1. Bundesliga
Doppelfrust: BHC genervt, Gummersbach zerlegt
Bergischer HC verliert beim 31:31 gegen Leipzig einen wichtigen Punkt. VfL ist beim 32:42 nur ein Spielball der SG Flensburg-Handewitt.

Wenigstens den hab ich: Auch Tibor Ivanisevic (Foto) und Keeper-Kollege Daniel Rebmann hatten beim Gummersbacher 32:42 gegen Flensburg einen schwierigen Abend. Ihnen gelangen nach der offiziellen Statistik insgesamt nur sieben Paraden – nicht mal halbe so viele wie SG-Torhüter Kevin Møller, der es auf 17 Paraden brachte. (Foto: Thomas Schmidt)

Natürlich ist die Bilanz beider in der Summe noch immer in Ordnung. Es war weder ernsthaft damit zu rechnen, dass der VfL Gummersbach im Laufe der Saison fest im oberen Drittel würde vor Anker gehen können – noch damit, dass der Bergische HC auf dem Weg zum möglichst sicheren Klassenerhalt ohne jede Schramme über die Runden kommt. Trotzdem oder gerade deshalb waren die Aufgaben am 14. Spieltag jetzt mit besonderen Schmerzen verbunden, vor allen Dingen im Oberbergischen: Dort erfuhr die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson gegen die SG Flensburg-Handewitt (Vierter/20:6 Punkte) sehr, sehr deutlich, wie weit die da ganz oben manchmal doch entfernt sind, und das 32:42 war in der Summe wegen allgemeiner Gummersbacher Chancenlosigkeit eine echte Bestrafung. Der VfL, der zuletzt in der Schwalbe-Arena den Füchsen Berlin (Zweiter/23:3) immerhin ein 30:30 abgetrotzt und den Dritten MT Melsungen (22:6) sogar mit 37:31 bezwungen hatte, fand nie ein taugliches Mittel, um die Gäste aus Schleswig-Holstein auch nur ansatzweise unter Druck zu setzen. Ganz auffällig bei den auf Platz acht mit 14:14 Zählern ausgestatteten Gummersbachern in diesen Wochen: Die vergangenen vier Spiele brachten zusammen 134 Gegentreffer (Durchschnitt 33,50) und die bisher absolvierten 14 Partien insgesamt 449 – im Durchschnitt 32,07 pro Auftritt. Dass sie damit die aktuell schlechteste Abwehr in der 1. Bundesliga verfügen, haben sie sich so im Oberbergischen vor der Saison sicher nicht vorgestellt und es lässt sich durch gute Angriffs-Leistungen zumindest nicht immer kompensieren.

Schmerzhaft war der jüngste Auftritt irgendwie auch für den Bergischen HC, der mit dem 31:31 im Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig die durchaus gegebene Chance verpasste, seine Basis zur Gefahrenabwehr auf noch breitere Beine zu stellen. Dabei sind der elfte Platz und die 11:17 Punkte sicher eine sehr brauchbare Ausgangs-Situation, weil die Mannschaft von Trainer Jamal Naji zunächst vier ebenfalls über dem Strich liegende Kontrahenten hinter sich hat: TBV Lemgo Lippe (11:17), HSG Wetzlar (11:17), HC Erlangen (10:16), Frisch Auf Göppingen (9:19) und TVB Stuttgart (9:19). Die beiden Aufsteiger ThSV Eisenach (7:21) und HBW Balingen-Weilstetten (5:23) liegen jeweils ein Stück weiter zurück – und beweisen trotzdem regelmäßig, dass sie sich längst nicht aufgegeben haben. Eisenach zog gerade erst nach einem harten Kampf gegen Melsungen den Kürzeren (24:27), Balingen wehrte sich am Sonntagabend gegen den Champions-League-Sieger und Spitzenreiter Magdeburger SC (23:3) bis in die Schlussphase hinein (25:26/am Ende 28:34). Also wäre es ziemlich hilfreich für den BHC, bis zur kurz vor Weihnachten beginnenden Bundesliga-Pause über den Jahreswechsel und die EM im Januar 2024 weiter etwas Zählbares aufs Konto zu überweisen. Das wird vermutlich am nächsten Sonntag beim THW Kiel (Fünfter/18:10) maximal schwierig und am 17. Dezember bei der TSV Hannover-Burgdorf (Siebter/15;13) allenfalls theoretisch etwas einfacher. Freiwillig abgeben werden Jamal Naji und seine Mannschaft die Punkte bei den Favoriten bestimmt nicht, aber in den Heimspielen am 10. Dezember gegen Stuttgart und am 20. Dezember in Göppingen könnten die Aussichten größer sein. Beide gehören zum direkten Tabellen-Umfeld und beide sind Gegner, an denen sich der BHC auf dem Weg zum Klassenerhalt messen (lassen) muss.

Für den BHC war das Duell mit Leipzig von der ersten Minute an ein zähes Ringen und er hatte nach dem frühen 0:1 (1.) vor allen Dingen immer wieder einem Rückstand hinterherzulaufen – was dann bis zum 8:9 (14.) dauerte und beim 10:11 (18.) von vorne zu beginnen schien. Einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Najis Team nun deutlich besser im Spiel blieb: Der mittlerweile zwischen die Pfosten gerückte Keeper Christopher Rudeck, der in den vergangenen Wochen verletzt gefehlt hatte, erwies sich sofort als stabilisierendes Element (insgesamt 14 Paraden/Quote gehaltener Würfe genau 40 Prozent). Auch deshalb konnten die Hausherren durch ihre 4:0-Serie aus dem 12:12 (20.) eine 16:12-Führung (24.) machen, ehe sich kurz vor der Pause sogar die Gelegenheit auf noch mehr bot. Beim Stande von 19:15 (29.) hatte der BHC in der letzten Minute der ersten Halbzeit erneut den Ball. produzierte aber auf dem vermeintlich guten Kurs zum 20:15 elf Sekunden vor der Pause einen Ballverlust und Elias Scholtes fing sich darüber hinaus eine Zeitstrafe ein – weil die Schiedsrichter seinen Wurf nach dem bereits erfolgten Pfiff ahndeten. Folge: Auf der anderen Seite nutzte Leipzigs Matiej Gebala die Gelegenheit zum 16:19-Anschluss – was einer der vielen Belege dafür war, dass die Gäste nie aufgaben. So sah es in der zweiten Halbzeit erneut nach dem 24:20 (37.) der Hausherren aus, die etwas später aus dem 27:27 (50.) ein 29:27 (51.) machten und nach dem 30:30 (55.) mit dem 31:30 (55.) von Linus Arnesson wiederum in Führung gingen. In zum Teil sehr hektischen letzten fünf Minuten glich Viggó Kristjánsson für den SC zum 31:31 (60.) aus, ehe kurz darauf die Spielzeit offiziell abgelaufen war. Es gab allerdings noch einen direkten Freiwurf auszuführen – eine Sache für Mads Andersen, der am 7. Oktober in der identischen Situation zum 32:31 gegen Melsungen getroffen hatte. Diesmal blieb der Wurf des Dänen allerdings in der Leipziger Deckung hängen. „Aus unserer Sicht ist es heute ein verlorener Punkt“, fand Trainer Naji, „nüchtern betrachtet lassen wir in den letzten fünf Minuten vier hochprozentige Matchbälle liegen. In der Phase müssen wir den Sack einfach zumachen. Leipzig hat sich nie aufgegeben. Wer so kämpft, hat den Punkt auch verdient.“

Von einem ähnlichen engen Finale waren die Gummersbacher gegen Flensburg gleich mehrere Lichtjahre entfernt. Die SG, die der neue Trainer Nicolej Krickau offensichtlich auf Höchtsgeschwindigkeits-Handball getrimmt hat, brauchten nach dem 4:0 (4.) nur ein paar weitere Minuten, um sowohl der Mehrzahl der Fans in der ausverkauften Schwalbe-Arena als auch dem VfL unten auf der Platte sehr unromantisch alle Illusionen zu nehmen. Nach dem 2:6 (7.) versuchte VfL-Coach Sigurdsson in seiner ersten Auszeit, eine Kurskorrektur vorzunehmen – und sah wenig später das 2:8 (11.) sowie das 6:13 (17.), ehe er beim Stande von 8:16 (22.) bereits die zweite Auszeit nahm. Die verpuffte allerdings ebenso wirkungslos und Flensburg durfte unverändert nach Belieben schalten, walten und treffen – technisch wie in den Ideen in einer eigenen Liga unterwegs. Nicht erst mit dem 23:13 (30.) von Lukas Jorgensen vier Sekunden vor dem Ende der ersten Hälfte war die Partie komplett entschieden und nachher konnte die SG über weite Strecken in einen kleineren Gang schalten. Dass sie den Vorsprung trotzdem immer in der Nähe der zehn Tore hielt und vom 31:21 (43.) sogar auf 34:21 (47.) ausbaute, war bezeichnend. Und ebenfalls bezeichnend war, dass Flensburgs Trainer Krickau nach dem Gummersbacher „Anschluss“ zum 24:34 (49.) seinerzeit eine Auszeit zur Besprechnung nutzte – in der er seinen Unwillen über aufgekommene Nachlässigkeiten deutlich zum Ausdruck brachte. Ob die SG das Wachrütteln gebraucht hätte? Wahrscheinlich nicht. Trainer Sigurdsson traf später den Nagel auf den Kopf: „Wir hatten keinen Zugriff in der Abwehr und Flensburg hat uns regelrecht auseinandergenommen. Sie haben gezeigt, warum sie ein Meisterkandidat sind. Es war eine bittere Niederlage, denn man hat heute einen Klassenunterschied gemerkt. Wenn man etwas Positives aus dem Spiel ziehen möchte, dann können wir uns bei Flensburg für die Lehrstunde bedanken. Sie haben uns gezeigt, wie man zusammenspielt und wie der Ball laufen muss.“

 

Bergischer HC – SC DHfK Leipzig 31:31 (19:16). 

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (7/2), Scholtes (1), Nothdurft (3), M’Bengue, Ladefoged (3), Andersen (3), Fraatz (4), Babak, Reimer, Arnesson (6), Morante Maldonado (1), Stutzke (1), Seesing (2).

 

VfL Gummersbach – SG Flensburg-Handewitt 32:42 (13:23). 

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson (3), Kodrin (2), Vujovic (4/2), Köster (5), Blohme (3), Schroven, Häseler, Schluroff (6), Tskhovrebadze (2), Mappes, Pregler (1), Horzen (5), Kiesler, Zeman (1).