Harz beiseite
Sie kennen nur eine Richtung: TuS Wesseling im Fahrstuhl nach oben
Der Landesligist ist seit dem Neustart im Jahr 2018 schon drei Mal aufgestiegen. Das Gros der Mannschaft kommt dabei aus der eigenen Jugend.

Ihr haltet mich nicht! Julian Hetzel und der TuS Wesseling sind nach drei Aufstiegen in fünf Jahren auch gut in der Landesliga angekommen. (Foto: Marlon Hammoudeh)

In fünf Jahren kann eine ganze Menge passieren. Das wissen sie besonders beim TuS Wesseling. Und es fiel ihnen ganz aktuell wieder ein, nachdem sie einen Blick auf die Begegnung des kommenden Wochenendes geworfen hatten. Da steht für die Landesliga-Herren morgen Abend das Duell mit dem Turnerkreis Nippes an (Sporthalle Kronenbusch, Anwurf 20 Uhr). Gegen Nippes? Die erste Mannschaft? Noch vor fünf Jahren schien die Lücke zwischen diesen beiden Teams riesig, denn der TK spielte mit seinem Team in der Oberliga, Wesselings Herren waren fünf Klassen tiefer in der 2. Kreisklasse unterwegs. Duelle zwischen dem TuS und Nippes gab es trotzdem – allerdings mit der dritten Mannschaft. Ein Rückblick: Im Mai 2018 löste sich die HSG Brühl-Wesseling auf und der TuS startete wieder ganz unten. „Wir haben damals gesagt: ‚Wir müssen uns mal zusammensetzen.‘ Wir wollten leistungsorientierten Handball mit Leuten aus dem eigenen Verein etablieren. Wir hatten damals schon eine sehr gute B-Jugend, denen wir eine Perspektive bieten mussten“, berichtet Peter Stramitzer, Männerwart und Vorsitzender des Förderkreises, den er gemeinsam mit einigen anderen Wesselinger Handballern 2018 gründete. Das Ziel war dabei zu Beginn gar nicht mal so hochgesteckt und am Anfang musste der TuS überhaupt erstmal eine spielfähige Mannschaft zusammenbekommen. Doch mit einigen Rückkehrern sowie einem starken Zusammenhalt gelang dem Team um Trainer Fabian Roth in zwei Jahren zwei Mal der Aufstieg – von der 2. Kreisklasse in die Kreisliga.

Mit dem aufgenommenen Schwung schafften es die Wesselinger, einige ehemalige Jugendspieler wieder an den Kronenbusch zu lotsen. Was in der Saison 2020/2021 möglich gewesen wäre, wenn diese nicht wegen der Corona-Pandemie abgebrochen worden wäre, kann heute keiner beantworten. Ein Jahr später beendete der TuS die Kreisliga-Saison auf dem vierten Tabellenplatz – und niemand im Verein war damit zufrieden. „Ein ganz neues Gefühl und eine gute Entwicklung, dass wir uns nicht wohlwollend zurückgelehnt haben“, findet Stramitzer, der im Sommer 2022 mit dem gesamten Verein noch eine weitere Aufgabe zu bewältigen hatte: Zum 75. Geburtstag feierte der TuS den „Tag des Handballs“ mit dem Freundschaftsspiel gegen den Bundesligisten Bergischen HC. Von der Atmosphäre in der Sporthalle Kronenbusch waren seinerzeit auch die Profis beeindruckt und das Ergebnis (18:54) sowieso reine Nebensache.

Lass dich drücken! Für Nico Janz (vorne links) und Hamdi Chouikha (vorne rechts) sowie alle Wesselinger kannte der Jubel nach dem Aufstiegsspiel gegen Brühl kein Halten mehr. (Foto: Marlon Hammoudeh)

Für die Saison 2022/2023 hatte sich die sehr junge Wesselinger Mannschaft den Aufstieg zum Ziel gesetzt – und am Ende stark geliefert. Unter dem neuen Trainer Bernd Schellenbach meisterte das junge Team die eine oder andere knifflige Aufgabe und ließ die Konkurrenz bei 50:2 Punkten im Ergebnis deutlich hinter sich. Dass Wesseling den Aufstieg ausgerechnet mit dem 24:22 im Derby gegen den Brühler TV vor 500 Zuschauern perfekt machte, war dabei nur das Sahnehäubchen. „Selbst eine Niederlage hätte uns nicht mehr aus der Bahn geworfen. Ich war während des Spiels ganz ruhig“, meint Stramitzer, für den die Partie eine echte Werbung für den Handball war: „Die Zuschauer haben sich vorbildlich verhalten. Wir hatten keinen einzigen Ordner bei einer komplett emotional aufgeladenen Partie. Jeder, der dabei war, wird dieses Spiel nicht mehr vergessen.“

Dass der nächste Aufstieg des TuS möglicherweise schon in dieser Saison ansteht, hat eher mit der Ligenreform des Verbandes als mit der Übermacht der Mannschaft zu tun. Nach zehn Spielen steht Wesseling in der Landesliga auf Platz vier (14:6 Punkte). Weil die Landesliga nach dieser Spielzeit aber ersatzlos entfällt, gibt es praktisch keinen Klassenerhalt, sondern ausschließlich Auf- oder Abstieg. Auch wenn immer noch nicht gesichert ist, welcher Platz zur Qualifikation für die Verbandsliga 2024/2025 reicht, ist der TuS hier vermutlich auf dem richtigen Weg. Es wäre der vierte „Aufstieg“ in sechs Jahren. Was Stramitzer besonders stolz macht: „Wir holen keine Spieler gezielt von außen. Von unserem Kader von 16 bis 18 Mann kommen mindestens zwölf aus der eigenen Jugend. Wir investieren lieber in gute Trainer.“ Im Moment läuft dabei vor allem die Suche nach einem Sportlichen Leiter für die Jugend, der ein einheitliches Trainings- und Spielkonzept für alle Jugendmannschaften entwerfen soll.

Wenn es in Wesseling mal externe Zugänge gibt, dann eher aus persönlichen oder familiären Gründen. Auf diesem Weg kam auch die neueste „Verpflichtung“ zustande, denn Roman Stabauer wird im Winter vom Verbandsligisten Fortuna Köln zum TuS wechseln. „Er zieht mit seiner Familie nach Wesseling. Das ist für uns ein echter Glücksfall. Roman hat bei Fortuna im Verein über Jahre unglaublich viel gemacht und wir hoffen, dass wir ihn von uns genauso begeistern können“, berichtet Stramitzer, der trotz aller Euphorie weiß, dass der Weg des „TuS Wesseling 2.0“ irgendwann auch an eine Grenze stoßen wird: „Irgendwann wird es ohne Spieler von außen, die Geld kosten, nicht mehr höher gehen. Vermutlich spätestens ab der Oberliga. Aber das ist okay, das wissen wir und wir freuen uns, uns so lange wie möglich weiterzuentwickeln.“ Nächster Halt: Das Duell mit Nippes morgen Abend. Auf Augenhöhe. Was in fünf Jahren so alles passieren kann.