2. Bundesliga
Dormagen und Essen: So sieht Bock auf Handball aus
TSV Bayer kämpft trotz 35:40 gegen Bietigheim erfolgreich gegen aktuelle Sorgen. TuSEM klettert mit 35:20 über Aue auf Rang fünf.

Mein Ball! Finn Schroven (blaues Trikot) und die Dormagener (hier im Spiel gegen den EHV Aue) haben offensichtlich vor, im Kampf um den Klassenerhalt in jeder Situation alles zu geben. (Foto: Michael Jäger)

Das ist alles nicht selbstverständlich, für den einen noch weniger als für den anderen. Und nach sieben Spieltagen haben sich beide mit ihren jungen Mannschaften auf einen Weg begeben, der Mut macht für den Rest der Serie – in der es jeweils in erster Linie „nur“ um den Klassenerhalt geht. Bei TuSEM Essen werden sie selbst nicht daran geglaubt haben, dass das Team von Trainer Michael Hegemann aktuell mit 9:5 Punkten auf dem fünften Tabellenplatz liegt und damit in Tuchfühlung zu Rang drei und vier, wo der VfL Potsdam und der TuS N-Lübbecke ebenfalls bei 9:5 Zählern stehen. Ganz vorne sind auf den beiden Aufstiegsplätzen der Bundesliga-Absteiger ASV Hamm-Westfalen (14:0) und die SG BBM Bietigheim (12:2) zu finden, womit dann bis hierhin die gut sechs Wochen alte Hegemann-Aussage für die Serie 2023/2024 als Volltreffer gelten darf: „Kann sein, dass es vorne zwei oder drei Mannschaften gibt, die sich etwas absetzen, und 13 andere, die mehr nach hinten schauen.“ So sieht das im Moment tatsächlich aus – und die Essener haben ernsthaft auch keinen Raum für Gedanken, die mit der Rückkehr in die 1. Bundesliga zu tun haben: Dafür stehen schließlich weder die personellen Möglichkeiten noch die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung. Spannend ist es trotzdem oder erst recht, wie sich der schließlich mit einer 23:36-Packung in Hamm gestartete TuSEM zurzeit behauptet, und das jüngste 32:20 gegen den EHV Aue war nach dem 31:28 über den TuS N-Lübbecke und dem 22:22 beim Bundesliga-Absteiger TSV GWD Minden die dritte Partie hintereinander ohne Niederlage (5:1 Punkte). Dass die Essener nun am kommenden Sonntag in Sachsen-Anhalt beim Dessau-Roßlauer HV (Rang 15/4:10) wieder etwas Zählbares einfahren, scheint zumindest nicht ausgeschlossen zu sein.

Eben in Dessau konnte der TSV Bayer Dormagen kürzlich in einem Krimi mit einem 35:34 sein Konto auf 6:6 Punkte ausgleichen – ein paar Tage nur, bevor die Verantwortlichen die durch den Ausfall eines Hauptsponsors entstandene Notlage der finanziell ohnehin nicht üppig ausgestatteten Handballer öffentlich machten. Obwohl Spieler und Trainer des Zweitliga-Kaders von den Sparmaßnahmen zentral betroffen sind, entschlossen sie sich zum Weitermachen, zur Konzentration aufs Wesentliche – was in diesem Fall bedeutet, das im sportlichen Bereich Leistbare dafür zu tun, dass die Dormagener auch nach dieser Saison der 2. Bundesliga angehören. Im jüngsten Heimspiel gegen den Zweiten Bietigheim fiel die Antwort auf der Platte entsprechend aus, denn Trainer Matthias Flohr sah eine famos kämpfende Mannschaft, die den Favoriten lange in Bedrängnis brachte und sich letztlich trotz eines 35:40 wenig vorzuwerfen hatte. Ganz nebenbei scheint der TSV eine Vorliebe für die 35 entwickelt zu haben: Nach dem 35:29 über den TuS Vinnhorst und dem 35:34 in Dessau erzielte er schon zum dritten Mal innerhalb von vier Wochen jene 35 Treffer, die weit über dem eigenen Durchschnitt liegen. Da sind die Dormagener nach sieben Partien jetzt bei insgesamt 196 Treffern und bei genau 28 pro Partie angekommen. Ihre Hausaufgaben hat Flohrs bei 6:8 Zählern und Rang 13 stehende Mannschaft zudem besonders in den Duellen mit Klubs gemacht, die sich nicht besonders weit hinter ihr aufhalten – beim Sieg gegen Vinnhorst (Letzter/0:14), beim Erfolg in Dessau (Platz 15/4:10), beim 26:17 gegen den EHV Aue (Vorletzter/2:12). Dass der Trend am Freitagabend beim direkten Tabellen-Nachbarn VfL Eintracht Hagen (Platz 14/ebenfalls 6:8) anhält, ist nicht völlig unrealistisch, doch die Hagener mit Trainer Stefan Neff werden nachvollziehbar ganz andere Pläne verfolgen.

Essen hatte, gestützt auf einen überragenden Keeper Lukas Diedrich (13 Paraden/Quote abgewehrter Bälle 46,43 Prozent), das Duell mit dem Aufsteiger aus dem Erzgebirge von Beginn an unter Kontrolle und musste nur zweimal den Ausgleich hinnehmen – 1:1 (2.), 3:3 (6.). Der erste Schritt zum späteren hohen Erfolg gelang dem TuSEM vom 7:5 (11.) bis zum 10:5 (16.) und dann vor allem mit dem 4:0-Lauf, der aus einem 14:8 (24.) den Zehn-Tore-Vorsprung beim 18:8 (30.) am Ende der ersten Halbzeit machte. Nachher pendelte sich die Führung übers 23:13 (42.) und 29:17 (52.) im zweistelligen Bereich ein, ehe sie mit dem 32:19 (59.) in der längst entschiedenen Partie sogar bei 13 Treffern lag. Hegemann zeigte sich nachvollziehbar sehr zufrieden: „Wir hätten in der zweiten Halbzeit noch etwas konsequenter sein können, aber alles in allem war es ein verdienter Heimsieg. Wir haben extra daran appelliert, dass wir das Spiel durchziehen und als weiteren Entwicklungsschritt nutzen wollen. Wir haben in der Leistung keinen Abriss gehabt – und das freut einen natürlich als Trainer.“

Kollege Flohr gab nach dem 75-Treffer-Duell gegen die favorisierten Bietigheimer vor allem eine Menge Anerkennung für den mit Spielfreunde und Leidenschaft vorgetragenen Auftritt seiner Dormagener weiter. „Das, was diese Mannschaft diese Woche für den Verein geleistet und getan hat, ist aller Ehren wert und ringt mir persönlich riesigen Respekt ab“, stellte der TSV-Coach fest, „die Situation, die wir hier haben, ist sicherlich auch irgendwo in den Köpfen der Spieler. Aber sie hat unheimlich Bock, Handball zu spielen, und das ist es, was diese Mannschaft auszeichnet. Es macht mich unfassbar stolz, mit welcher Leidenschaft sie in dieser Situation zu Werke geht.“ Jene Lust am Handball brachte den Gastgebern mit dem 10:6 (14.) und 11:7 (15.) sogar zwei Vier-Tore-Führungen ein, ehe Bietigheim das Ganze durch eine 5:0-Serie zum eigenen 12:11 (19.) drehte. Dormagen antwortete mit dem 15:13 (24.) oder 18:16 (27.) stark und konnte deshalb mit einem 20:19 (30.) in die Pause gehen. Im Duell auf Augenhöhe blieben die Hausherren immer gleichwertig und übers 30:30 (50.) bis zum 31:32 (51.) ein Kandidat für was Zählbares. Erst jetzt neigte sich die Waage endgültig zu Gunsten der Gäste, die auf der Zielgeraden ihre Qualitäten entschlossen ausspielten und entscheidend auf 36:31 (55.) davonzogen. „Es war ein tolles Handballspiel, bei dem beide Mannschaften ein hohes Tempo vorgelegt haben. Am Ende war die SG ein Stück weit abgezockter und hat sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen und verdient gewonnen“, fand Flohr.

 

TuSEM Essen – EHV Aue 32:20 (18:8).

TuSEM Essen: Fuchs, Diedrich – Ellwanger (2), Wolfram (1), Wilhelm (5), Homscheid (5/5), Eißing (1), Szczesny (1), Seidel, Klingler (5), Neuhaus, Kostuj, Rose (4), Mast, Werschkull (2), Schoss (6).

 

TSV Bayer Dormagen – SG BBM Bietigheim 35:40 (20:19).

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Reuland (2), Senden, Böhnert, Rehfus (6), I. Hüter (4), Reimer (7/2), Schroven (4), Strosack, P. Hüter (3), Träger, J.-Chr. Schmidt (4), Pauli (1), Steinhaus (3), Sondermann (1).