1. Bundesliga
Wie Gummersbach plötzlich den BHC unterstützt
VfL gewinnt mit 31:29 beim TVB Stuttgart, der im Tabellenkeller ein direkter Konkurrent des Vorletzten Bergischer HC ist.

Ich halt dann mal! Gummersbachs Torhüter Daniel Rebmann (hier im Duell mit Yannick Fraatz vom Bergischen HC) steuerte zum wertvollen Erfolg in Stuttgart elf Paraden bei. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Genau genommen sieht es im Augenblick fast danach aus, dass der VfL Gummersbach sein Herz für den Nachbarn Bergischer HC entdeckt hat. Vor nicht einmal zwei Wochen war Gummersbach in der Heimat des Handballs komplett chancenlos und verlor in seiner Schwalbe-Arena selbst in dieser Höhe verdient mit 27:33 – was dabei gar nicht zu den internen Ansprüchen passte und die eigene Serie an Spielen ohne Sieg auf vier schraubte. Und der BHC, bis dahin ohne jeden Punkt auf dem Konto (0:8), schöpfte durch seine überzeugende Leistung viel Hoffnung für die nächsten Aufgaben. Die Unterstützung ging jetzt sogar weiter und die Gummersbacher aus dem Oberbergischen griffen ihrem Kontrahenten aus dem Bergischen wieder unter die Arme. Erstens: Weil der BHC den Schwung vom Premieren-Erfolg in dieser Saison gegen die Füchse Berlin „nur“ in eine erneut sehr anständige Partie transportieren konnte, aber mit 29:31 verlor, fiel er als Vorletzter wieder auf einen der beiden Abstiegsplätze zurück (2:10 Punkte). Zweitens: Am Montagabend gewannen die mit nicht kleinen Problemen angereisten Gummersbacher beim TVB Stuttgart nach vier Spielen ohne Erfolg verdient mit 31:29 und sie verbesserten zunächst das eigene Konto nach zuvor vier Partien ohne Sieg als Zwölfter auf 5:7 Punkte. Davon profitierte dann auch der BHC, weil der TVB im Keller der Tabelle ein direkter Konkurrent ist und nun bei 2:8 Zählern (ein Spiel weniger) als Drittletzter wie der Viertletzte Frisch Auf Göppingen (3:9) in direkter Griffweite bleibt. Daraus ergibt sich, dass Gummersbach wenigstens vorläufig mehr Sicherheit und Ruhe hat – und der BHC zumindest theoretisch die Chance, sich einen bis zwei Plätze nach oben zu orientieren.

Einmal in der Saison einen der Großen ärgern – und im besten Fall sogar gewinnen: Das ist eins der Ziel, die der Bergische HC inzwischen beinahe in seiner DNA verankert hat. In der vergangenen Serie war es in der Rückrunde so weit und das 34:30 am 14. Mai 2023 gegen die Füchse Berlin war der Beleg dafür, dass die Mannschaft von Trainer Jamal Naji an guten Tagen mit den Besten ihrer Klasse auf Augenhöhe unterwegs sein kann. Das war grundsätzlich auch ein paar Monate früher so gewesen, als der BHC die Rhein-Neckar Löwen in Bedrängnis brachte und kurz vor Schluss beim 26:26 von Linus Arnesson wenigstens auf einen Punkt hoffen konnte – bis Niclas Kirkelokke den Hausherren mit dem 27:26 für die Gäste praktisch auf den letzten Drücker den Stecker zog. Viel Unterschied zu damals gab es jetzt nicht – obwohl der BHC nach dem 5:4 (9.) fast durchgehend hinterherlaufen musste. Das tat er allerdings mit derart viel Lust und Leidenschaft, dass er in den letzten zehn Minuten drauf und dran war, die Partie zu kippen: Das 26:26 (51.) von Noah Beyer und das 27:27 (52.) von Yannick Fraatz brachten jeweils den Ausgleich, ehe zwei Tore von Aron Seesing den Traum vom Sieg einleiteten – 28:27 (53.), 29:28 (54.). Was hier vermutlich keiner ahnte: Es war das letzte BHC-Tor in diesem Spiel, sodass die Gäste mit Cheftrainer Sebastian Hinze den Kopf mit drei späten Treffern noch einmal aus der Schlinge zogen – 29:29 (55.), 29:30 (58.), 29:31 (60.). Trainer Naji war – wie alle Solinger – naturgemäß enttäuscht und er erkannte vor allem zwei Gründe für die Niederlage. „In Summe verlieren wir über das Spiel gesehen das Tempospiel einfach zu deutlich. Die Rhein-Neckar Löwen sind unter diesem Druck des letzten, vorletzten Passes immer wieder zum erfolgreichen Abschluss gekommen. Das hat uns in der Crunchtime das Genick gebrochen. Wir waren bereit für zwei Punkte und wir hätten diese auch holen können, aber es hat nicht sollen sein.“

Nach den ersten fünf Spielen liegt der BHC insgesamt ein Stück hinter der Bilanz des ersten Teils von 2022/2023, als er mit 4:6 Punkten begonnen hatte und dann nach vier Niederlagen (beginnend mit jener gegen die Löwen) bei 4:14 Zählern einen festen Platz im direkten Abstiegs-Umfeld gebucht zu haben schien – was er allerdings in einer starken Serie danach in den Monaten November und Dezember korrigieren konnte. Jetzt spricht einiges dafür, dass es Naji und sein Team diesmal ähnlich machen müssen, zumal nun erst mal die Aufgaben bei der SG Flensburg-Handewitt (28. September) und gegen den aktuellen Tabellenführer MT Melsungen folgen (7. Oktober). Sollte der BHC (2:10 Punkte) in diesen beiden Partien ebenfalls leer ausgehen, bietet der 13. Oktober wohl ein klassisches Kellerduell: Dann tritt er als Vorletzter beim Letzten HSG Wetzlar an (ebenfalls 2:10) und wird sich dort kaum eine Niederlage leisten können.

Die Gummersbacher hatten in den Tagen nach der Pleite gegen den BHC zunächst einiges aufzuarbeiten und Zweifel an sich selbst zu zerstreuen. Dann kamen kurz vor dem Auftritt beim TVB zwei bittere Nachrichten, die das gesamte Gebilde noch mehr ins Wanken zu bringen schienen: Regisseur Dominik Mappes (private Gründe) und Linkshänder Tom Jansen (Muskelfaserriss Oberschenkel) fallen für einen längeren Zeitraum aus. Umso erleichterter dürfte Trainer Gudjon Valur Sigurdsson von der ersten Minute an gewesen sein, als er seine Mannschaft nun in Stuttgart sah – nach einer zähen Anfangsphase, die irgendwie an Abstiegskampf erinnerte, voller Leidenschaft, Disziplin und Konsequenz. Nach dem 1:3 (4.) waren die Gäste bereits mit dem 7:5 (16.) gut im Spiel und nach dem 8:8 (19.) übernahmen sie erst recht das Kommando – 14:10 (26.), 17:13 (30.). Stuttgart kam zwar auf 16:17 (33.) heran und lieferte anschließend bis zum 23:25 (48.) viel Kampf, aber der VfL behielt jederzeit die Kontrolle und fand meistens wirkungsvolle Antworten – 27:23 (50.), 29:25 (56.), 31:27 (59.). Eckpfeiler der Gäste auf dem Weg zum Sieg waren Julian Köster als vorangehender Kapitän, die beiden Außen Milos Vujovic (links/zehn Tore) und Lukas Blohme (rechts/fünf) sowie Torhüter Daniel Rebmann (elf Paraden/Quote bei den gehaltenen Würfen 35,48 Prozent). Sigurdsson war – kein Wunder – insgesamt einverstanden mit dem Ergebnis: „Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung meiner Mannschaft und dass wir hier gewinnen konnten. Wir haben ein kleines Problem in unserem Kader im Moment und deswegen bin ich sehr froh, wie wir das Spiel gestalten konnten. Ich freue mich, dass wir heute mit zwei Punkten nach Hause fahren.“

Ob der Erfolg in Baden-Württemberg den Gummersbachern ausreichend Energie geliefert hat, um sich noch intensiver in die obere Tabellenhälfte zu orientieren, wird sich vermutlich bereits am Donnerstag im Heimspiel gegen den HC Erlangen zeigen – der als Siebter ein paar Positionen vor dem VfL angesiedelt ist und mit bisher 6:6 Punkten doch in etwa im selben Bereich zu Hause. Im Paket mit den danach folgenden Aufgaben am 7. Oktober beim einen Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten (Platz 13) und am 13. Oktober gegen den anderen Aufsteiger ThSV Eisenach (Zehnter) bietet sich Gummersbach in Kürze tatsächlich die Gelegenheit, das Konto auf positiv zu stellen. Was dabei klar ist: Selbstläufer sind nicht dabei. Was noch klarer ist: Die Prüfungen am 22. Oktober beim Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen (Neunter/zwei Spiele weniger) und am 27. Oktober gegen die Füchse Berlin (Zweiter) werden noch schwieriger.

 

Bergischer HC – Rhein-Neckar Löwen 29:31 (16:18). 

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (6), Persson, Nothdurft, Weck, M’Bengue (2), Ladefoged (1), Andersen (3), Fraatz (2), Arnesson (8/4), Morante Maldonado (1), Stutzke (1), Santos, Seesing (5).

 

TVB Stuttgart – VfL Gummersbach 29:31 (13:17). 

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Ohl, Vidarsson (2), Kodrin, Vujovic (9/6), Köster (5), Blohme (5), Häseler (1), Schluroff, Tskhovrebadze (6), Pregler, Horzen (3), Kiesler, Zeman.