29. August 2023 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Erster Spieltag, erste Überraschung in der 1. Bundesliga: Und der Bergische HC hätte gut und gerne drauf verzichten können, denn das 30:31 beim ThSV Eisenach dürfte ihm noch eine Weile ziemlich schwer im Magen liegen. Wer gegen einen Klub verliert, der nach seinem Aufstieg in die höchste deutsche Klasse fast allgemein als Abstiegskandidat Nummer eins gilt, der muss sich schließlich ein paar Gedanken machen. Dass die Hausherren gerade zur Premiere in ihrer lauten Halle mit euphorischen Fans alles und vielleicht noch etwas mehr aus sich herausholen würden, kam dabei nicht unerwartet fürs Team von BHC-Trainer Jamal Naji. Erstaunlich war dann trotzdem, wie viele Probleme die Gäste über die gesamten 60 Minuten auf der Platte hatten. Einer der Gründe, der aber kaum als Erklärung für alles taugte: In Elias Scholtes (Fuß) und Djibril M’Bengue (tauchte nach überwundenem Handbruch auf dem Spielbericht auf, kam aber nicht zum Einsatz) standen zwei Linkshänder nicht zur Verfügung. Nachvollziehbar deutlich besser war die Stimmung auf jeden Fall am Sonntagnachmittag in der Schwalbe-Arena beim VfL Gummersbach, der sich mit dem TBV Lemgo Lippe einen über die gesamten 60 Minuten packenden Kampf lieferte und letztlich mit dem 30:27 beide Punkte aufs eigene Konto überweisen konnte. Noch ein Unterschied zum BHC: Während die Solinger gegen einen euphorischen Aufsteiger und gut 2000 genauso enthusiastische Fans zu kämpfen hatten, wusste der VfL in seinem Wohnzimmer rund 4000 Zuschauer hinter sich – was sicher gerade in den kritischeren Situationen eine echte Hilfe war. Außerdem standen VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson bis auf den verletzten Lukas Blohme (Sprunggelenk) alle Spieler seines Kaders zur Verfügung.
Der Auftakt-Patzer des BHC hätte sich trotz aller äußeren Umstände und personeller Widrigkeiten vermeiden lassen – nicht zuletzt deshalb, weil es in der engen Partie mit wechselnden Führungen mehrmals die Gelegenheit dazu gab, das Geschehen in den Griff zu bekommen. Mit dem 1:0 (2.) und 2:1 (4.) legte Najis Mannschaft zunächst vor, ehe ab dem 2:3 (6.) die Zeit des Hinterher-Rennens begann. Erst mit dem 10:10 (25.) von Linus Arnesson gelang mal wieder der Ausgleich und als Torhüter Peter Johannesson direkt vor der Schluss-Sirene der ersten Halbzeit ins hier verwaiste Tor der Hausherren traf, ging es mit einem alle Chancen lassenden 13:13 (30.) in den zweiten Durchgang. Hier machte der BHC aus dem 15:18 (34.) in seiner effektivsten Phase erst das 18:16 (40.) und dann die 19:17-Führung (41.), sodass er nun bessere Karten zu haben schien. Der Rest des Duells entwickelte sich anschließend zu einem Parallel-Slalom, in dem auch nach dem 25:25 (52.) jedes Ergebnis möglich war. Selbst das 25:27 (54.), 26:28 (56.) und 28:30 (59.) waren dann noch keine Entscheidung, zumal Arnesson schnell auf 29:30 (59.) verkürzen konnte.
Warum der BHC dennoch leer ausging, hatte unmittelbar mit dem 29:31 zu tun – weil danach nur 20 Sekunden an Restspielzeit auf der Uhr standen. Torschütze hier: Regisseur Manuel Zehnder, den die Gäste zu keinem Zeitpunkt vernünftig zu kontrollieren wussten. Zehnder steuerte alleine 13 Treffer bei und zusammen mit dem ebenfalls starken Alexander Saul (acht) aus dem rechten Rückraum 21 Tore. Klare Aussage: Die Partie ging eindeutig in der Defensive verloren. Und ein dringend benötigtes Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torhütern fand ebenfalls nicht statt: Peter Johannesson landete mit seinen vier Paraden bei einer mageren Quote von 23,53 Prozent an gehaltenen Würfen, Kollege Christopher Rudeck lag mit drei Paraden und 14,29 Prozent noch niedriger. BHC-Trainer Naji wirkte gefasst bis nachdenklich: „Es war eine sehr bemerkenswerte Leistung von Eisenach. Ich hatte mir eingebildet, zu wissen, was auf uns zukommt. Was es am Ende geworden ist, hat die Erwartungen übertroffen. Es herrschte eine wahnsinnig hitzige Atmosphäre. Was die Zuschauer für einen Druck auf uns entwickelt haben – da kann ich nur ein Kompliment aussprechen. Wir verwerten sieben freie Würfe von der Außenposition nicht, und wir bekommen zu keinem Zeitpunkt in der Abwehr Zugriff auf Manuel Zehnder. Im Spiel hatten wir sicher kein Glück. Noah Beyer war etwas krank, konnte nicht mehr weitermachen, Eloy Morante ist auch noch ausgefallen. Aber Eisenach hatte auch personelle Probleme. Wir sind in Teilen an unserem Unvermögen gescheitert.“ Ganz nebenbei ist damit der Druck fürs Spiel am Freitag gegen den Aufsteiger BHW Balingen-Weilstetten nicht kleiner geworden.
Gummersbach begann im Hochgeschwindigkeits-Modus und schien die Gäste aus Ostwestfalen-Lippe überrennen zu wollen. Nach dem 1:0 (1.) von Ellidi Vidarsson war Tom Kiesler defensiv sehr aufmerksam, eroberte das Spielgerät und vollendete den Tempogegenstoß selbst am Ende der ersten Minute – 2:0. Bis zum 8:4 (13.) stellte die stark arbeitende Abwehr des VfL den Kontrahenten immer wieder vor derart große Rätsel, dass TBV-Trainer Florian Kehrmann direkt seine erste Auszeit nahm. Folge: Lemgo sah in der Folge tatsächlich viel besser aus und bei den Hausherren stieg gleichzeitig die Fehlerquote – wie beim ungenutzten Siebenmeter von Dominik Mappes (20.). Kurz darauf nutzte Kehrmanns Team eine Überzahl (Zeitstrafe Kiesler) zum 10:10 (22.) und 11:10 (23.), bevor kurz darauf das 12:10 (24.) gelang. Übers 11:14 (28.) rannte Gummersbach bis zur Pause beim 12:14 (29.) hinterher, ehe Ellidi Vidarsson (32.) und gleich vier Mal hintereinander Kapitän Julian Köster (34./35./37.) den Spieß deutlich zum 17:14 umdrehten. Der TBV blieb in der Folge weiter sehr hartnäckig und Gummersbach trotzdem mit den richtigen Antworten ab jetzt immer vorne – 18:17 (40.), 21:18 (45.), 23:19 (48.), 26:23 (52.), 26:25 (56.), 28:25 (58.), 30:26 (60.). Ausgesprochen farbig war die Angelegenheit auf der Zielgeraden auch noch, weil jeweils ein Spieler beider Mannschaften für ein Foul die Rote Karte sah: Direkt nach der Pause hatte es Lemgos Kreisläufer Jan Brosch erwischt (32.), während Gummersbachs Kreisläufer Stepan Zeman erst spät runter musste (59.).
Dass der VfL letztlich nach einem intensiven Duell zwei Punkte behalten konnte, hatte viel mit einer besonderen Torhüterleistung zu tun. Tibor Ivanisevic, der begonnen hatte, bekam nicht sonderlich oft eine Hand an den Ball und Trainer Sigurdsson fand bei jenem Stande von 10:12, dass eine Veränderung sinnvoll sei – und er brachte den von Frisch Auf Göppingen gekommenen Daniel Rebmann. Der 29-Jährige, der größere Teile der Vorbereitung wegen einer Fußverletzung verpasst hatte, zeigte gerade in der wichtigen Situationen nicht nur viel Leidenschaft. sondern auch sehenswerte Paraden. So war es etwa beim Stande von 15:14 (36.), als er einen Siebenmeter von Zehnder abwehrte, beim Stande von 18:16 (39.), beim 19:18 (44.), aus dem Milos Vujovic (45.) und Mathis Häseler (45.) dann innerhalb von 33 Sekunden die 21:18-Führung machten, oder auf der Zielgeraden beim 27:25 (58.). „Natürlich bin ich sehr, sehr glücklich, dass wir heute gewonnen haben“, stellte VfL-Trainer Sigurdsson erleichtert fest, „in der ersten Halbzeit haben wir gut losgelegt und hatten dann eine kleine Phase, in der es nicht so gut lief. Wir sind nicht mehr ins Tempospiel gekommen, und wenn, haben wir viel verworfen. Man hat den Jungs da schon ihre Nervosität angemerkt. In der zweiten Halbzeit haben wir durch Daniel Rebmann Sicherheit bekommen. Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden, weil es ein schweres Spiel war. Wir freuen uns auf die nächsten Aufgaben.“ Die sofort folgende Aufgabe am Donnerstag ist direkt eine besondere Herausforderung – und Gummersbach beim Deutschen Meister THW Kiel bestimmt nicht zum Erfolg verpflichtet.
ThSV Eisenach – Bergischer HC 31:30 (13:13).
Bergischer HC: Rudeck, Johannesson (1) – Beyer, Persson (4), Nothdurft (3), Weck (1), Ladefoged (1), Andersen (6), Fraatz, Babak, Arnesson (6/4), M’Bengue, Stutzke (4), Morante Maldonado, Seesing (4).
VfL Gummersbach – TBV Lemgo Lippe 30:27 (12:14).
VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson (6), Kodrin (1), Vujovic (5/2), J. Köster (5), Häseler (1), M. Köster, Thskovrebadze (2), Mappes (2), Pregler, Horzen (1), Styrmisson, Kiesler (1), Jansen (5), Zeman (1).