11. August 2023 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Der vollständige Name lautet inzwischen ja Interaktiv.Handball Düsseldorf-Ratingen und kommt ziemlich sperrig daher. Nach der Auflösung der seit 2011 bestehenden SG Ratingen, die eine Spielgemeinschaft mit dem TB Ratingen war, gingen Ratingens Handballer wieder unter der Flagge Interaktiv an den Start – bis sie in diesem Sommer die Zusammenarbeit mit dem HC Düsseldorf beschlossen, der den Schwerpunkt Jugendarbeit in die neue Spielgemeinschaft einbringt. Der Start in diese Handball-Ehe war insofern glücklich gewählt, weil die erste Mannschaft der Ratinger passenderweise den Aufstieg in die 3. Liga beisteuern konnte – eine Mitgift, die als sportliches Aushängeschild der Kooperation durchgeht und auch als Anker für die Zukunft gilt. Mühselig genug war der Weg zurück dabei für Interaktiv, das nach vier Aufstiegen hintereinander (ab 2011) zunächst tatsächlich den Sprung in die 3. Liga schaffte und dort im ersten Jahr mit Rang acht und 30:30 Punkten am Ende der Saison 2014/2015 das beste Ergebnis in der Vereinsgeschichte erzielte. Anschließend gelang auf Platz neun mit 27:33 Zählern ebenfalls sicher der Klassenerhalt, ehe der Absturz folgte: Mit nur 5:55 Punkte aus 30 Spielen musste Ratingen 2016/2017 als Letzter zurück in die 3. Liga – gemeinsam mit dem Nachbarn SG Langenfeld (Vorletzter/19:41). Am 7. Mai 2017 gab es das bislang letzte Drittliga-Spiel. Und anschließend mühte sich die SG mit hohen Investitionen vor allen Dingen im personellen Bereich, den Schaden zu beheben – was über fünf Jahre bisweilen gründlich misslang. Bis jetzt. Und nun sind sie in der neuen Spielgemeinschaft gekommen, um zu bleiben. Um dauerhaft zu bleiben. Mit dafür sorgen soll Benjamin Daser, der sich seit ein paar Monaten als Sportlicher Leiter, was bei Interaktiv „Fachbereichtsleiter Sport“ heißt, um das Unternehmen Handball kümmert – was im Übrigen exakt seiner Stellenbeschreibung beim seit 2019 bestehenden HC Düsseldorf entspricht. Düsseldorf ist überhaupt Dasers handballerische Heimat (vorher HSG, ART, Rhein Vikings).
Als die SG Ratingen in der Saison 2017/2018 als Vizemeister hinter den Langenfeldern im Kamf um den Wieder-Aufstieg zum ersten Mal scheiterte, war Daser noch in der Beobachter-Rolle – wie 2018/2019, als es in einem Herzschlag-Finale mit vielen Vorteilen auf Ratinger Seite hinter dem punktgleichen MTV Rheinwacht Dinslaken erneut nur zu Platz zwei reichte, der nicht zur Teilnahme an der Aufstiegs-Qualifikation berechtigte. Anschließend begann für alle der Windmühlen-Kampf gegen die Corona-Pandemie und gegen die damit verbundenen Unwägbarkeiten: Als die Saison 2019/2020 abgebrochen und der Spitzenreiter TuS 82 Opladen zum Meister ausgerufen wurde, lag Ratingen lediglich auf Platz neun und wäre damit sowieso nicht mehr für den Sprung zurück nach oben in Frage gekommen. Einer genauen Bewertung entzieht sich im Grunde die Serie 2020/2021, weil hier bereits nach drei Spieltagen wieder Schluss war und es am Ende im Juni 2021 eine aus der Not geborene Dreier-Aufstiegsrunde gab. Hier war allerdings die zumindest in der Höhe unerwartete 19:27-Pleite in der entscheidenden Partie gegen TuSEM Essen II die nächste Endstation. Wiederum ein Jahr darauf waren die Ratinger erstens an einem packenden Saisonfinale beteiligt und zweitens fuhr der Aufstiegszug nach dem 34:36 am letzten Spieltag beim TV Aldekerk wiederum ohne die Mannschaft des damaligen Trainers Ace Jonovski ab – der kurz darauf seinen Stuhl räumen musste. Als Neue an der Seitenlinie kamen für den Chefposten der vorherige Co-Trainer Filip Lazarov und Alexander Oelze als spielender Co-Trainer. Und beide übertrafen die Erwartungen in der Summe um Längen – wie auch Daser findet, der rund um die damalige Lösung noch nicht in Ratingen angestellt war und die Lösung für den Posten an der Linie zunächst vor allem spannend fand: „Filip hat das fantastisch gelöst. Er hat jeden Spieler gesehen und auch mit jungen Leuten gearbeitet. Das war und ist sehr wichtig.“
Interaktiv musste neben seiner immer noch großen Erfahrung hin und wieder helfend das Glück einsetzen – nicht zuletzt in den beiden Duellen mit dem einzigen echten Titelkonkurrenten TV Korschenbroich. Beim 25:24 zum Saisonstart 2022/2023 wäre ebenso ein anderer Ausgang möglich gewesen wie zum Rückrundenstart beim 30:29 in eigener Halle. Knapp waren zudem andere Spiele wie das 33:32 bei der TSV Bonn rrh., das 31:31 gegen die HG Remscheid oder das 32:32 gegen den Absteiger Neusser HV. Zwei Faktoren sorgten aber dafür, dass sich die Waage bald auf die Seite der Ratinger neigte: Erstens konnten sie bei 23 Siegen und drei Unentschieden als einziger Regionalligist jede Niederlage vermeiden – und sich zweitens in der Regel auf ihre ungewöhnliche Angriffs-Qualität verlassen. Nur zweimal blieb die Mannschaft unterhalb der 30-Treffer-Marke – bei jenem 25:24 in Korschenbroich und beim 28:18 gegen die HSG Refrath/Hand. Unter dem Strich kamen 896 Tore zusammen, was einem Durchschnitt von 34,46 Treffern pro Partie entsprach. Dazu passt, dass sich der vor einem Jahr vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen gekommene Rückraumspieler Ante Grbavac mit 198 Treffern an die Spitze der Torjägerliste setzte. Nummer zwei der intern bester Werfer war Tomislav Nuic (115 Tore/21 Spiele), während weitere vier Spieler von Hendrik Stock (98/26) bis Alexander Oelze (69/16) zumindest im gehobenen zweistelligen Bereich trafen.
Für die steigenden Herausforderungen in der 3. Liga hat sich Interaktiv wiederum erfahren verstärkt. Prominentester Zugang ist Torhüter Sebastian Bliß (33), der über ein Jahrzehnt lang beim Zweitligisten TuSEM Essen tätig war und dort im Erstliga-Jahr 2020/2021 ebenfalls zwischen den Pfosten stand. Luca Sackmann (27) kam vom Westfalen-Oberligisten TuS Volmetal, für den er zumindest schon in der 3. Liga seine Tore erzielte – im rechten Rückraum, wo die Ratinger so neben Robert Markotic über einen zweiten Linkshänder verfügen. Eher der Abteilung „Jugend forscht“ entspringt Linksaußen Max Hinrichs (21), der aus der A-Jugend der TSV Bayer Dormagen stammt, zuletzt das Trikot des Drittligisten TuS 82 Opladen trug und nun auf mehr Spielanteile kommen soll. Im selben Alter sind Spieler wie Jonas Perschke (20) und Alexander Poschacher (20), die in der vergangenen Saison vom HC Düsseldorf nach Ratingen gewechselt waren. Auch Spieler wie Hendrik Stock (22), beim Bergischen HC und beim VfL Eintracht Hagen in der A-Jugend-Bundesliga unterwegs, waren zuletzt sehr aktiv auf der Platte am Erfolg des Unternehmens Aufstieg beteiligt. „Wir sind um jeden jungen Spieler froh, der zu uns kommt“, betont Daser, „wir müssen die Jugendarbeit nachhaltig entwickeln.“ Einer seiner Tätigkeits-Schwerpunkte soll daher die Verbindung zwischen erster Mannschaft, zweiter Mannschaft (Verbandsliga) und Nachwuchsbereich sein. Co-Trainer Oelze (39) hatte es in der Rückrunde 2022/2023 mal sehr präzise so formuliert: „Die Alten können ja nicht ewig spielen.“
Obwohl sich alle Beteiligten mit dem bisherigen Verlauf der Saison sehr zufrieden zeigen, sind höhere Ansprüche für die kommende Saison nicht zu hören. „Unsere Zielsetzung ist schon der Klassenerhalt“, betont Daser, „und wenn ich mir was wünschen dürfte, gelingt er uns so früh wie möglich.“ Gleichzeitig weiß der Sportliche Leiter, dass die Konkurrenz den Ratingern weiterhin kaum Geschenke machen wird und dass die kommenden Monate vermutlich sehr intensiv werden. Was auf den Aufsteiger in der Realität wartet, dürfte sich im Übrigen direkt am ersten Spieltag zeigen: Am 1. September (Freitag) eröffnet der Drittliga-Rückkehrer die Saison mit der Aufgabe beim Vorjahresdritten Longericher SC. Das erste Heimspiel wird am 9. September gegen die TSG Haßloch nicht wesentlich einfacher – und erst recht nicht das dritte zum Abschluss des Monats am 30. September gegen die zuletzt in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga gescheiterte HSG Krefeld, die sich in der kommende Saison erneut ganz oben sieht. Ob jene 2. Bundesliga in der Zukunft sogar für Ratingen ein Gedanken-Thema werden könnte? „Irgendwann“, sagt Benjamin Daser. Nicht nur für ihn ist klar: Dieser Weg wird ein weiter sein. Vorerst sind sie mal froh, zurück in der 3. Liga zu sein. Und dieser Weg war ja mühselig genug.