Regionalliga Nordrhein
Refraths neuer Trainer: Tacke kann nur hundert Prozent
Der bisherige Pulheimer Kelvin Tacke und sein Co-Trainer Manfred Zybarth sind heiß auf ihre Aufgabe.

Wir packen an! Kelvin Tacke ist schon lange im Trainergeschäft unterwegs – und die Lust am Handball immer noch die alte. (Foto: Thomas Schmidt)

Sie halten nichts davon, in einen kleineren Gang zu schalten. Nicht mal ansatzweise. Eher ist das Gegenteil der Fall: Kelvin Tacke (60) und sein langjähriger Wegbegleiter Manfred Zybarth (68), die es seit einer Ewigkeit für jeden Verein nur im Paket gibt, schalten jetzt sogar wieder eine Stufe höher. Nachdem feststand, dass beide nach einer langen Tätigkeit dort den Mittelrhein-Oberligisten Pulheimer SC verlassen wollen, hatten sie angesichts einiger Angebote praktisch die freie Auswahl. „Es waren interessante Sachen dabei“, sagt Tacke. Und besonders interessant war in der Summe offensichtlich das, was sich der Regionalligist HSG Refrath/Hand für die nächste Zeit vorstellt. In Refrath hatten der bisherige Trainer Christopher Braun, gleichzeitig Sportlicher Leiter, und sein Co-Trainer Dennis Marquardt beschlossen, den Weg für zusätzliche/neue Impulse von außen freizumachen. In Vierergesprächen klopften die Herren die geneinsamen Vorstellungen ab – und wurden sich relativ rasch einig. Ein Kernpunkt aus HSG-Sicht: „Wir haben jemanden mit einer gewissen Vita gesucht.“ In der Übersetzung bedeutet das: Der erst vor einem Jahr in die Regionalliga aufgestiegene Verein stellte sich für ein paar strukturelle Maßnahmen unter anderem ein hohes Maß an Erfahrung vor – gepaart mit ebenso hohen Qualitäten eines Handball-Fachmanns. Und davon hatten sie sich im Fall Tacke/Zybarth bei der HSG früher in der Oberliga Mittelrhein immer wieder selbst überzeugen können. Kelvin Tacke seinerseits fand das vorgestellte Paket ebenfalls stimmig: „Bei mir müssen gewisse Dinge passen. Hier waren es unter anderem die Art, wie der Verein geführt wird, und die sportliche Entwicklung. Außerdem haben sie erklärt. etwas verändern zu wollen.“ Tacke, der eher Extrovertierte an der Seite, und Zybarth, der ausgleichende Ruhepol, gehen die Aufgabe mit Volldampf an. Arbeit wartet tatsächlich genug auf alle Beteiligten, denn vor ihnen liegt nichts anderes als eine Art Umbruch. 

Punkt eins ist der Austausch des Trainerstabes, den Braun ja bewusst forciert hat, weil sich die meisten der Beteiligten im Spielerkader und im Kreis der Verantwortlichen sehr gut kennen, vielleicht sogar über die Jahre zu gut, als dass noch ein freies/unbelastetes Urteil für Entscheidungen möglich gewesen wäre: „Es wurde Zeit dafür.“ Punkt zwei hat viel damit zu tun, dass einige Eckpfeiler der vergangenen Jahre künftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Während die erfahrenen Michael Wittig (34) und Jonathan Benninghaus (33), vor allem beim Unternehmen Aufstieg aus der Oberliga in die Regionalliga tragende und treibende Kräfte, ihre aktive Handball-Karriere beendet haben, macht Linkshänder Lennart Niehaus weiter – allerdings ein paar Kilometer weiter beim Longericher SC in der 3. Liga. Dass Niehaus in eine höhere Klasse wechselt, ist keine Überraschung, sondern eher die Tatsache, dass es erst jetzt passiert. Seinen Wert für die Refrather zeigte er im Grunde fast an jedem Spieltag und besonders im Saisonfinale 2021/2022 beim Titelkonkurrenten TSV Bayer Dormagen II. Dort erzielte Niehaus im Mai 2022 in den letzten 20 Minuten gleich sieben seiner insgesamt zwölf Treffer zum 33:30-Erfolg und er gab den Hausherren immer wieder unlösbare Rätsel auf. Anschließend kam der als Rechtsaußen und besonders als Rückraumspieler einsetzbare Linkshänder, der ein paar Partien verletzt nicht mitmachen konnte, in der Regionalliga auf 162 Treffer in 20 Spielen. Mit dem Durchschnitt von 8,10 Toren pro Begegnung lag Lennart Niehaus als Zweiter der Torjägerliste selbst vor dem Ratinger Top-Werfer Ante Grbavac (198/26 Spiele/Durchschnitt 7,62), der dafür mit Interaktiv.Handball die Meisterschaft holte und den Sprung in die 3. Liga schaffte. „Für Lennart müssen wir eine Kompensation finden“, erläutert Tacke. Weil Linkshänder generell und erst recht mit dieser Qualität nicht so sehr einfach zu haben sind, wird in der nächsten Serie der Einsatz von Rechtshändern im rechten Rückraum vermehrt in den Vordergrund rücken. 

Der mit dem richtigen Blick für die Situation: Martin Mokris soll die Refrather Angriffe mit Impulsen versorgen. (Foto: Thomas Schmidt)

Den Wegfall der Erfahrung von Wittig und Benninghaus gleicht die HSG zunächst durch zwei Spieler aus, die Neu-Trainer Tacke aus Pulheim „mitgebracht“ hat. Michel Geerkens (26) übernimmt praktisch den Platz von Wittig am Kreis und Martin Mokris, der demnächst 35 wird, soll als Regisseur für Ruhe, Übersicht und Struktur sorgen. „Seine Art der Spielsteuerung wird uns guttun“, glaubt der Sportliche Leiter Christopher Braun – was Tacke natürlich nach drei gemeinsamen Jahren mit Mokris in Pulheim genauso sieht. Einig waren sich alle bei der Kaderplanung außerdem darin, noch drei Talente an die Steinbreche zu lotsen. Eins davon ist der junge Keeper Finn Brenken (20), der einst für den TSV Bayer Dormagen in der Jugend-Bundesliga und in der zweiten Mannschaft (Oberliga) unterwegs war, ehe er nun über ein Jahr in Spanien und die Rückkehr nach Deutschland den Weg zur HSG Refrath/Hand fand. Linkshänder Yanic Hohenschon, früher zur B-Jugend der HSG gehörend, wechselte zuerst nach Gummersbach und schloss sich nun nach dem Abschied aus der A-Jugend der JSG Wilhelmshaven erneut seinem früheren Verein an. Frederik Kraus (23/Linksaußen) war zuletzt beim LTV Wuppertal in der Oberliga Niederrhein unterwegs. Ganz klar: Tacke sieht es nun angesichts der durchaus nicht wenigen Neuen als seine vordringlichste Aufgabe an, alle Puzzleteile möglichst an den richtigen Platz zu legen und daraus eine für die Regionalliga möglichst schlagkräftige Einheit zu formen. Und er holt direkt alle vielleicht zu optimistischen Refrather auf den Boden der Tatsachen: „Das ist ein Prozess, der die ganze Saison über dauern wird.“

Am festen Willen des Trainers fehlt es dabei nicht, wie sich kürzlich rund um die Saison-Eröffnung mit dem Testspiel gegen den niederländischen Meister Kembit Lions aus Limburg erkennen ließ: Tacke war wie immer sehr engagiert und mit ganzem Herzen dabei – sowohl in den starken Phasen der Hausherren und natürlich erst recht in den schwächeren, die am Ende für die 21:29-Niederlage verantwortlich waren. Maximales Engagement gehört für Kelvin Tacke im Übrigen zur Grundausstattung: „Ich habe eine Riesenlust und richtig Bock. Ich kann keine 80 Prozent, keine 70 Prozent, keine 60 Prozent, sondern nur hundert.“ Genau diese Einstellung will er der Mannschaft einimpfen, weil seiner Ansicht nach die Regionalliga bereits eine Umgebung ist, in der es leistungsorientiert zugeht. Dass ihm das in der Summe seiner Trainerstationen hin und wieder den Ruf eingebracht hat, ein strenger bis fast autoritärer Trainer zu sein, weiß er natürlich – und genau jene Konsequenz im Sinne des gemeinsamen Ganzen ist es offensichtlich, die für die HSG bei der Neubesetzung des Trainerstuhls so wichtig war. Und vermutlich werden die Refrather alle zur Verfügung stehenden Kräfte benötigen, um demnächst wieder ein ähnlich ordentliches Ergebnis wie aus dem ersten Jahr in der Regionalliga zu erreichen. Wenn es in einem dichten Mittelfeld erneut der siebte Rang würde, wären Team und Trainer fast positiv verwundert – wie Tacke nach seinen ersten Gesprächen mit der HSG überrascht war, denn aus seiner Sicht standen/stehen für die Kaderplanung eher begrenzte Mittel zur Verfügung: „Hier baut keiner Luftschlösser, hier wird absolut vernünftig gewirtschaftet – was ich zu hundert Prozent unterstütze.“

Beim Blick auf die nächste Saison mag sich Tacke vorerst nicht auf eine konkrete Position festlegen – selbstredend abgesehen davon, dass die Refrather gar nicht oder allenfalls sehr wenig in direkte Abstiegsgefahr geraten wollen. Übersetzt: Der Klassenerhalt sollte es schon sein. Dabei rechnet der Coach damit, dass es weiter unten keinen Verein mehr gibt, der dem Feld derart weit hinterherläuft wie in der vergangenen Saison der Absteiger Neusser HV (zehn Punkte Rückstand). Tacke schätzt unter anderem die beiden Aufsteiger Borussia Mönchengladbach (aus der Oberliga Niederrhein) und TSV Bayer Dormagen II (aus der Oberliga Mittelrhein) so stark ein, dass sie sich auf jeden Fall gut in der Regionalliga halten können. Den Blick nach oben richten die Refrather auf der anderen Seite nicht mal im Ansatz, wobei sie der erste Spieltag aber direkt mit einem der Großen in der Regionalliga zusammenführt. Am 25. August dürften die Refrather und ihr neuer Trainer als Außenseiter beim TV Korschenbroich (zuletzt Vizemeister) wenig zu verlieren haben: „Der TVK ist logischerweise einer der Favoriten. Ich bin froh, dass wir sie direkt am Anfang haben.“ Die Belastung wird anschließend bei der Heimpremiere gegen den MTV Rheinwacht Dinslaken, der 2022/2023 als Vorletzter über die Ziellinie kam, vielleicht deutlich größer sein für die HSG, die danach am 10. September beim verstärkten OSC Rheinhausen antritt – dem Tacke ebenfalls einiges zutraut. Logisch allerdings: Kelvin Tacke und Manfred Zybarth sind nicht nach Refrath gekommen, um eine ruhige Kugel zu schieben oder in einen kleineren Gang zu wechseln. Sie schalten jetzt lieber eine Stufe höher.