2. Bundesliga
Klarer Fall: Dormagen dynamisch, Essens einfallslos
TSV Bayer lässt schwachen TuSEM beim 33:28 noch glimpflich davonkommen.

Ich flieg dann mal durch: Auch Kreisläufer Markus Dangers (mit Ball) gehörte in Dormagen (links Patrick Hüter, rechts Ian Hüter) zu den nicht so besonders zahlreichen Essenern mit Zug zum Tor. (Foto: Thomas Ellmann)

TSV Bayer Dormagen – TuSEM Essen 33:28 (18:10). Über weite Strecken dieses Abends arbeiteten die Essener vor allem sehr intensiv daran, sich auf der Zielgeraden die bisher höchste Niederlage in der Saison 2022/2023 abzuholen. Die alte „Bestmarke“, gar nicht so furchtbar alt, stammte mit dem 30:38 beim Dessau-Roßlauer HV vom 22. März 2023. Weil der Rückstand in Dormagen in der zweiten Halbzeit beim Stande von 11:23 (35.) mal zwölf Tore betrug und bis zum 17:27 (44.) zweistellig war, drohte dem Team von Michael Hegemann nun ein echtes Debakel. Und sämtliche Auszeiten des TuSEM-Trainers waren bis dahin ziemlich ergebnislos verpufft – jene nach dem 0:4 (5.), jene nach dem 10:17 (29.) und jene letzte nach dem 15:24 (39.). Dass sich das Resultat letztlich doch in einem halbwegs erträglichen Rahmen bewegte, lag weniger an einer deutlichen Steigerung der Gäste, sondern eher am munteren Durchwechseln bei den Hausherren – die auf jeden Fall im letzten Viertel der Partie eine aberwitzige Fehlerquote produzierten und trotzdem nicht mehr ansatzweise in Gefahr gerieten, den Sieg etwa aus der Hand zu geben. In der Tabelle werden die Dormagener, die jetzt auf Rang 15 bei 29:39 Punkten geführt werden und noch zwei Spiele auszutragen haben, die Essener trotzdem nicht mehr abfangen können: Das Konto des Zehnten, der in den vergangenen Monaten nie etwas mit dem Kampf gegen den Abstieg zu tun hatte, steht trotz der Pleite im Sportcenter bei positiven 34:32 Zählern. Mit dem besseren Gefühl geht jetzt allerdings der seit Kurzem gerettete TSV Bayer in den kleinen Rest der Serie.

Die Anfangsphase – wild geführt auf beiden Seiten und irgendwie wirr bei den Essenern. Dass es schnell 4:0 (5.) für die Hausherren stand, war dabei sogar glimpflich für TuSEM, weil Joshua Reuland beim Stande von 2:0 eine freie Chance nicht zu nutzen wusste (2.) und Ian Hüter kurz nach dem 3:0 nur den Pfosten traf (4.). Das mit den ungenutzten Gelegenheiten machten allerdings die Gäste im Laufe der Begegnung „besser“ – und deshalb fanden sie nach dem 2:7 (10.) und 4:10 (15.) höchstens ansatzweise intensiver in die Partie, zumal sie immer wieder die breite Palette an misslungenen Aktionen wie technische Fehler oder Fehlpässe einstreuten. Vielleicht hätte Hegemanns Team für einen etwas spannenderen Abend sorgen können, wenn es wenigstens nach dem 8:11 (20.) etwas zielstrebiger geworden wäre. Passend zum verkorksten Auftritt: Nach dem 8:12 (21.) ließ Nils Homscheid einen Siebenmeter ungenutzt – als ersten von insgesamt drei Strafwürfen. Etwas später schloss sich ihm in der ersten Halbzeit beim Stande von 10:17 (29.) Justin Müller an, ehe in der zweiten Halbzeit beim Stande von 19:28 erneut Homscheid scheiterte (48.). In der Summe aller Mängel konnte TuSEM bereits zur Pause nicht mehr realistisch für einen Sieg in Frage kommen, zumal Dormagen den Sieg erkennbar entschlossener wollte – und in der zweiten Hälfte zunächst nicht ans Herunterschalten dachte.

Wie schwierig sich die Angelegenheit für Essen gestalten musste, belegte kurz darauf nicht nur die letzte Auszeit, sondern auch der „Fall“ Eloy Morante Maldonado. Der Rückraumspieler hatte gerade auf 16:25 (41.) verkürzt, ehe er unbedrängt einen Fehlpass produzierte – den Dormagens Aron Seesing zum 26:16 (43.) in den zu diesem Zeitpunkt leeren TuSEM-Kasten nutzte. Essen hatte da nach einer  Zeitstrafe gegen Markus Dangers (41.) den Torhüter von der Platte genommen. Besondere Kritik an Maldonado verbot sich trotzdem praktisch von selbst: Ohne ihn, der sich vehement gegen die drohende peinliche Pleite wehrte, wäre vermutlich alles noch viel schlimmer geworden. Mit elf Treffern und zahlreichen anderen Aktionen mit Zug zum Tor war Morante Maldonado (wechselt zum Bergischen HC in die 1. Bundesliga) der erfolgreichste Werfer der Partie – und die Essener könnten durchaus heftigere Kopf- und Bauchschmerzen bekommen bei den Gedanken daran, dass der 25-Jährige demnächst nicht mehr an Bord ist. Dass er diesmal zu oft fast alleine auf weiter Flur stand, hatte natürlich auch mit dem Fehlen der verletzten Rückraum-Kollegen Dennis Szczesny (links) und Tim Rozman (rechts) zu tun.

Dormagen beherrschte das Geschehen selbst dann fast mühelos, wenn es in Sören Steinhaus (19), Florian Träger (20) und Lucas Rehfus (20) einen nach dem Durchschnittsalter zu einer U 20 gehörenden Rückraum aufstellte. Das ging erst ab einem Zeitpunkt weniger gut, als Trainer Matthias Flohr mit dem kompletten Personalpuzzle begann und bis zum Schluss tatsächlich allen Spielern des Kaders eine Einsatzzeit verschaffte. Weil den Dormagenern aber vor allem ab dem 29:20 (50.) bis zum 30:24 (55.) fast jede Ordnung verloren zu gehen schien, bat er seine Mannschaft zu einer letzten Auszeit (56.). Dass diese Zusammenkunft ebenfalls von übersichtlicher Wirkung blieb, konnte Flohr in der Summe trotzdem ganz gut verschmerzen: Und richtig krumm nahm er es seinen Spielern hinterher nicht. „Wir haben bis zur 45. Minute ein starkes Spiel gemacht“, fand Flohr, „wir hatten die richtige Einstellung und Begeisterung.“ Etwas Vergleichbares konnte Kollege Hegemann natürlich nicht mal ansatzweise feststellen: „Dormagen war in allen Bereichen überlegen. Wir haben nie einen richtigen Zugriff bekommen. Manchmal gibt es Mistspiele im Laufe einer Saison. Das war eins davon.“

Aufpassen! TSV-Trainer Matthias Flohr meinte hier natürlich in erster Linie seine eigene Mannschaft und nicht den inzwischen für TuSEM spielenden Ex-Dormagener Tim Mast. (Foto: Thomas Ellmann)

Was das aus Essener Sicht für den kleinen Rest der Saison bedeutet, wird sich vielleicht am Dienstag im Nachholspiel gegen den als Absteiger feststehenden Tabellenletzten Wölfe Würzburg zeigen (Platz 19/9:57 Punkte). Die Prognose: Ohne eine klare Steigerung wird das kein Selbstläufer. Danach beschließt TuSEM, das einen einstelligen Tabellenplatz (zurzeit HSC Coburg/35:33 Punkte) und die Teilnahme am DHB-Pokal anstrebt (mindestens Rang zwölf nötig) die Serie mit den Aufgaben am 2. Juni beim TV Hüttenberg (Zwölfter/31:37) und am 7. Juni beim VfL Lübeck-Schwartau (Rang 14/29:37). Der TSV Bayer, der sein Saisonziel Klassenerhalt bereits erreicht hat, spielt noch am 3. Juni bei der HSG Nordhorn-Lingen und am 7. Juni gegen den HC Empor Rostock (Rang 18/14:52), der wie Würzburg in die 3. Liga absteigen muss.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen (1) – Böhnert (1), Reuland (2), J.-Chr. Schmidt (3), Senden (3), Zurga, Rehfus (2), I. Hüter (2), Reimer (5/4), Träger, Grgic, P. Hüter (2), Sterba (3), Seesing (5), Steinhaus (4).

TuSEM Essen: Fuchs, Bliß, Diedrich – Kämper (1), Reidegeld, Wolfram (1), Dangers (3), Homscheid (5/3), Eißing (1), Buschhaus, Müller (1), Seidel, Morante Maldonado (11/1), Mast (2), Werschkull (2), Schoss (1).