1. Bundesliga
Reine Mühsal: Leere Akkus bei BHC und Gummersbach
Team von Trainer Jamal Naji verabschiedet sich mit 29:30 gegen Erlangen aus der Saison. VfL schafft in Minden nur ein 38:38.

Ein letzter Wurf: Arnor Thor Gunnarsson setzte mit dem Treffer zum 29:30 den Schlusspunkt gegen Erlangen – und hinter seine aktive Karriere. Ab der kommenden Saison gehört der Isländer dann zum Trainerstab um Chefcoach Jamal Naji. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – HC Erlangen 29:30 (15:14). Den Ausstand hatten sich Trainer Jamal Naji und seine Mannschaft anders vorgestellt – besonders mit dem Blick auf die Verabschiedungen nach der Partie, als der Verein in Fabian Gutbrod und Arnor Thor Gunnarsson zwei wesentliche Eckpfeiler der vergangenen Jahre unter großen Emotionen und noch größerem Beifall in den handballerischen Ruhestand entließ. Die Partie selbst bot tatsächlich weniger Anlass zu einer ausgelassenen Feier, weil der BHC gegen Erlangen nach dem 27:30 aus der Hinrunde nicht nur zum zweiten Mal in dieser Saison verlor, sondern auf der Zielgeraden der Saison nach dem 34:37 beim VfL Gummersbach, dem 29:39 bei den Rhein-Neckar Löwen und dem 26:29 zuletzt gegen den THW Kiel zum vierten Mal hintereinander leer ausging. Vom einen Monat alten Schwung, mit dem sich der BHC am 14. Mai das 34:30 gegen die Füchse Berlin und den ersten Sieg über eins der Top-Teams in der höchsten deutschen Klasse gesichert hatte, konnte der BHC diesmal eher weniger abrufen. Nach der vor allem in der ersten Halbzeit sehr überzeugenden Leistung gegen Kiel schienen die Akkus eine Woche später bei manchem relativ stark angegriffen zu sein – was sich in einer zu hohen Fehlerzahl und dann auch in der Tabelle bemerkbar machte. Ihr oberstes Saisonziel Klassenerhalt hat Najis Mannschaft mit 30:38 Zählern und dem zwölften Rang erreicht, aber den einstelligen Tabellenplatz als jenes vor einiger Zeit neu aufgestellte zweite für das letzte Viertel der Serie nicht. Daran hätte allerdings selbst ein Sieg über Erlangen (13./ebenfalls 30:38 Zähler) wenig geändert.

Dass sich der BHC und der HC eine ausgeglichene Partie liefern würden, war tatsächlich keine ganz große Überraschung: Beide lagen in den Punkten komplett mit jeweils 14 Siegen, zwei Unentschieden und acht Niederlagen komplett gleichauf und im Torverhältnis (minus 42/minus 52) ziemlich dicht beieinander. Wie schwierig dieser heiße Sonntagnachmittag in der Wuppertaler Uni-Halle für die Gastgeber ohne die verletzten Noah Beyer und Djbril M’Bengue werden würde, deuteten zudem schon die ersten Minuten an: Aus der frühen Zeitstrafe gegen Erlangens Regisseur Nico Büdel (1.) ergab sich keinerlei Vorteil – und anschließend legten die Gäste das 1:0 (3.) sowie das 2:0 (6.) vor. Fast sieben Minuten dauerte es, ehe der BHC durch Arnor Thor Gunnarsson und Elias Scholtes (jeweils 7.) mit dem 2:2 seine ersten beiden Treffer erzielte, ehe er beim 6:5 (15.) zum ersten Vorsprung kam. Mehr als zwei Tore konnte sich im Duell mit wechselnden Führungen allerdings bis zur Halbzeit niemand absetzen – 8:6 (17.), 8:9 (20.), 10:12 (25.), 13:13 (28.), 15:14 (30.).

Der zweite Abschnitt begann kurz darauf aus der Sicht der Hausherren relativ vielversprechend, weil Erlangens defensiv wie offensiv wichtiger Rückraumspieler Antonio Metzner nach einem Foul an Elias Scholtes die direkte Rote Karte sah (32.). Was der BHC daraus machte? Definitiv zu wenig, weil Erlangen in dieser Phase auf 15:15 (33.) und 16:16 (34.) ausglich. Das 17:16 (35.) von Alexander Weck fiel erst nach dem abgearbeiteten Ausschluss von Metzner und anschließend brachte weder das 18:16 (36.) von Scholtes noch das 19:17 (38.) von Frederik Ladefoged viel Entspannung. Mit dem 19:20 (41.) lag der BHC schließlich wieder zurück und ab jetzt rannte er immer hinterher – bis zum 23:24 (48) stets einem Treffer und beim 25:28 (52.) zum ersten Mal drei Toren. Tom Kare Nikolaisen und Linus Arnesson verkürzten noch auf 26:28 (53.) und 27:28 (54.), doch Simon Jeppsson mit dem 29:27 (55.) und Nico Büdel mit dem 30:28 (56.) antworteten für Erlangen. Die letzte Episode gehörte im Übrigen wiederum Büdel, der in der letzten Minute erneut eine Zeitstrafe kassierte. Von draußen durfte er wenig später aufatmen: Dem BCH gelang durch Arnor Thor Gunnarsson 20 Sekunden vor der Schluss-Sirene lediglich noch das 29:30.

Der BHC-Coach wirkte mit dem Blick auf Gunnarsson und Gutbrod fast traurig. „Das Ergebnis fand ich sehr ärgerlich“, sagte Naji, nachdem sein erstes Jahr als Nachfolger des zu den Rhein-Neckar Löwen gewechselten Sebastian Hinze vorüber war, „dabei geht es mir nicht so sehr um die Punkte. Aber ich hätte es Arnor und Fabian von Herzen gegönnt, dass sie mit einem Sieg abtreten können. Letztlich war es ein Spiel, das von Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten geprägt war.“ Geschäftsführer Jörg Föste sah es ähnlich: „Das Spiel ist heute in den Hintergrund geraten. Wir haben ganz sicher nicht unsere beste Leistung geboten. Das war sportlich zwar unbedeutend, aber wir hätten natürlich gerne vor heimischem Publikum auch angesichts der Verabschiedungen der verdienten Spieler gewonnen.“

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Persson (2), Scholtes (5), Schönnigsen, Nothdurft (6), Weck (1), Gunnarsson (2), Ladefoged (3), Babak (3), Gutbrod (1), Schmitz, Arnesson (5/2), Bergner, Nikolaisen (1), Stutzke.

TSV GWD Minden – VfL Gummersbach 38:38 (17:23). Noch vor einiger Zeit wäre das als handfeste Blamage durchgegangen. Sechs Tore Vorsprung am Ende der ersten Halbzeit aus der Hand gegeben, insgesamt 38 Gegentreffer kassiert: Ähnliches wäre schon bei einem Spitzenteam nicht so sehr in Ordnung gewesen. Der Gegner war allerdings keiner aus der Kategorie THW Kiel oder SC Magdeburg, die in dieser Saison als Meister und Vizemeister über die Ziellinie gingen, sondern der bereits als Absteiger feststehende Vorletzte TSV GW Minden: Der Außenseiter schien in seinem vorläufig letzten Bundesligaspiel und im definitiv letzten seines seit 2015 für den Verein tätigen Trainers Frank Carstens zur Halbzeit und kurz danach bereits geschlagen zu sein – und genau das wollte er offensichtlich nicht kampflos hinnehmen. Aufsteiger Gummersbach, in der Tabelle deutlich besser platziert und nie in den Kampf gegen den Abstieg verwickelt, tat das Seine dazu, indem er nach der Pause auf nahezu jede Form intensiver Abwehrarbeit verzichtete und so am Ende beinahe ganz leer ausgegangen wäre. Dass das nicht passierte, lag besonders an Regisseur Dominik Mappes und Rechtsaußen Lukas Blohme, die in den finalen zehn Minuten gemeinsam die letzten fünf Gummersbacher Treffer produzierten und dadurch die drohende Niederlage verhinderten. Was der VfL dennoch verpasste: Durch einen Sieg zum Abschluss wäre er mit einem ausgeglichenen Konto auf Rang neun in die obere Hälfte vorgerückt. Mit dem zehnten Platz und 33:35 Punkten im Jahr eins nach der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse können sie im Oberbergischen sicher trotzdem leben – und hätte jemand diese Bilanz vor der Saison angeboten, hätte Gummersbach wohl sofort unterschrieben.

Schon der Start in die Partie war bemerkenswert, weil die Gummersbacher schnell mit 1:3 (3.) ins Hintertreffen gerieten. Ebenfalls etwas Besonderes war kurz darauf das 2:3, denn Ellidi Vidarsson erzielte mit diesem Anschluss-Treffer am Anfang der vierten Minute das 1000. Tor des Aufsteigers in dieser langen Saison. Und ungewöhnlich fielen auch die restlichen knapp 27 Minuten des ersten Abschnitts aus, als der VfL seine Produktion Schritt für Schritt weiter erhöhte, übers 4:6 (6.) und 5:7 (7.) aber noch bis zum 7:8 (10.) hinterherlaufen musste. Nach dem 4:0-Lauf zum 11:8 (14.) zündete das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson offensiv erst recht den Turbo – 11:10 (16.), 14:11 (19.), 18:14 (25.), 23:17 (30.). Kein Wunder: Die Partie war kein Genuss für die Torhüter beider Teams. Gummersbachs Fabian Norsten landete später mit sieben Paraden bei einer Quote von 20,59 Prozent an gehaltenen Würfen, Kollege Malte Semisch im Mindener Kasten schaffte trotz seiner zwölf Paraden ebenfalls nur übersichtliche 20,59 Prozent.

Bis zum 24:18 (31) kurz nach dem Beginn der zweiten Halbzeit sah alles nach einer klaren Sache aus – und doch kam es ganz anders, weil die Kurve bei den Gästen steil in den Keller ging und die Hausherren plötzlich ihre Chance sahen. Aus dem 20:25 (35.) wurde blitzartig ein 25:26 (39.) und aus dem 26:29 (42.) das 28:29 (43.), bevor Minden nach dem 28:30-Rückstand (44.) zum 30:30 (46.) ausglich und ab jetzt hartnäckig auf jede Führung der Gäste eine Antwort fand. Nach dem 32:33 (50.) erzielte Minden das 33:33 (51.) und mit dem 34:33 (52.) sogar seine erste Führung. Beim späteren 35:37 (54.) und 37:38 (58.) drohte den Gummersbachern anschließend sehr real eine unerwartete Pleite, die Lukas Blohme durchs 38:38 (58.) verhindern konnte. Genau 71 Sekunden vor dem Ende stand dann Dominik Mappes frei vor Mindens Keeper Malte Semisch und damit vor dem 39:38 – das jedoch  in der Summe wohl des Guten zu viel gewesen wäre: Semisch parierte und hielt so gleichzeitig das gerechte Unentschieden fest.

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (5), Kodrin (4), Köster (3), Blohme (4), Schroven, Häseler (1), Schluroff (2), Mappes (9/5), Pregler, Styrmisson (2), Kiesler, Stüber (5), Jansen (2), Zeman (1).