3. Liga
Stark wie nie: Diese Saison wird ein Hammer
Selbst Longericher SC und Panther sind vorsichtig, TuS 82 Opladen und TV Aldekerk sowieso. Der LSC und Interaktiv eröffnen das Rennen am Freitagabend.

Endstation Abwehr: Selbst Nachbarn gehen auf der Platte nicht selten sehr rustikal miteinander um – wie hier Longerichs Malte Nolting (mit Ball) im „Duell“ mit den Panthern Justus Ueberholz (links), Max Weiß (stehend, Nummer 17), Henning Padeken (gebückt) und Simon Wolter (rechts) hautnah mitbekommt. Ähnlich wird es vermutlich auch in der neuen Saison zugehen. (Foto: Thomas Schmidt)

Das muss gar nicht verkehrt sein und vielleicht ist es sogar viel besser so. Mancher hat vor dem Start in die Saison 2023/2024 in der 3. Liga sowieso immer noch sehr gut vor Augen, wo er eigentlich herkommt – wie der letztjährige Aufsteiger TV Aldekerk. Eins seiner Geheimnisse für die starke Serie 2022/2023 und den sicheren Klassenerhalt über Rang acht: Die Mannschaft um Spielertrainer Tim Gentges wusste von Anfang an, worauf sie sich einlässt und was auf sie zukommt. „Wir werden dieselbe Rolle einnehmen wie in der vergangenen Saison, es wird nur noch eine Ecke schwieriger“, sagt Gentges mit dem Blick auf die kommende Monate. Dass nicht eben weniger Vertreter aus der bisherigen Gruppe West ähnlich kleine Brötchen backen, hat unter anderem tatsächlich mit dem veränderten Aussehen der Staffeln zu tun (vorher fünf, jetzt nur noch vier). Aldekerk, Longericher SC, Bergische Panther, TuS 82 Opladen, der Aufsteiger Interaktiv.Handball und die HSG Krefeld Niederrhein gehören nun nicht mehr zu alten Gruppe West, sondern zur Staffel Süd-West – die ihnen viele neue Gegner bringt. Vier davon sind die HSG Hanau, der TuS Ferndorf, der TV Gelnhausen und die HSG Rodgau Nieder-Roden, die zuletzt in der bisherigen Gruppe Süd-West in der Abschluss-Tabelle die ersten vier Plätze belegten. Chris Stark, Trainer des Longericher SC, fasst seine Sicht der Dinge knapp zusammen: „Wir glauben, dass die Stärke der Liga deutlich größer geworden ist und wir die stärkste Besetzung in unserer Staffel haben.“

Hanau und Ferndorf waren in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga vertreten – wie die HSG Krefeld Niederrhein, die natürlich ihren Hut für eine Position ganz weit oben erneut in den Ring wirft. Anderes wäre angesichts der Bilanz in 2022/2023 auch unglaubwürdig, zumal sich die Eagles mit dem Blick auf ihre Ambitionen weiter verstärkt haben. Drei Beispiele belegen, dass der Kader von Trainer Mark Schmetz personell inzwischen noch hochwertiger ausgestattet ist: Vom Liga-Kontrahenten Ferndorf kam Mittelmann Jörn Persson, während Linkshänder Robert Krass vom in die 1. Bundesliga aufgestiegenen ThSV Eisenbach schon in der zweiten Hälfte der vergangenen Saison im rechten Rückraum für die Eagles unterwegs war – und nun in Krefeld bleibt. Vor einigen Wochen holte die HSG dann in Ruben Carlos Mota de Sousa einen weiteren Kreisläufer. In der Summe gilt das Team damit sicher als einer der Anwärter für einen der ersten Ränge sowie die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga – und auch als Favorit für die Auftaktpartie beim TV Homburg. Der Aufsteiger bringt allerdings ein deutliche Empfehlung mit: In der vergangenen Saison holte er als Meister der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar ziemlich gute 58:2 Punkte und blieb dabei ohne Niederlage.

Am ehesten in der Nähe der Krefelder (zuletzt Zweiter) einsortieren sollte sich wohl der Longericher SC (Dritter), der den Blick ebenfalls auf die 2. Bundesliga richten will – aber erst mittelfristig und in einigen Jahren. In der Gegenwart bleibt Trainer Chris Stark etwas zurückhaltender: „Wir werden in keinster Weise eine Tabellenposition rausposaunen. Wir sind da in dieser Saison äußerst demütig mit dem Blick auf die Stärke der Liga. Wir wissen, dass ein sechster Platz möglicherweise eine bessere Leistung hervorgebracht hat als der dritte Platz im vergangenen Jahr. Grundsätzlich versuchen wir schon seit mehreren Jahren, uns in den top sechs der Liga zu positionieren. Das ist ein Ziel, das man in diesem Jahr erst mal schaffen muss. Das ist überhaupt kein Selbstläufer.“ Größere Veränderungen gab es bei den Kölnern nicht im Kader – was für Stark ein echtes Zeichen der Kontinuität ist. „Das Glück, dass wir viele, viele Spieler bei uns behalten können, konnten und durften, ist eigentlich unser Königstransfer“, betont der LSC-Coach, „es gab Angebote von weiter weg, es gab Angebote, die lukrativer waren und aus höheren Ligen für einzelne Spieler, aber wir haben es geschafft, die Spieler mit unseren Mitteln und unseren Überzeugungen zu halten. Das ist eine tolle Geschichte.“ In erster Linie gemeint ist damit Rückraumspieler Lukas Martin Schulz, der es in 26 Spielen auf 214 Treffer brachte – und damit über alle fünf Gruppen hinweg der beste Werfer in der 3. Liga 2022/2023 war. Eine Garantie darauf, dass es so weitergeht, besteht sicher nicht, aber der LSC gilt für den Saisonstart am Freitagabend gegen den Aufsteiger Interaktiv.Handball auf jeden Fall mal als Favorit.

Jene Ratinger hatten in der vergangenen Serie ebenfalls eine überragenden Werfer an Bord: Ante Grbavac brachte es als Torschützenkönig der Regionalliga Nordrhein auf 198 Treffer in ebenfalls 26 Spielen. Priorität hat bei Interaktiv nachvollziehbar in erster Linie der Klassenerhalt – der gerne so früh wie möglich feststehen darf. „Wir spielen direkt in Longerich, das ist natürlich kein Zuckerschlecken. Das wird schon spannend sein, wie so ein Spiel läuft“, meint der Sportliche Leiter Benny Daser, „der erste Spieltag ist für mich der, der mit am besten für Überraschungen geeignet ist. Da sind die Mannschaften noch nicht so gefestigt und nehmen sich manchmal zu viel vor. Deshalb ist super schwer zu sagen, was auf uns zukommt beziehungsweise wie wir uns da präsentieren werden. Natürlich erhoffen wir uns mindestens einen Punkt, aber das ist natürlich nicht planbar.“ Gespannt ist Daser nicht nur mit dem Blick auf Longerich: „Wir sind neu in der Liga und die Südteams sind alle noch ziemliche Unbekannte.“ Weil die Vorbereitung insgesamt ganz gut gelaufen ist, geht Interaktiv mit Trainer Filip Lazarov und dem spielenden Co-Trainer Alexander Oelze gleichzeitig relativ optimistisch in die neue Saison.

Der TuS 82 Opladen spürt vor der Premiere gegen den TuS Dansenberg aus Kaiserslautern eine vibrierende Mischung aus Freude darüber, dass es bald losgeht, und Respekt vor den vielen anspruchsvollen Aufgaben, die auf die Mannschaft zukommen. „Man weiß natürlich noch nicht ganz genau, wo man steht. Deswegen sind die ersten Spiele nicht immer schön, aber spannend“, glaubt Trainer Fabrice Voigt, „am Ende geht meistens der als Sieger vom Platz, der den Kopf am besten im Griff hat. Es ist sehr interessant, gegen einen Gegner zu spielen, den wir noch nicht hatten. Erfahrungsgemäß sind die Mannschaften aus dem Süden taktisch und spielerisch immer sehr stark. Das wird direkt ein interessanter Vergleich. Wir hoffen natürlich, dass wir das Spiel erfolgreich gestalten können. Es muss auch das Ziel sein, dass wir so viele Punkte wie möglich aus unseren Heimspielen holen.“  Sollte jemand vorschlagen, dass die Bilanz am Ende wieder bei ausgeglichenen Zählern (26:26) und dem siebten Tabellenplatz landet, würden das die Opladener wohl direkt unterschreiben – zumal sie selbst ebenfalls davon ausgehen, dass die Beanspruchung und das Niveau noch höher sind als bisher: „Die Liga insgesamt ist meines Erachtens die schwierigste Staffel. Ein guter Start in die Saison wird wichtig sein, auch für den Kopf.“ Mit der Vorbereitung konnte Voigt zufrieden sein und er hat zurzeit fast alle Spieler seines Kaders an Bord. In Kapitän Birger Dittmer (Patellasehnen-Spitzen-Syndrom) fehlt allerdings seit mehreren Wochen keine ganz unwichtige Stütze des Teams.

Von einer sorgenfreien Vorbereitung konnte Trainer Marcel Mutz bei den Bergischen Panthern nur träumen: „Wir mussten viel basteln und viel flickschustern. Ich bin aber froh, dass sich sonst kein weiterer Spieler verletzt hat. Die Vorfreude ist da, dass die Vorbereitung vorbei ist und das erste Pflichtspiel kommt.“ Der Auftakt führt die Panther zur HSG Dutenhofen-Münchholzhausen II ins rund 170 Kilometer entfernte Wetzlar in Mittelhessen – was bedeutet, dass es das Team von Trainer Marcel Mutz mit der zweiten Mannschaft (U 23) des dortigen Erstligisten zu tun bekommt, die in der vergangenen Saison über Rang neun den Klassenerhalt in der alten Gruppe Süd-West schaffte und erneut mit einem sehr jungen Aufgebot startet. Noch mehr in die Vollen geht es für die Panther dann aber am 8. September gegen den TuS 82 Opladen in einem für beide Seiten richtungsweisenden Derby. Viel weiter denkt Mutz bisher nicht – und schon gar nicht daran, dass sich der vierte Rang aus der vergangenen Saison unbedingt wiederholen lässt: „Unser übergeordnetes Ziel ist natürlich, ausreichend Punkte zu sammeln, um nicht unten reinzurutschen. Wir werden alles tun und wir sind nicht zufrieden damit – das zeichnet uns immer aus, dass wir immer versuchen, auch mehr möglich zu machen. Wir gehen mit viel Demut in die Saison, weil die Konkurrenz stark ist, aber auch mit dem Glauben an unsere eigene Stärke. Wenn alle fit sind, sind wir sehr gut aufgestellt. Jedes Spiel ist dieses Jahr knackig, jedes Spiel wird schwer werden. Aber es ist auch schön, denn es kommen neue Mannschaften und neue Hallen.“ Fehlen werden die operierten Jonas Kämper und Simon Wolter (nach Brüchen) sowie Conner Schütte (Leiste).

Für den letztjährigen Aufsteiger TV Aldekerk hat sich auf den ersten Blick wenig geändert – und weniger als nichts an Euphorie und Lust auf Handball: „Wir müssen uns erst mit der Liga vertraut machen und wir werden alles auf der Platz lassen müssen: Herz, Seele und Lunge“, betont der spielende Trainer Tim Gentges, „sollte es am Ende trotzdem nicht reichen, dann ist das eben so. Wir haben aber die Mentalität und den Charakter – und wir haben richtig Bock darauf, wir sind heiß.“ Die erste Standortbestimmung werden die Aldekerker in der Vogteihalle gegen die mHSG Friesenheim/Hochdorf II vornehmen – also gegen die Spielgemeinschaft aus TSG Friesenheim (deren erste Mannschaft in der 2. Bundesliga als Eulen Ludwigshafen antritt) und TV Hochdorf, die ihre Saison 2022/2023 als Zehnter in der Gruppe Süd-West über die Bühne brachte. Gentges gibt darauf jedoch so wenig wie auf die eigenen starken Auftritte damals als Aufsteiger: „Wir spielen wieder nur darum, dass wir drei hinter uns lassen. Es ist alles viel dichter geworden und ich bin sicher, dass es noch einige Überraschungen geben wird – negative wie positive. Wir müssen uns erst mit der Liga vertraut machen.“ Was es kniffliger macht: In Cedric Linden (Meniskus-Operation) fehlt momentan ein für die rechte Seite wichtiger Linkshänder im Rückraum – und es lässt sich zurzeit nicht genau absehen, wann er wieder im Wettkampf auf der Platte stehen kann. Ein Neuzugang ist Lukas Ellwanger (31), der viel Erfahrung aus seiner langen Karriere beim Zweitligisten TuSEM Essen mitbringt – allerdings in erster Linie als Deckungs-Stabilisator und als Kreisläufer. Was Ellwanger auf jeden Fall kann: Sein Herz auf der Platte lassen. Das scheint im Übrigen in der Summe aller Puzzleteile ein Rezept zu sein, dass besser alle einlösen. Vielleicht gibt es sogar ein Hauen und Stechen im Kampf um den Klassenerhalt. Die Jagd beginnt.