1. Bundesliga
BHC lässt die Füchse verzweifeln, Flensburg zu cool für Gummersbach
Starke Mannschaft von Trainer Jamal Naji gewinnt verdient mit 34:30 gegen Berlin. Guter VfL verliert beim Favoriten mit 26:31.

Lasst uns tanzen: Der BHC präsentierte sich nach dem Überraschungs-Erfolg gegen Berlin nachvollziehbar als größere Partyzone. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – Füchse Berlin 34:30 (15:12). Die Herren haben ja durchaus eine gemeinsame Vergangenheit und vielleicht sogar eine gemeinsame Entwicklung. Im Sommer 2020 wechselte Jamal Naji aus der Nachwuchs-Abteilung des TSV Bayer Dormagen zu TuSEM Essen, das damals unter der Regie von Jaron Siewert fast wie aus dem Nichts den Weg aus der 2. Bundesliga in die 1. Bundesliga gefunden hatte. Siewert ging als Chefcoach zurück zu seinem Heimatverein Füchse Berlin, mit denen er in der höchsten deutschen Klasse im ersten Jahr den vierten Platz belegte und im zweiten den dritten Rang. Noch besser lief es lange Zeit in der aktuellen Serie 2022/2023, denn die Füchse schienen dem Deutschen Meister SC Magdeburg und dem Spitzenreiter THW Kiel den Titel streitig machen zu können – bis vor Kurzem jedenfalls. Und nun kommt wieder Naji ins Spiel, der nach seinem zweiten Jahr in Essen beim Bergischen HC die Nachfolge des zu den Rhein-Neckar Löwen wechselnden Sebastian Hinze antrat. Am 29. Oktober 2022 standen sich Jaron Siewert und Jamal Naji zum ersten Mal in einem direkten Duell gegenüber, das die Füchse damals knapp mit 29:27 für sich entschieden. Und jetzt? Der BHC, unlängst beim 21:23 in Magdeburg ganz dicht dran an einer Überraschung gegen eins der Top-Teams, gewann völlig verdient und riss damit gleichzeitig die Berliner aus den letzten Meisterschaftsträumen. Mit 47:13 Zählern haben die Füchse als Dritter hinter dem THW Kiel (49:9) und dem SC Magdeburg (49:11) maximal noch theoretische Chancen auf den ersten Platz und sie müssen zugleich um die Teilnahme an der Champions League bangen – was den Hausherren natürlich herzlichst gleichgültig war. „Es fühlt sich gut an, einen Großen geschlagen zu haben“, sagte der BHC-Coach, „tatsächlich hatten wir das mit Blick auf unsere Entwicklung im Gefühl. Unsere Mechanismen greifen mehr und mehr.“ In der Tabelle hat seine Mannschaft als Achter zwar bei 30:30 Zählern „nur“ ein ausgeglichenes Konto – aber sie zieht daraus fast eine Art Genugtuung und sicher viel, viel mehr als die mit einem völlig anderen Ziel in den Saison-Endspurt gestarteten Gäste aus der Hauptstadt.

Siewert drückte es hinterher so aus: „Der BHC war heute die deutlich kämpferische Mannschaft.“ Darin steckte sicher ein Stück Wahrheit, doch aus der Sicht der Füchse sah das eigentlich alles eher viel bedenklicher aus. Nach dem guten Start mit zwei schnellen Toren zum 2:0 (2.) fand der Favorit teilweise überhaupt nicht mehr statt – weil die Hausherren, ausgestattet mit viel Leidenschaft, zunächst defensiv energisch zupackten. Die Abwehr des BHC vor dem starken Keeper Christopher Rudeck nervte den einen oder anderen Spieler der Berliner sehr – und der eine oder andere schien das auch als eine Art Majestätsbeleidigung zum empfinden. Weil sich Najis Team davon jedoch kein bisschen beeindrucken ließ, drehte es die Partie zum 4:3 (7.) und wehrte nach dem 8:6 (13.) übers 8:8 (15.) und 10:10 (21.) alle meist halbherzigen Versuche der Füchse ab, richtig ins Spiel zu kommen. Ein Hinweis auf den weiteren Verlauf: Bis zum 13:10 (23.) durch drei Tore in Folge brauchten die Gastgeber lediglich zwei Minuten. Und kurz darauf war das 15:12 (30.) am Ende der ersten Halbzeit eine mehr als anständige Basis für den zweiten Durchgang – den Tomas Babak direkt mit dem 16:12 (31.) eröffnete.

Während Berlin seine Fehlerquote in wahnwitzige Höhen trieb, schien sich der BHC, dem ebenfalls nicht alles gelang, sehr gerne in eine Art Rausch zu spielen – 21:16 (35.), 23:17 (37.). Die erste kleinere „Krise“ gab es, als die Füchse auf 19:23 (38.) verkürzt hatten und viele wenigstens jetzt eine engere Angelegenheit erwarteten. Ein echtes Aufbäumen fand allerdings nicht statt – im Gegenteil. Übers 26:19 (41.), 28:21 (45.) und 30:23 (48.) behielt Najis Mannschaft selbst nach dem 32:28 (54.) sowohl die Ruhe als auch die Übersicht – und Babak beseitigte mit seinem 33:29 (60.) die letzten Zweifel am Sieg des Außenseiters, der auf der Bank längst in den Feiermodus umgeschaltet hatte. Kurz darauf mussten sich dann trotzdem sowohl Siewert als auch Naji erst einmal sammeln – weil beide Zeit brauchten, um das Gesehene/Geschehene passend zu verarbeiten. Der Blick des Füchse-Trainers ging dabei irgendwie ins Leere, während Jamal Naji eher der stillere Genießer war und schon gar nicht bereit, die Bodenhaftung zu verlieren: „Vielleicht haben wir hier und da einen Fehler zu viel gemacht, aber summa summarum haben wir mit den Füchsen Berlin eine der Top-Mannschaften der Liga geschlagen. Daher dürfen wir heute einfach nur zufrieden sein. Alles andere wäre vermessen.“

Vier finale Herausforderungen warten nun im Saison-Endspurt – beginnend am Donnerstag mit dem Auftritt beim Aufsteiger VfL Gummersbach (Zehnter/28:32). Danach tritt der BHC am 1. Juni bei den Rhein-Neckar Löwen (Fünfter/37:21 Punkte), am 4. Juni gegen den THW Kiel (Erster/49:9) und am 11. Juni gegen den HC Erlangen an (Elfter/28:32). Das Problem, mit dem der BHC aber sehr wahrscheinlich gut leben kann: Alle vier werden jetzt erst recht gewarnt sein.

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (1), Persson (3), Scholtes (5), Schönningsen, Nothdurft (7), Weck (1), Gunnarsson (4), Ladefoged (4), Babak (5), Gutbrod, Arnesson (1), Nikolaisen (2), Stutzke (1).

SG Flensburg-Handewitt – VfL Gummersbach 31:26 (16:11). Es ist fast auf den Tag genau ein halbes Jahr und damit fast eine Ewigkeit her: Am 10. November 2022 gewinnt der Aufsteiger aus dem Oberbergischen gegen den hohen Favoriten in der tobenden Schwalbe-Arena vor offiziell 4132 Zuschauern mit 31:29 – was in der Summe aller Ergebnisse immer noch die bisher größte Überraschung ist, die Gummersbach im Jahr eins nach der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse geschafft hat. Für einen ähnlichen Coup kam der VfL diesmal in Schleswig-Holstein zwar insgesamt kaum in Frage, doch Trainer Gudjon Valur Sigurdsson, der eigentlich nur sehr ungerne verliert, konnte mit dem Auftritt der Gäste erneut viel anfangen: „Ich bin gar nicht so unzufrieden. Die Jungs haben alles gegeben, aber wir haben auch gemerkt, dass Flensburg für uns vielleicht eine Nummer zu groß ist. Mit Kampf, Einstellung und Leidenschaft meiner Mannschaft bin ich absolut einverstanden.“ Der Blick auf die Tabelle sorgt ebenfalls für ein nicht kleines Maß an Zufriedenheit, denn der zehnte Platz und 28:32 Punkte passen weitestgehend zu den Möglichkeiten des VfL. Nach oben ist immerhin der achte Rang drin, den zurzeit der Bergische HC (30:30) einnimmt – jener Nachbar, der am Donnerstag nach Gummersbach kommt. Nach dem 30:30 aus der Hinrunde spricht einiges dafür, dass wieder ein Handball-Krimi möglich ist. Dass die Gummersbacher nun in eigener Halle alles für einen Erfolg investieren werden, wird den BHC kaum wundern. Und sollte der VfL gewinnen, zieht er bei dann gleicher Punktzahl über den direkten Vergleich und über das bessere Torverhältnis (aktuell minus sieben/minus 25) am Konkurrenten aus dem Bergischen vorbei.

Mit dem 1:0 (4.) von Lukas Blohme und dem 2:1 (5.) durch Julian Köster sowie dem 3:1 (7.) von Ellidi Vidarsson legte der VfL zunächst vor, doch ab dem 5:5 (15.) übernahm zunehmend Flensburg die Kontrolle – 7:5 (16.), 11:7 (19.), 15:8 (25.). „Man hat gemerkt in der ersten Halbzeit, dass wir großen Respekt hatten“, fand Sigurdsson, der nach 30 Minuten mit dem 11:16 immer noch eine Fünf-Tore-Hypothek auf der Anzeigetafel sah – ehe die Gäste im zweiten Durchgang vom 13:18 (34.) auf 15:18 (36.) verkürzten. Es begann jene Phase, in der Gummersbach immer wieder den Sichtkontakt herstellte und weder nach dem 16:22 (41.) noch nach dem 18:24 (43.) den Kontakt ganz abreißen ließ. Als Köster (50.) und Miro Schluroff (51.) den 21:25-Rückstand (48.) auf 23:25 verkürzt hatten, lag vorübergehend die Hoffnung auf etwas mehr im Bereich des Möglichen, die Flensburg allerdings rasch vom Tisch wischte – 27:23 (54.), 28:24 (55.), 31:24 (58.). Die beiden Schluroff-Tore zum 25:31 (59.) und 26:31 (60.) waren anschließend nur Ergebniskosmetik.

Bemerkenswert auf der einen Seite und typisch auf der anderen für Sigurdsson, der sich in aller Regel vor seine Mannschaft stellt: Gummersbachs Trainer schob sich praktisch selbst den Schwarzen Peter dafür zu, dass es doch eine relativ klare Niederlage gab. „Wir schaffen es, auf 25:23 ranzukommen – und machen dann ein paar Fehler zu viel“, sagte Sigurdsson, „ich glaube, ich habe in dieser Zeit auch ganz schlecht gecoacht, und da liegt die Hauptverantwortung bei mir.“ Die dritte Auszeit beim Stande von 24:28 in der 56. Minute brachte im Übrigen tatsächlich nichts – außer in der Folge drei Treffer der Flensburger, die in der Summe verdient beide Zähler holten. Und Gummersbachs Coach brachte es erneut passend auf den Punkt: „Vielleicht können wir nicht erwarten, hier in Flensburg zu gewinnen.“ Das stimmt, denn die SG gehört als Vierter (45:15 Punkte) hinter dem THW Kiel (49:9), dem SC Magdeburg (49:11) und den Füchsen Berlin (47:13) zu den Schwergewichten der 1. Bundesliga – die der VfL für die laufende Serie komplett hinter sich hat. Sein Restprogramm bringt nach dem Duell mit dem Bergischen HC den Auftritt am 4. Juni beim TVB Stuttgart (Rang 15/21:39) sowie die Spiele am 8. Juni gegen Frisch Auf Göppingen (Platz 14/21:39) und am 11. Juni beim TSV GWD Minden (Rang 17/12:48). Dass die Gummersbacher die Saison mit einem ausgeglichenen Konto beenden, scheint nicht völlig ausgeschlossen zu sein.

VfL Gummersbach: Norsten, Ivenisevic – Vidarsson (3), Kodrin (5), J. Köster (4), Blohme (5), Schroven, Häseler, Schluroff (6), Mappes (2/1), Pregler, Styrmisson, Kiesler, Stüber, Jansen (1), Zeman.