2. Bundesliga
Dormagen und Essen: Dieselbe Philosophie, dieselben Probleme
TSV Bayer kann Niederlage beim 20:25 gegen den TuS N-Lübbecke in Grenzen halten. TuSEM verliert beim ASV Hamm-Westfalen mit 23:36.

Da machst du nix: Torhüter Christian Ole Simonsen und die Dormagener Abwehr hatten sich bei 25 Gegentoren im Grunde wenig vorzuwerfen. Trotzdem startete der TSV Bayer mit einer Niederlage in die neue Saison. (Foto: Thomas Schmidt)

Das kann ja heiter werden am kommenden Sonntag und wer für diese Partie eine Prognose abzugeben wagt, muss beinahe hellseherische Fähigkeiten mitbringen. TuSEM Essen erwartet dann am zweiten Spiel in der neuen Saison den TSV Bayer Dormagen – zu einem Duell, das bereits in dieser frühen Phase der Serie 2023/2024 für beide Seiten richtungsweisend sein könnte. Sowohl Essener als auch Dormagener gehen mit sehr jungen Kadern an den Start, weil das erstens ihrer „Philosophie“ entspricht und weil sie aufgrund begrenzter finanzieller Rahmenbedingungen sowieso kaum eine andere Möglichkeit haben. Wer es am Ende eines 34-Spiele-Marathons ans rettende Ufer schafft, ist eine interessante Frage – die sich aber nach den ersten Ergebnissen nur bedingt beantworten lässt. Obwohl es etwas Zählbares zum Auftakt für keinen der Nachbarn gab, kann der TSV Bayer mit seinem 20:25 gege den TuS N-Lübbecke wohl etwas mehr anfangen, weil er nach einem 10:19 (39.) eben nicht in Einzelteile zerfiel, sondern bis zum Schluss erkennbar um eine Resultatsverbesserung bemüht war und die Niederlage tatsächlich einigermaßen in Grenzen hielt. „Wir können die Halle erhobenen Hauptes verlassen“, fand deshalb Trainer Matthias Flohr, „wir spielen 52 Minuten richtig gut und acht Minuten so schlecht, wie man nur spielen kann. Ich finde es aber super, dass die Mannschaft so eine Moral zeigt.“ Einen Mangel an Moral sah Chefcoach Michael Hegemann auch bei den Essenern nicht, die allerdings nach einem ordentlichen 13:15 aus der ersten Halbzeit bald vom Kurs abkamen und fortan keine Mittel mehr fanden, den Lauf der Dinge zu bremsen: „Wenn du einmal in diesem Negativlauf bis, wird es schwierig, dort herauszukommen. Da haben wir momentan noch nicht die Stabilität, das aufzufangen.“ Alleine die letzten zehn Minuten verloren die Gäste nach dem 21:27 mit 2:9 und sie finden sich nun über das schlechte Torverhältnis (minus 13) vorerst am Tabellenende wieder.

Die Dormagener Handicaps waren nicht klein: Kapitän Patrick Hüter fehlte verletzt vorne wie hinten an allen Ecken und Enden, während sich Ian Hüter und Joshua Reuland angeschlagen in den Dienst der Mannschaft stellten. Trotzdem nahmen die Hausherren den Kampf an und sie ließen sich selbst von Rückständen in der von starker Defensiv-Arbeit auf beiden Seiten geprägten Partie nicht aus der Bahn werfen – 1:3 (5.), 3:6 (10.), 4:7 (15.), 7:9 (22.), 7:11 (25.), 9:12 (30.). Bis dahin schien für den Außenseiter tatsächlich noch viel drin zu sein, ehe der miserable Start in den zweiten Durchgang alle Hoffnungen zerstörte. Die Gegentreffer prasselten wie ein heftiges Gewitter auf Flohrs Team nieder, das hier insbesondere Fynn Hangstein (insgesamt neun Tore) kaum in den Griff bekam: Der Rückraumspieler war mit drei Treffern maßgeblich daran beteiligt, dass die Gäste zunächst auf 17:9 (36.) davonzogen. Beim 10:19 (39.) lag der TSV kurz darauf sogar noch deutlicher hinten, ehe er sich langsam in die Partie zurückkämpfte – allerdings ohne echte Chance, den TuS ernsthaft vom Weg zum Erfolg abzubringen.

Nach dem 17:23 (52.) verkürzte Dormagen zwar auf 19:23 (55.), doch in einer folgenden Überzahl (56./Zeitstrafe gegen Tin Kontrec) verpasste es seinen 20. Treffer – unter anderem deshalb, weil der Ball nach dem Wurf von Lucas Rehfus an der Latte landete (57.). Anschließend beseitigte Nettelstedt mit dem 24:19 (58.) und 25:19 (60.) unbeeindruckt die letzten und bloß noch kleinen theoretischen Zweifel an seinem Erfolg, an dem Keeper Leon Grabenstein ebenfalls maßgeblich beteiligt war. Grabenstein zeigte elf Paraden und erreichte eine Quote von 35,48 Prozent an gehaltenen Bällen – womit er selbst den sicher nicht schlechten TSV-Torhüter Christian Ole Simonsen übertraf, der es auf acht Paraden und 30,77 Prozent brachte.

Von ähnlichen Werten durften die Essener in Hamm nicht mal annähernd träumen. Erstens ging ASV-Torhüter Felix Hertlein mit zehn Paraden und 32,26 Prozent als klarer Gewinner des Abends auf dem Posten zwischen den Pfosten hervor. Lukas Diedrich, Keeper Nummer eins bei den Gästen und in der vergangenen Saison für Glanzleistungen in Serie zuständig, kam lediglich auf drei Paraden (12,00 Prozent) und der später für ihn eingesetzte und aus der zweiten Mannschaft (Regionalliga) hochgezogene Hadrian Solbach Domingo auf zwei Paraden (13,33 Prozent). Das Handicap von Diedrich und Solbach Domingo: Vornehmlich im zweiten Durchgang, als der TuSEM insgesamt 21 Gegentreffer kassierte, half ihnen die eigene Abwehr allenfalls in sehr begrenztem Umfang weiter. Vor der Pause hielt Essen allerdings ordentlich mit – obwohl Kapitän Jonas Ellwanger (29) nach einem überzeugenden Start und zwei Toren verletzt aufhören musste. Nach dem 0:2 (3.) und 1:3 (4.) sorgten die beiden Ellwanger-Treffer fürs 2:3 (4.) und 3:4 (6.), ehe Nils Homscheid mit dem 4:4 (8.) ausglich – wie später Felix Klingler (30) beim 8:8 (19.). Bitter für Klingler und für Essen: Der Rechtsaußen, der bis dahin vier Mal erfolgreich gewesen war, sah zwei Sekunden vor der Pause beim Stande von 13:15, das kurz vorher Finn Wolfram erzielt hatte, die Rote Karte (Foul).

Dass den Essenern nun für den zweiten Durchgang ein weiterer Spieler aus der Abteilung Erfahrung fehlte, wirkte sich direkt krass aus. Die steigende Zahl an Fehlern vorne wie hinten half Hamm dabei, sich zunächst auf vier Treffer abzusetzen – 13:17 (34.), 15:19 (38.), 18:22 (44.), 20:24 (48.). Die restlichen zwölf Minuten wurden dann doppelt und dreifach hart, weil der ASV gerade in dieser Phase jede sich bietende Chance resolut ausnutzte. Der 8:2-Lauf innerhalb von sieben Minuten zum 32:22 (54.) brachte das erste zweistellige Polster und die Hausherren gingen bis zum Schluss scharf mit den Essenern um – 36:23. TuSEM-Trainer Hegemann versuchte es hinterher mit einer Mischung aus Zuversicht und Verständnis für seine jungen Leute: „Wir werden uns Schritt für Schritt verbessern, wohl aber auch noch etwas Geduld haben müssen.“ Das könnte so oder ähnlich glatt vom Dormagener Kollegen Flohr stammen und am kommenden Sonntag dürfte sich zeigen, wer mit mehr Schwung in die nächsten Wochen gehen wird. Vermutlich wird es nur einer von beiden sein – und deshalb kann es ja so heiter werden.

TSV Bayer Dormagen – TuS N-Lübbecke 20:25 (9:12).

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Böhnert, Reuland (2), Senden, Steinhaus (1), Schroven (1), Strosack (2), Rehfus (3), I. Hüter (2), Reimer (3/3), Böckenholt (1), Beckers, Träger, J.-Chr. Schmidt (2), Sondermann (3).

 

ASV Hamm-Westfalen – TuSEM Essen 36:23 (15:13). 

TuSEM Essen: Diedrich, Solbach Domingo – Ellwanger (2), Wolfram (1), Homscheid (2/2), Eißing (3/1), Szczesny (1), Wilhelm (4), Asmussen, Seidel, Klingler (4/1), Neuhaus (1), Rose (3), Mast, Werschkull (1), Schoss (1).

 

Da machst du nix: Torhüter Christian Ole Simonsen und die Dormagener Abwehr hatten sich bei 25 Gegentoren im Grunde wenig vorzuwerfen. Trotzdem startete der TSV Bayer mit einer Niederlage in die neue Saison. (Foto: Thomas Schmidt)