26. Juli 2023 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Zum alten Eisen gehört er natürlich noch lange nicht, aber ein alter Hase im Geschäft ist er auf jeden Fall. Andreas Heckhausen, den meisten nur als „Giovanni“ bekannt, hat schließlich schon eine halbe Ewigkeit im Handball verbracht. Was er sich erhalten hat: Die Leidenschaft für den Sport und die Bereitschaft, alles zu geben und viel zu verlangen. Das alles schützt aber nicht davor, dass einer mit 52 Jahren und einem Berg an Erfahrung als Trainer irgendwann etwas Neues erlebt – so wie in der vergangenen Saison 2022/2023. Da stand er als Coach bei der zweiten Mannschaft des BTB Aachen an der Seitenlinie, die damals gerade aus der Oberliga abgestiegen war. Die Perspektive? Relativ unklar. Und von höheren Zielen oder gar dem direkten Wieder-Aufstieg traute sich im Sommer 2022 niemand zu reden – auch Heckhausen nicht, der ja durchaus als ehrgeizig/anspruchsvoll gilt. Das war bereits früher in seiner Zeit bei den Aachenern zu erkennen und auch anschließend während seiner Tätigkeit als Mann an der Seite des Regionalligisten HC Weiden. Die Rückkehr zum Verein war für Heckhausen im Übrigen zunächst sehr praktisch: Weil er nur anderthalb Kilometer von der Halle entfernt lebt, kann er nun das Fahrrad für den Weg zum Training nutzen – und spart nebenbei viel Zeit. Weniger sparsam wollten/konnten die Aachener dann das Abenteuer Verbandsliga angehen. Alle waren darauf eingestellt, den höchsten möglichen Einsatz bringen zu müssen – was sie in die Tat umsetzten. Das Ergebnis lag allerdings weit weg von den eigenen Erwartungen, die im Jahr eins der Neu-Orientierung eher auf eine Art sicheren Aufenthalt in der tieferen Klasse hinausliefen. Das Ergebnis: Mit 50:10 Punkten holte Aachen die Meisterschaft und schaffte zusammen mit dem Zweiten TuS Königsdorf (47:13) den Sprung in die Oberliga. Heckhausen kann es bis heute kaum glauben, dass seine Mannschaft derart weit übers Ziel hinausschoss: „Der Aufstieg war eher Zufall.“
Die BTB-Zweite, der Unterbau der in der Regionalliga angesiedelten Ersten, startete mit einer Mischung aus Spielern des bisherigen Teams, der dritten Mannschaft und Nachrückern aus der eigenen Jugend. Von Beginn an stellte sich dabei heraus, dass die Beteiligten richtig viel Lust auf das Projekt mitbrachten. „Die Jungs haben extrem stark dran gezogen“, betont Heckhausen, der sehr früh mit der Vorbereitung begann und sich durch den guten Start zusätzlich bestätigt sah: „Wir hatten eine sehr gute Physis.“ Nach zwei klaren Erfolgen aus den ersten beiden Spielen gab es trotzdem zwei frühe Rückschläge – mit dem 25:32 beim VfL Bardenberg und dem noch klareren Rückschlag mit dem 22:35 beim späteren Vizemeister Königsdorf. Keiner versuchte es seinerzeit, angesichts der 6:4 Punkte und 135:134 Tore von Höherem zu träumen. Es blieben jedoch die einzigen Niederlagen in der Hinrunde und mit 19:1 Zählern aus zehn weiteren Partien meldete der BTB II bald an, dass mit ihm bei der Vergabe der Aufstiegsplätze zu rechnen sei. „Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert“, findet der Coach, der in der Rückrunde unter anderem die 24:17-Revanche gegen Bardenberg sah und ein 28:26 über den TuS Königsdorf – und sich entsprechend angetan zeigte: „Der TuS war für mich die stärkste Mannschaft in unsere Gruppe.“ Weil der hartnäckigste Konkurrent aber im zweiten Teil der Meisterschaft in der Summe immerhin zehn Punkte abgab, war der Weg zum Titel früh frei für den BTB, der seinerseits in einem späten Stadium der Saison bloß zwei Mal als Verlierer von der Platte gehen musste – 24:30 beim Polizei SV Köln, 26:33 bei der TSV Bonn rrh. II. Beide Pleiten waren zwar sehr schmerzhaft, änderten allerdings nichts mehr am Aufstieg: Königsdorf stolperte selbst noch zwei Mal und der Dritte MTV Köln II (41:19) sowie der Vierte Polizei SV Köln (39:21), gegen den Aachen drei seiner zehn Minuspunkte kassierte, lagen sowieso zu weit zurück.
Die Krux am Aachener Erfolg: Während anderenorts vielleicht eine Art Euphorie ausgebrochen wäre, herrscht beim BTB eine Mischung aus gedämpfter Stimmung und besonderer Art der Nachdenklichkeit. Schon im Normalfall wäre der Weg mitten in den Abstiegskampf gegangen – weil es weder große finanzielle Mittel noch Verstärkungen von außerhalb gibt. Dabei hätten alle zusammen sehr gerne aus der Not wieder eine Tugend gemacht und erneut versucht, sich innerhalb der stärkeren Konkurrenz zu behaupten und durch die bekannte personelle Mischung ohne Erfahrung aus höheren Klassen wenigstens hier und da ebenfalls für die eine oder andere Überraschung zu sorgen. Doch bereits im Laufe der vergangenen Saison kam manches anders und unter dem Strich traf es Team und Trainer knüppeldick – weil die Hiobsbotschaften nicht abrissen. Heckhausen hat deshalb erkennbar anhaltende Schwierigkeiten, die Dinge zu verarbeiten. Sein bitteres Fazit: „Die Mannschaft, die wir jetzt haben, hat nicht mehr mit der zu tun, die aufgestiegen ist.“ Gleich fünf Spieler, die in der Serie 2022/2023 in der Regel zur Startaufstellung gehörten, sind nicht mehr an Bord – drei von ihnen aufgrund schwerwiegender Verletzungen. Wie sich das auffangen lässt und ob das überhaupt irgendwie möglich sein könnte, ist zurzeit eins der größten Rätsel.
Zum üblichen Schicksal gehört es, dass sich Spieler einem neuen Verein anschließen. Trotzdem traf die Aachener empfindlich, dass sie künftig auf zwei bisherige Stützen verzichten müssen: Conradin Willers läuft inzwischen für den Oberliga-Konkurrenten Birkesdorfer TV auf und Kian Wudtke ist zum KTSV Eupen in die Bene-League gewechselt (Belgien, Niederlande). Drei andere hätten unbedingt weitergemacht, sind jedoch noch für einen längeren Zeitraum zu einer Zuschauerrolle verurteilt: Marius Kruse und Laurin Röder fallen jeweils wegen eines Kreuzbandrisses aus, Laurin Poro wegen einer gerissenen Achillessehne. „Kruse und Laurin Röder waren unsere stärksten Abwehrspieler“, erläutert Heckhausen, dessen Team 2022/2023 in 30 Partien lediglich 710 Gegentreffer zuließ (Durchschnitt 23,66). Einen besseren Wert konnte nur der MTV Köln II erzielen (704/23,46), während alle anderen Verbandsligisten deutlich darüber lagen. Vorne werden den Aachenern auf jeden Fall die Tore von Laurin Poro aus dem rechten Rückraum fehlen.
Heckhausen wird auch in der nächsten Saison sowie in der Vorbereitung darauf den intensiven Austausch mit Simon Breuer pflegen, der als Sportlicher Leiter der Aachener sowie als Trainer der Regionalliga-Mannschaft insgesamt viele Baustellen zu verarbeiten hat – und angesichts einiger Abgänge selbst einen Umbruch bewältigen muss. Wer überhaupt wann und wo den anderen unterstützen kann, wird sich zeigen müssen. Vermutlich wartet da auf ganz Aachen ein spannender Balanceakt – und wie speziell das Regelwerk für die Oberligisten zur kommenden Saison darstellt, verspricht ebenfalls eine Menge an intensiven Gedankenspielen. Nach dem Zusammenschluss des bisherigen Handball-Verbandes Mittelrhein und des bisherigen Handball-Verbandes Niederrhein zum neuen Handball Nordrhein ist vieles nach wie vor völlig unklar – obwohl bereits am 26. August die Saison losgeht. Was sie in Aachen wissen: Sie starten mit einem Auswärtsspiel beim TV Rheinbach. Darüber hinaus wissen sie wenig bis nichts, weil bisher keine amtlich gültigen Durchführungsbestimmungen vorliegen. Das passt zwar zum insgesamt extrem bescheidenen Bild, das der neue Verband nach dem Zusammenschluss abgibt, ist aber für die betroffenen Vereine ein Unding.
Heckhausen etwa hat – wie viele – über Umwege gehört, dass es diesmal gar keine Absteiger geben soll. So stand es schließlich auch in den vor zwei Wochen auf der Webseite des Mittelrheins kurz veröffentlichten und schnell wieder im Dunkeln versenkten Durchführungsbestimmungen. Zuzutrauen wäre es den Entscheidungsträgern ohnehin, dass sie die Vereine in eine letztlich aus sehr vielen Freundschaftsspielen bestehende Saison schicken, in der bloß der Aufstieg für Reiz sorgt. Außerdem soll ja sehr wahrscheinlich die künftig in Verbandsliga umbenannte bisherige Oberliga auf drei Gruppen ausgedehnt werden – was zusätzliche Aufsteiger aus den bisherigen Verbandsligen (künftig Landesligen) erfordert. Für den BTB Aachen könnte sich aus der Gemengelage ein moralischer Zweispalt ergeben: Gibt es in seiner Klasse tatsächlich keine Absteiger, kann er die Serie 2023/2024 ohne jeden Druck bestreiten, zum gegebenen Zeitpunkt in Ruhe die Verletzten wieder einbauen und den internen personellen Austausch frei gestalten. „Das würde uns in diesem Jahr helfen“, sagt Heckhausen „danach wären wir alle ein Jahr weiter.“ Dabei ist ihm trotzdem mehr als nur einfach unwohl, weil er lieber den „normalen“ Weg gehen und den Versuch unternehmen würde, im Kampf um den Klassenerhalt zum Beispiel zwei Kontrahenten hinter sich zu lassen. Sein felsenfester Standpunkt: „Es darf keine Liga geben, in der es nur um die goldene Ananas geht. Wer nicht genug Punkte holt, steigt ab.“ Dem ist wenig hinzuzufügen.