2. Bundesliga
Schock für Dormagen, Befreiung für Essen
Für TSV Bayer ist die Verletzung von Ian Hüter schwieriger als das unglückliche 27:28 in Hamm. TuSEM beendet Negativserie mit 30:24 gegen die Eulen.

Das tut weh: Ian Hüter (Mitte/mit Ball) dachte in Hamm keine Sekunde daran, sich zu schonen – sondern nur an die Mannschaft. Sollte er gegen Hüttenberg ausfallen, hätte Dormagen noch ein Problem mehr. (Foto: Michael Jäger)

Es war weniger überraschend, dass der um den Klassenerhalt kämpfende TSV Bayer Dormagen beim Bundesliga-Absteiger ASV Hamm-Westfalen leer ausging. Insofern hätte sich der durch die 27:28-Niederlage ausgelöste Schmerz vielleicht sogar in Grenzen gehalten – obwohl sie nicht hätte sein müssen, obwohl in der Summe gar nicht zu erkennen war, wer da die Rückkehr in die 1. Bundesliga anstrebt und wer „nur“ die 2. Bundesliga halten will. Und selbst den finalen Treffer durch Jan von Boenigk für den ASV (Dritter/20:6 Punkte) als letzte Aktion des Spiels hätten die Dormagener vielleicht noch halbwegs rasch verdaut. Was Trainer Matthias Flohr und seine Mannschaft viel härter trifft, sind mögliche personelle Spätfolgen dieses Abends – die, falls denn der schlimmste Fall der Fälle so eintritt, vermutlich eine Art sportlicher Super-Gau sind. Im Mittelpunkt aller Sorgen steht der in Hamm überragende Regisseur Ian Hüter, der seinen maximal hohen Einsatz und den Versuch, von Boenigk am erfolgreichen Wurf zu hindern, mit einer Platzwunde und dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bezahlte. Nicht mal die Hammer wollten anschließend ihren Erfolg wie sonst feiern, weil Hüter die Platte erst nach einer längeren Behandlung und dann sichtlich angeschlagen verlassen konnte. Sollten Hüter und der nach einem Schlag aufs Knie in der Schlussphase ebenfalls nicht mehr einsatzfähige Sören Steinhaus nun für die Partie am Mittwochabend gegen den TV Hüttenberg ausfallen, wäre die wichtige Partie noch mal viel schwieriger für die Hausherren. Das Duell zwischen Dormagen auf Rang 15 (9:17 Punkte) und Hüttenberg auf Platz 13 (10:16) könnte dabei für den weiteren Verlauf der Saison durchaus Weichen stellen – in die eine oder in die andere Richtung. Hinter dem TSV Bayer nimmt aktuell der TuS Vinnhorst (7:19) die letzte Position über dem Strich ein, während der Dessau-Roßlauer HV (7:21) und der EHV Aue (4:22) darunter stehen und absteigen müssten, wenn jetzt bereits Schluss wäre.

Deutlich entspannter ist die Lage (wieder) für TuSEM Essen, das vor der Partie gegen die Eulen Ludwigshafen (Zehnter/12:14 Punkte) fünf Mal hintereinander nicht gewonnen hatte (2:8/drei Niederlagen, zwei Unentschieden). Einer der Gründe dafür: Die Trefferproduktion war besonders in den jüngsten drei Spielen beinahe zum Erliegen gekommen (22/22/23). Jetzt erreichte die Mannschaft von Trainer Michael Hegemann die 30-Tore-Marke und sie konnte durchs 30:24 direkt wieder Zählbares aufs eigenen Konto überweisen. Besser war sie vorne in dieser Saison bislang lediglich zwei Mal unterwegs – am 29. September mit dem 31:28 gegen den TuS N-Lübbecke (Vierter/17:9) und am 30. Oktober mit dem 32:20 über den Letzten EHV Aue. Jetzt sind die Essener mit 13:13 Punkten auf dem neunten Platz der Spitzenreiter der unteren Tabellenhälfte und der einzige Zweitligist mit einer ausgegeglichenen Bilanz – bei dem gleichzeitig mit 332:330 Toren krasse Gegensätze zu sehen sind: Die Abwehr ist die beste der 2. Bundesliga, der Angriff gleichzeitig der schlechteste. In der Summe verfügt TuSEM trotzdem über eine anständige Basis für die restlichen Wochen des Jahres 2024, die ihnen in einer Art Blitz-Marathon noch sechs Spiele innerhalb von nur 27 Tagen bringen. Nach der Aufgabe am Mittwoch bei der HSG Nordhorn-Lingen (Achter/15:11) geht es am 3. Dezember gegen den VfL Eintracht Hagen (Elfter/12:14), am 10. Dezember zum TV Hüttenberg, am 17. Dezember gegen den VfL Lübeck-Schwartau (Zwölfter/11:15), am 22. Dezember gegen den ASV Hamm-Westfalen und am 26. Dezember zum TSV Bayer Dormagen. Hamm und Dormagen markieren bereits den Beginn der Rückrunde in der Saison 2023/2024.

Dem TSV Bayer müssen vor allen Dingen die letzten Minuten in Hamm wie ein echter Albtraum vorgekommen sein, nachdem sie bis dahin einen Kampf auf Augenhöhe abgeliefert hatten und vorübergehend auf dem Weg zu einem überraschenden Erfolg zu sein schienen. Das frühe 0:1 (3.) steckten die Gäste schnell weg und sie lagen beim 4:3 (6.) zum ersten Mal vorne, aber nicht zum  letzten Mal – 9:7 (19.), 10:8 (21.). Vier Gegentreffer hintereinander brachten nun den 10:12 (25.)-Rückstand, den Dormagen aber übers 12:13 (28.) und 14:16 (30.) am Ende der ersten Halbzeit abzuarbeiten begann. Das 16:16 (35.) war der nächste Ausgleich, ehe Hamm nach dem 18:18 (40.) mit dem 20:18 (43.) und 22:20 (48.) erneut kleinere Vorteile hatte. Ein Beweis für die gute Moral der Gäste: Sie legten einen 3:0-Lauf zum eigenen 23:22 (50.) hin und in den turbulenten letzten vier Minuten sogar noch zu. Erster Rückschlag: Abwehrchef Patrick Hüter sah 119 Sekunden vor der Schluss-Sirene beim Stande von 25:26 für seine Aktion gegen Jan von Boenigk die korrekte Rote Karte (59.). Kurz darauf verkürzte Ian Hüter das 25:27 (59.) trotzdem zum 26:27 (59.) und in der Folge hielt Keeper Martin Juzbasic einen Siebenmeter (60.). Anschließend war erneut Ian Hüter zur Stelle – 27:27, genau 21 Sekunden vor dem Ende. Anschließend nahm Hamm eine Auszeit und von Boenigk setzte sich tatsächlich zum 28:27 durch. Wie schmerzhaft dieser ultraspäte Treffer für Dormagen insgesamt wirklich war, wird sich wohl erst zeigen. Trainer Flohr ist auf jeden Fall sehr nachdenklich: „“Das war eine sehr bittere Niederlage heute in Anbetracht des Ergebnisses und der Ausfälle. Wir müssen jetzt regenerieren, nach vorne schauen und sehen, wer am Mittwoch auf der Platte steht.“

Die Essener, in den vergangenen Wochen leicht vom Kurs abgekommen, zogen wenigstens vorerst einen Schluss-Strich unter die negative Serie, die bereits zu nerven begonnen hatte. Mit dem 0:1 (2.) und dem 1:2 (2.) geriet TuSEM am Anfang zweimal in Rückstand, lag aber mit dem 3:2 (4.) durch Felix Klingler schon vorne und anschließend kein weiteres Mal mehr hinten. Auf der anderen Seite waren aber selbst das 9:6 (21.) oder 12:9 (26.) noch keine Garantie für den Sieg, weil die Eulen hartnäckig blieben – 13:12 (29.), 14:13 (31.), 16:16 (38.). Wichtige Schritte gelangen TuSEM, das in Keeper Lukas Diedrich einen starken Rückhalt hatte, durch seinen 4:0-Lauf innerhalb von gut sieben Minuten zum 20:16 (46.), mit dem Ludwigshafen fast geschlagen war. Nach dem 23:18 (49.) wurde es zwar mit dem 23:21 (51.) noch einmal etwas enger, doch Essen konnte selbst in Unterzahl (51./Zeitstrafe gegen Finn Wolfram) wirkungsvoll antworten: Jonas Ellwanger sorgte innerhalb von 45 Sekunden fürs 24:21 (52.) und 25:21 (52.), dem Julius Rose und Max Neuhaus weniger später die entscheidenden Tore zum 26:21 (53.) und 27:21 (55.) folgen ließen. Der Rest des Spiels war eine Formsache und Trainer Hegemann hinterher einigermaßen erleichtert: „Es war für uns enorm wichtig, das Spiel zu gewinnen. Man hat schon gemerkt, dass uns in den letzten Wochen die Leichtigkeit verloren gegangen ist. Aber wir sind dieses Mal wieder gut über das Kollektiv gekommen und hatten immer wieder gute Phasen. In der zweiten Halbzeit waren wir teilweise zu fehlerbehaftet, aber wir konnten uns auch da wieder freischwimmen. Das war Gold wert.“

 

TuSEM Essen – Eulen Ludwigshafen 30:24 (14:12). 

TuSEM Essen: Fuchs, Diedrich – Ellwanger (4), Kämper, Wolfram (1), Wilhelm (2), Homscheid (2), Eißing, Szczesny (1), Seidel, Klingler (6), Neuhaus (2), Elsässer (1), Rose (6), Mast (2/1).

 

ASV Hamm-Westfalen – TSV Bayer Dormagen 28:27 (16:14).

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Kriescher, Reuland (2/1), Böhnert (4), Kremp, I. Hüter (7), Reimer (4/1), Beckers, Schroven (2), Strosack (1), P. Hüter, J.-Chr. Schmidt, Pauli, Steinhaus (5), Sondermann (2).