Oberliga Mittelrhein
Kommunikations-Debakel: Der Mittelrhein hängt „im luftleeren Raum“
Nach dem Zusammenschluss zum neuen Verband Nordrhein ist auch im Oktober immer noch nicht rechtssicher geklärt, wie sich Auf- und Abstieg in den Ligen des Mittelrheins gestalten. Die meisten Beteiligten vertrauen auf den "Buschfunk".

Wer weiß denn sowas? Auch Fortuna Köln und sein Trainer Tobias Marquardt vermissen klare Informationen – was noch freundlich ausgedrückt ist. (Foto: Thomas Schmidt)

Wer sich in den vergangenen Wochen viel im Freien aufgehalten hat, wird es vielleicht kaum glauben. Aber es ist tatsächlich schon Herbst und der Amateurhandball am Nieder- und Mittelrhein bereits in seiner ersten ferienbedingten Unterbrechung. Sechs Spieltage sind in den meisten Klassen bislang mehr oder weniger vollständig absolviert und die Tabellen könnten erste Aufschlüsse darüber geben, welche Mannschaften sich in der Saison 2023/2024 mit dem Auf- oder dem Abstieg befassen müssen. Eine Ausnahme bilden hier allerdings die Ligen im „alten“ Handballverband Mittelrhein (HVM), der nach dem Zusammenschluss mit dem Niederrhein zum „neuen“ Handball Nordrhein ein letztes Mal den Spielbetrieb in seinem Gebiet organisiert. Im Männerbereich sind das konkret je eine Ober-, Verbands- und Landesliga. Auch in diesen Klassen gibt es nach sechs Runden zwar schon aussagekräftige Tabellen. Klare Regelungen darüber, wie viele Auf- und Absteiger es in diesen Ligen am Saisonende geben wird, suchen die Beteiligten allerdings noch immer vergeblich. Auf der offiziellen Homepage des neuen Verbandes Nordrhein sind auf der Seite „Durchführungsbestimmungen“ dabei vor allem zwei Dokumente von Interesse: Zum einen die „Anlage 2 Senioren HVM“ sowie die „Anlage 3.1 Mögliche Szenarien HVN“.

Die Anlage 2 enthält Aussagen zum Auf- und Abstieg in den vom HVM organisierten Ligen. Diese sind aber nur mit äußerster Mühe überhaupt irgendwie nachvollziehbar. Es fängt hier damit an, dass die Spielklassen im neuen Verband Nordrhein zur Saison 2024/2025 erneut nicht richtig bezeichnet werden. Als höchste Klasse spricht die Anlage 2 von „Oberliga Nordrhein“, obwohl bereits seit geraumer Zeit klar ist, dass diese Liga – wie es der Deutsche Handballbund für alle vierthöchsten Spielklassen inzwischen einheitlich fordert – weiter „Regionalliga Nordrhein“ heißen wird. Kommt man über diese sprachlichen Hürden hinweg, kann man unter Ziffer 1.3 der Anlage 2 einer Grafik entnehmen, dass in den Spielklassen zur kommenden Saison 14 (Regionalliga), 42 (Oberliga) und 84 (Verbandsliga) Mannschaften an den Start gehen sollen. Die Landesliga entfällt im Zuge des Zusammenschlusses komplett. Da es die Regionalliga in dieser Form bereits gibt, dürfte sich hier nichts ändern. Auf der Ebene der Oberliga soll es aber zukünftig drei Gruppen geben anstatt der bisherigen zwei – daher die Aufstockung auf 42 Mannschaften (drei mal 14). Von diesen 42 Mannschaften sollen nach Interpretation der Anlage 2 18 aus dem Bereich des ehemaligen Verbandes Mittelrhein kommen. Parallel dazu gilt für die Verbandsliga: Von den dortigen 84 Mannschaften in fünf Ligen sollen wohl 24 aus dem Mittelrhein stammen.

Bis hierhin decken sich die Angaben mit den Informationen, welche die Nachbarn aus dem Niederrhein zur Verfügung stellen. Doch ab dann gibt es einen entscheidenden Unterschied. Denn die zu klärende Frage wäre doch nun: Welche 18 Mannschaften aus dem Mittelrhein qualifizieren sich für die neue Oberliga, welche 24 für die Verbandsliga? Eine klare Antwort bietet die Anlage 2 hierzu nicht. Es scheint so, als ginge die Grafik in Ziffer 1.3 von einem „Regelfall“ aus, in welchem am Ende der aktuellen Saison eine Mannschaft aus dem Gebiet des Mittelrhein aus der Regionalliga absteigt. In diesem Fall könnte dieses Team gemeinsam mit den aktuellen Oberligisten (abzüglich des Aufsteigers, der in die Regionalliga hochgeht) sowie den vier Bestplatzierten aus der aktuellen Verbandsliga in der neuen Oberliga antreten. Die Lage in der Verbandsliga ist nicht viel übersichtlicher. Nach der Grafik könnten die zehn verbliebenen Verbandsligisten dort mit den besten zehn Landesligisten sowie vier Aufsteigern aus den vier Kreisen des Verbandes zusammen die 24 Mannschaften stellen. Dies würde bedeuten, dass vier Teams aus der jetzigen Landesliga in die Kreisliga absteigen.

Ob der so beschriebene „Regelfall“ aber eintritt, kann im Oktober 2023 niemand ernsthaft vorhersagen. Es sind mehr oder weniger Absteiger aus der Regionalliga in das Gebiet des Verbandes Mittelrhein denkbar, sodass sich hier jeweils Verschiebungen ergeben können. Die Kollegen des Verbandes Niederrhein haben deswegen in der „Anlage 3.1 Mögliche Szenarien HVN“ für jede denkbare Konstellation beschrieben, welcher Platz durch welches Team belegt wird. Die inzwischen aus 81 Seiten bestehende PDF-Datei (für Frauen- und Männerligen) wirkt zwar unübersichtlich, ist aber aussagekräftig und bietet den Vereinen dort eine klare Planungssicherheit. Am Mittelrhein sucht man eine solche eindeutige Datei vergeblich. Stattdessen gibt es bei allen Beteiligten mehr oder weniger fundierte Spekulationen über den Inhalt von Anlage 2 sowie Gerüchte, wer was gehört haben will. Eine der wichtigsten Aussagen in diesem Zusammenhang: In der Oberliga Mittelrhein gibt es keine Absteiger. „Das ist der Buschfunk, den so aktuell alle Trainer untereinander kommunizieren“, bestätigt zum Beispiel Franziskus Bleck, Coach des TuS Königsdorf. Ob diese Aussage zutrifft, kann jedoch niemand belastbar belegen. Am Dienstag (10. Oktober) haben wir den HVM in Person von Karl-Walter Marx (gleichzeitig Vizepräsident Spieltechnik im neuen Verband Nordrhein) um eine Stellungnahme gebeten. Bis zur Veröffentlichung dieses Beitrags (13. Oktober, 11 Uhr) haben wir eine Antwort hierauf nicht erhalten.

Den beteiligten Vereinen geht es da nicht besser. „Viele gehen davon aus, ohne es genau zu wissen, dass es keine Absteiger geben wird aus Oberliga und Verbandsliga. Es ist und bleibt leider sehr katastrophal, was die Kommunikation der Verantwortlichen im Mittelrhein angeht, wenngleich da ja eigentlich auch bereits der neue Verband Nordrhein Aussagen treffen müsste“, meint Tobias Marquardt, Trainer des Verbandsligisten Fortuna Köln. Noch ein wenig weiter geht der Abteilungsleiter des Ligakonkurrenten TV Jahn Köln-Wahn, Tobias Carspecken: „Es ist alles sehr vage und sehr schwierig, vorsichtig ausgedrückt, was der Verband im Zuge der Fusion gemacht hat. Es ist für uns unverständlich, wie man eine lange geplante Fusion mit derart wackeligen Rahmenbedingungen auf den Weg bringen kann. Da hätte ich mir – wenn schon zwei Verbände verschmelzen – mehr Professionalität und mehr Klarheit gewünscht im Sinne von Kräfte bündeln. Aber bislang spürt man nicht wirklich, dass dort aus zwei Verbänden ein starker geworden ist. Man stellt sich als Vereinsverantwortlicher schon die Frage, bei welchen Themen man vom Verband noch mitgenommen wird, wenn nicht bei einem derart großen Thema wie der Fusion. Wir kommen uns nicht nur bei den Durchführungsbestimmungen nicht abgeholt vor, sondern bei dem gesamten Prozess der Fusion, der aus unserer Sicht völlig intransparent verlaufen ist und bei dem wir als Verantwortliche praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.“

Das Fazit: Ein Kommunikations-Debakel ist die gesamte Angelegenheit für den HVM sowie auch den neuen Verband Nordrhein bereits jetzt. Ob es auch zu Problemen im sportlichen Bereich kommt, wird wohl vor allem davon abhängen, ob es bei dem möglicherweise geplanten „Regelfall“ bleibt. Sollte sich die inoffizielle Aussage, dass es in Ober- und Verbandsligen keine Absteiger gibt, am Ende bestätigen, wird sich dagegen vermutlich niemand im Nachgang wehren. Der sportliche Wert dieser Spielzeit ist dann allerdings sehr überschaubar und im Grunde handelt es sich für die meisten Mannschaften dann um eine Saison voller Freundschaftsspiele. Warum das schon jetzt keine besondere Begeisterung auslöst, bringt Peter Trimborn, Trainer des Oberligisten TV Palmersheim auf den Punkt: „Das ist eine unbefriedigende Geschichte, ganz klar. Es fehlt im Moment auch so ein bisschen bei dem einen oder anderen der Wettkampfgedanke. Für die, die da auf den letzten zwei Plätzen stehen, wäre es natürlich nice. Auf der anderen Seite ist es nicht befriedigend, wenn man gar nichts weiß. Wenn es ganz klar hieße ‚es steigt keiner ab‘, soll man das sagen. Aber im Moment befinden wir uns im luftleeren Raum.“