Regionalliga Nordrhein
Der Aufstieg: Wer will? Wer kann? Wer darf nicht?
Klar nach oben zieht es nur Korschenbroich, Remscheid halb. Jetzt treffen sich beide im Spitzenspiel. Bonn, Weiden und Dormagen II könnten Spielverderber sein.

Das Rennen läuft: David Klinnert (Mitte/beim Wurf) und der TV Korschenbroich gehören ebenso zu den Kandidaten auf Platz eins wie der junge Torhüter Linus Borreck, Felix Böckenholt (links/beide erst 18) und der TSV Bayer Dormagen II. (Foto: Sven Frank)

Will denn in dieser Regionalliga niemand aufsteigen? Nachdem inzwischen auch die beiden ersten Spieltage in der Rückrunde absolviert sind, ist vor allen Dingen klar, dass eigentlich nichts klar ist. Vor einem Jahr waren die Dinge auf wundersame Weise einfach: Der spätere Meister Interaktiv.Handball, der ohne eine einzige Niederlage durch die Saison 2022/2023 kam, und der TV Korschenbroich waren die beiden einzigen ernsthaften Anwärter auf mehr. Am Ende hatten beide zusammen neun Minuspunkte auf dem Konto – Ratingen drei, der TVK sechs. Und jetzt? Kommen aktuell mindestens fünf Mannschaften für die Position ganz oben in Frage – obwohl der eine oder andere aus diesem Kreis nie ernsthafte Ambitionen angemeldet hat, was wiederum in nicht geringem Maße an den strukturellen Möglichkeiten an Ort und Stelle liegt. Aktuell stehen die HG Remscheid und die TSV Bonn rrh. bei jeweils 20:10 Punkten – und beide haben damit die Summe der damaligen Minuspunkte der Ratinger und Korschenbroicher bereits jetzt übertroffen. Das gilt natürlich auch für den aktuellen Dritten TVK selbst, für den Vierten TSV Bayer Dormagen II und den Fünften HC Weiden (alle 19:11). Wir haben uns jetzt einfach mal daran erinnert, wer vor dem ersten Spieltag was für die nächste Serie erreichen wollte – und gemessen daran „gehört“ lediglich der TV Korschenbroich dort oben hin, wobei er auf dem nach wie vor möglichen Weg in die 3. Liga vor allen Dingen einen Zickzack-Kurs steuert und bereits durch eine Trainer-Entlassung auf sich aufmerksam gemacht hat, um das Ruder im Kampf um den Titel herumzureißen. Im Quervergleich zum TVK haben alle Konkurrenten ihr Soll über-erfüllt. Daraus folgt: Bleibt das so, könnte sich am 4. Mai 2024 nach dem letzten Spieltag eine spannende Frage stellen: Wird denn überhaupt einer aufsteigen?

Als die Saison 2023/2024 begann, stand in der Korschenbroicher Waldsporthalle noch Gilbert Lansen an der Seitenlinie. Seine damals von der Vorstands-Verantwortlichen stets und öffentlich gestützte/bestätigte Kernaussage: „Die letzte Saison haben wir sehr gut gespielt und in jedem anderen Jahr wären wir mit so einer Leistung auch aufgestiegen. Daran wollen wir natürlich anknüpfen. Das bedeutet, dass das Ziel wieder der Aufstieg ist.“ Weil der Verein genau dieses Ziel nach 2:4 Punkten aus dem Startprogramm relativ früh ernsthaft gefährdet sah, trennte er sich von Lansen und holte dessen Vorgänger Dirk Wolf aus dem sportlichen Ruhestand zurück. Nach dem Jetzt-Stand haben der „Neue“ und sein Team weiter alle Chancen, die intern festgezurrte Idee zu realisieren – doch eine Garantie darauf ist weit und breit nicht zu erkennen. So verlor der Titelkandidat Anfang Dezember 2023 zu Hause gegen Weiden mit 30:34 und am vergangenen Wochenende mit 34:35 gegen die Dormagener. Wohin das führt, weiß keiner, und in diesem Zusammenhang wird der kommende Samstag womöglich eine Art Aufklärungsfilm: Der TVK trifft in der Waldsporthalle auf die Remscheider, die vor ein paar Monaten tatsächlich auch mal vom Aufstieg gesprochen haben – gedacht allerdings zu einem ferneren Zeitpunkt.

Der neue Trainer Nelson Weisz, der in der neuen Umgebung unter anderem einen Umbruch moderieren muss(te), gab sich vor dem ersten Spieltag betont zurückhaltend: „Es geht darum, Leistungssport möglich zu machen. Wir wollen in zwei bis drei Jahren die 3. Liga angreifen. Wir haben ein paar Dinge angepasst, vieles muss sich erst einspielen, wir müssen uns entwickeln. Insgesamt haben wir in Remscheid ganz gute Möglichkeiten.“ Auf der Platte zeigt das die HGR allerdings nicht immer, wie zwei Niederlage in der Hinrunde bewiesen – 24:26 beim Zwölften Bergischer HC II (9:21), 33:34 beim Letzten SG Langenfeld (6:24). Auf der Habenseite stehen dagegen unter anderem das 31:29 gegen Korschenbroich, ein 26:25 in Weiden und ein 36:30 gegen die Bonner. Falls sich dahinter ein Trend versteckt, gegen die Konkurrenz von unten eher mal zu stolpern und gegen jene von oben eher am Maximum unterwegs zu sein, dürfte das bevorstehende Spitzenspiel in Korschenbroich echt spannend werden.

Für die drei Klubs neben der HGR und dem TVK kommt die 3. Liga nicht ernsthaft in Frage. Trainer Marc Schlingensief und seine Weidener hatten am Anfang zum Beispiel ganz andere Probleme: „Faktisch werden wir Teile der Vorbereitung noch mit in den Saisonbetrieb mit reinnehmen müssen. Mit Blick auf das Auftaktprogramm und generell den Spielplan haben wir aber eigentlich keine Zeit zu verlieren mit acht Heimspielen in der Hinrunde. Wäre toll, wenn wir auf den Saisonendspurt der letzten Saison aufbauen könnten. Es wird sehr wichtig sein, nicht von vornherein hinterherzulaufen. Generell ist unser Ziel natürlich, mehr Stabilität in unseren Leistungen zu zeigen. Neben dem TVK sehe ich den OSC Rheinhausen ganz weit oben.“ Im Umkehrschluss folgt daraus: Seine Weidener sah Schlingensief wenigstens nicht zwingend ganz weit oben – wo sie allerdings schon mal waren und demnächst durchaus wieder sein können. Dazu müsste Weiden jedoch nach zwei Niederlagen hintereinander (27:32 gegen OSC Rheinhausen, 29:31 in Bonn) bei der um den Klassenerhalt kämpfenden Borussia Mönchengladbach (Rang 13/8:20) beide Punkte holen. Nicht unwichtig selbst für den Fall, dass der HC am Ende auf Platz eins landet: Seine Halle Parkstraße ist als Heimspielstätte für die 3. Liga ungeeignet.

Ganz ähnlich ist die Lage bei der TSV Bonn rrh., die als momentaner Zweiter deutlich über dem ausgegebenen Zielkorridor liegt. Für Trainer Frank Berblinger stand vor dem Saisonbeginn das hier im Vordergrund: „Für uns geht es darum, relativ schnell ein gutes Gesamtkonstrukt zu haben, und dann hängt es letztlich davon ab, wie wir in die Saison reinkommen. Natürlich wollen wir uns so schnell wie möglich unten raushalten und schauen, dass wir eine konstante Saison spielen, vielleicht nicht so achterbahnmäßig wie letzte Saison. Aktuell ist es recht schwierig, zu sagen, wie die Prognosen sind. Wie sich das Ganze entwickelt, kann man vielleicht Richtung Herbstferien oder zur Winterpause hin sehen.“ Kurz nach der Winterpause steht wenigstens fest, dass die Bonner zum führenden Quintett gehören – mit der Besonderheit, dass sie sich einen Rhythmus von fünf Siegen, fünf Niederlage und wiederum fünf Siegen zugelegt haben. Sollte sich daraus eine Art von Gesetz ableiten lassen, würde die TSV nun in der Partie beim Letzten SG Langenfeld (6:24) leer ausgehen. Selbst in Langenfeld werden sie sich allerdings kaum wundern, dass Berblinger und seine Mannschaft lieber zum sechsten Mal hintereinander gewinnen wollen. Dann wäre ganz nebenbei wenigstens theoretisch auch wieder die Tabellenführung drin, die Bonn dann am 3. Februar gegen die HSG Refrath/Hand verteidigen würde. In der Halle Ringstraße – die wie jene Spielstätte der Weidener nicht für die 3. Liga in Frage kommt.

Deutlich anders aufgestellt sind sie in diesem Punkt bei den Dormagenern, deren Halle im Sportcenter an der Römerziegelei ein Schmuckstück ist und den allerhöchsten Ansprüchen genügt. Sportlich ist das zurzeit auch bei der Mannschaft von Trainer Martin Berger der Fall, die als beste Referenzen ein 37:24 über die Remscheider und jenes jüngste 35:34 in Korschenbroich einbringen kann. Damit steht die Zweite des TSV Bayer längst in einem krassen Widerspruch zu sich selbst und den Perspektiven von einst. „Knallhart geht es für uns um den Klassenerhalt“, hatte Berger vor dem Saisonstart vermutet, „wir haben eine höhere Dichte an Spielen, wo wir nicht in der Favoritenrolle sind.“ Das sind die Dormagener nun aber bestimmt gegen den Zehnten MTV Rheinwacht Dinslaken (14:16), zumal sie in Heimspielen im Durchschnitt auf 34 Treffer kommen und eventuell ebenfalls an die Tabellenspitze klettern könnten (bei einem eigenen Erfolg, einem Bonner Punktverlust und einem Remis zwischen dem TVK und Remscheid). Sollte die junge Mannschaft im Übrigen am Ende der Saison echt ganz oder wenigstens sehr weit oben stehen, wäre es nicht zuletzt auch eine Genugtuung für Berger, dessen Zeit in Dormagen ja nach der Serie zu Ende geht – weil sich die Handballer mal wieder umstrukturieren und dabei offensichtlich keine Möglichkeit sahen, die Zusammenarbeit mit Berger fortzusetzen. Gleichzeitig ist im Übrigen jeder Gedanke an die 3. Liga komplett absurd, weil ja in der 2. Bundesliga erst einmal Dormagens Erste den Klassenerhalt schaffen will/muss. Daneben steht schließlich sowieso fest, dass sich der Verein neben einer Zweitliga-Mannschaft ein Team nur eine Klasse darunter überhaupt nicht leisten kann. Und zwei Teams in der 3. Liga? Ein interessanter Gedanke.

In der ganzen Gemengelage lohnt sich definitiv ein Blick in die Durchführungsbestimmungen des Verbandes Handball Nordrhein. Die Anlage 1 sagt hier im Punkt 1.1.2: „Am Ende der Spielsaison 2023/2024 steigt der Meister der Regionalliga Männer direkt in die Dritte Liga auf (§ 38 Absatz 4 der DHB-Spielordnung/DHB SpO). Verzichtet der Regionalligameister auf den Aufstieg in die Dritte Liga, darf alsdann maximal der Zweitplatzierte der Regionalliga aufsteigen.“ Beispiel: Am Ende belegen vielleicht Bonn und Weiden oder Bonn und Dormagen oder Dormagen und Weiden die beiden ersten Plätze vor dem TVK und Remscheid. Wenn in dieser Konstellation die ersten beiden nicht wollten oder nicht dürften, würden die ab Rang drei in die Röhre schauen. Daraus folgt, dass dann eben niemand aufsteigen würde. Daraus folgt ebenfalls, dass selbst der Vizemeister vielleicht das Recht zum Aufstieg bekäme, wenn denn der Meister verzichtet. Vielleicht geht es später bei der Festlegung einzelner Positionen sogar um den direkten Vergleich – wie jetzt schon mal im Spiel zwischen dem TVK und den Remscheidern. Dass die HGR dem 31:29 aus der Hinrunde ein leichtes Plus hat, gibt dem Duell noch mehr Würze. Das kann alles noch sehr heiter werden.