke Gäste-Antworten folgten mit der Siebenmeter-Parade von Rudeck sowie dem 14:11 (40.) und 15:12 (41.), ehe der BHC bis in die Schlussphase hinein vorne blieb – 17:15 (45.), 19:18 (51.). Danach lag es vor allem an der individuellen Klasse von Kay Smits, dass Magdeburg letztlich mit einem blauen Auge davonkam: Der Niederländer erzielte zunächst sowohl das 19:19 (52./Siebenmeter) als auch das 20:19 (54./Siebenmeter) und das 21:19 (56.). Beyer und M’Bengue verkürzten noch auf 20:21 (59.) und 21:22 (60.), sodass Wiegert seine Magdeburger 13 Sekunden vor der Schluss-Sirene zu einer letzten Auszeit zusammenrief. Resultat: Smits sorgte auf den letzten Drücker fürs 23:21 – durch seinen zehnten Treffer, mit dem er an diesem ungewöhnlichen Tag eine angesichts der wenigen Tore noch ungewöhnlichere Ausbeute erzielte.

„Man hat heute gesehen, warum Magdeburg eine Spitzenmannschaft ist“, stellte Naj später fest, „sie haben zu jeder Zeit an den Sieg geglaubt. Ich glaube, dass wir uns heute irgendwann zu sehr mit der Eventualität beschäftigt haben, dass wir hier gewinnen können. Das hat uns vielleicht ein wenig gehemmt. Ich finde, das, was wir uns in den letzten Wochen erarbeiten haben, dass wir einen Großen schlagen wollen. Und dass wir uns dazu bereit fühlen, deutet sich immer mehr an. Wir decken fantastisch, nehmen ihnen unglaublich viele Waffen – und wir schaffen es, sie in ganz viele Würfe zu steuern, die wir so genau haben wollten. Im Stile einer Spitzenmannschaft hat Magdeburg unter dem Strich dann verdient gewonnen.“ Das Restprogramm mit weiteren fünf Aufgaben hat es im Übrigen in sich für den BHC, der am 14. Mai gegen die Füchse Berlin (Dritter) antritt und am 18. Mai beim VfL Gummersbach (Achter). Den Abschluss bildet die Trilogie am 1. Juni  bei den Rhein-Neckar Löwen (Fünfter), am 4. Juni gegen den THW Kiel (Erster) und am 11. Juni gegen den HC Erlangen (Elfter).

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (5), Persson (1), Scholtes (3), Schönningsen, Nothdurft, Weck, Gunnarsson, Ladefoged, Babak, Gutbrod, Arnesson (5/1), Nikolaisen (3), M’Bengue (1), Stutzke (3).

 

VfL Gummersbach – HC Erlangen 32:31 (14:17). Sie wirkten wie ein Rennwagen, dem zwei Kurven vor dem Ende des Kurses der Treibstoff ausgeht und der irgendwie mit dem letzten Schwung über die Ziellinie rollt – nur Millimeter, bevor der Verfolger doch noch vorbeiziehen kann. Es hätte überhaupt nicht mehr spannend werden müssen für den VfL, der mit einer starken zweiten Halbzeit den 14:17-Pausenrückstand gedreht hatte und durch den Treffer von Lukas Blohme in der 55. Minute mit 32:27 vorne lag. Die Gäste stellten in dem Wissen, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten, auf eine offene Deckung um und kamen tatsächlich immer wieder an den Ball – 32:28 (56.), 32:29 (58.), 32:30 (59.). 23 Sekunden vor der Schluss-Sirene kassierte Gummersbach das 32:31 und vergab das Spielgerät vorne gute zehn Sekunden später erneut. Der letzte Erlanger Gegenzug hatte als Ziel Kreisläufer Sebastian Firnhaber – der den Ball allerdings nicht unter Kontrolle bekam. So lief die Uhr runter und es blieb beim knappen Erfolg des VfL, der über 60 Minuten sicher verdient, am Ende aber auch etwas glücklich war.

Die Gäste fanden zunächst etwas besser in die Partie und kamen vor allem zu einfachen Treffern aus dem Rückraum. Bis zum 2:5 (8.) war alleine Christoph Steinert bereits drei Mal von der halbrechten Position erfolgreich. Gummersbach brauchte etwas kreativere Lösungen, um zu Toren zu kommen, etwa über einlaufende Außenspieler. Nach und nach fanden aber auch die Hausherren in die Begegnung und beim 6:6 (10.) war wieder alles offen. Ellidi Vidarssons 8:7 (12.) war die erste Führung des VfL und das 9:8 (13.) durch Julian Köster per Kempa-Trick nach Anspiel von Finn Schroven gehörte in die Kategorie besonders sehenswert. Dass sich die Oberbergischen in der Folge nicht weiter absetzen konnten, hatte vor allem einen Grund: Erlangen wechselte den Keeper und Bertram Obling ließ Gummersbach in der Folge ein ums andere Mal verzweifeln. Allein während einer Überzahl zwischen der 18. und 20. Minute parierte Obling drei freie Bälle, sodass der VfL den Vorteil nicht nutzen konnte. Und so kippte die Partie vor der Pause vom 11:10 (17.) und 13:11 (21.) zum 14:17-Halbzeitstand.

Die ersten Minuten nach dem Seitenwechsel waren geprägt von zahlreichen Unterbrechungen, die den Spielfluss durchaus beeinträchtigten. Immerhin positiv für den VfL: Beim 17:18 (32.) waren die Hausherren schnell wieder dran und sie zwangen die Gäste früh zu einer Auszeit (33.). Dominik Mappes besorgte trotzdem den 18:18-Ausgleich (34.) und in der Folge blieb die Partie zunächst offen – 22:22 (42.). Die vielleicht kurioseste Szene des Nachmittags ereignete sich dann eine halbe Minute später. In Unterzahl (Zeitstrafe gegen Vidarsson) hatte Gummersbach Keeper Tibor Ivanisevic herausgenommen. Den vergebenen Angriff wollten die Gäste zum schnellen Gegenzug ins leere Tor nutzen, doch Firnhaber scheiterte an den mit letztem Einsatz blockenden Köster und Mappes. Während dieser Aktion kollidierte Ivanisevic bei seinem Versuch, ins Tor zurückzukehren, mit dem Pfosten. Der „Pferdekuss“ am rechten Oberschenkel war anschließend so heftig, dass der Serbe nicht mehr weitermachen konnte. Das war aber kein nachhaltiges Problem, denn Kollege Fabian Norsten setzte sofort mit zahlreichen Paraden Akzente und war maßgeblich daran beteiligt, dass der VfL das Spiel jetzt in den Griff bekam und über das 28:24 (49.) auf 32:27 (55.) wegzog. Dass die letzten Minuten der Partie keinen Schönheitspreis mehr verdienten, interessierte nachher in Gummersbach kaum jemanden.

VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson freute sich vor allem über die Steigerung seines Teams nach der Pause und die zwei gewonnenen Punkte: „Erlangen war in der ersten Halbzeit viel besser als wir und wenn man es sich einfach machen will, kann man das auf eine Position herunterbrechen. Sie hatten in der ersten Halbzeit acht oder neun Paraden und wir drei, in der zweiten Halbzeit war das umgekehrt. Es ist nicht einfach zu akzeptieren, aber das Leben ist immer einfacher mit einer guten Torhüterleistung. Wir haben am Ende super gekämpft und hatten eine bessere Chancenauswertung. Wenn man sich aber fünf Tore herausspielt, muss ich auch von meiner Mannschaft verlangen, dass wir das sauber über die Bühne bringen. Da habe ich schon etwas gezittert. Erlangen hatte dann die Chance auf einen Punkt, aber ich bin glücklich, dass wir beide Punkte hier halten konnten.“ In der Tabelle liegen die Gummersbacher für den Moment bei 28:30 Zählern auf Rang acht und ein einstelliger Rang ist vielleicht ein lohnendes Ziel für den Rest der Saison. Die nächste Aufgabe gehört dabei allerdings zu den anspruchsvolleren und am kommenden Sonntag reisen die Oberbergischen zur SG Flensburg-Handewitt (Vierter/41:15).

VfL Gummersbach: Norsten, Ivenisevic – Vidarsson (7), Kodrin (3), J. Köster (4), Blohme (5), Schroven (2), Häseler (2), M. Köster, Mappes (6), Pregler (1), Styrmisson, Kiesler, Stüber, Jansen (1), Zeman (1).