3. Liga
Von Aldekerk bis Krefeld: Eine Klasse, andere Welten
Gefährdeter TVA geht personell weiter am Stock, der Zweite verstärkt sich erneut. Panther erwarten den Ersten Ferndorf. TuS 82 und LSC wollen in der oberen Hälfte bleiben.

Einmal durchzählen: Rund um Aldekerks spielenden Trainer Tim Gentges (Mitte) ist es zuletzt ziemlich leer geworden. Roman Grützner (Nummer 5) und Cedric Linden (im Hintergrund/rechts neben Grützner) fallen wie David Hansen sicher aus, der Einsatz von Lukas Ellwanger (Nummer 26) steht auf der Kippe. (Foto: Thomas Schmidt)

In der Nähe der Grenze zu den Niederlanden könnten sie sich allmählich fragen, womit sie das eigentlich verdient haben. Dass das zweite Jahr nach dem Aufstieg in die 3. Liga in der neuen Gruppe Süd/West grundsätzlich viel schwieriger werden dürfte als die nahezu traumhafte Saison 2022/2023? Kein Problem für den TV Aldekerk. Dass manchmal das Glück seine Abwesenheit bevorzugte? Auch keins. Das andere mit deutlich besseren Budgets ausgestattet sind? Erst recht keins. Aber das jetzt hätte manchen schon längst in die Knie gezwungen oder in die Resignation getrieben. Der spielende Trainer Tim Gentges, der in der Verwaltung des personellen Mangels längst viel Routine gesammelt hat, musste gerade die nächste Hiobsbotschaft verkraften – und er sucht zusammen mit der Mannschaft die Flucht in den Galgenhumor: „Die Woche fing einfach astrein an. Es hat sich rausgestellt, dass sich Roman Grützner im Spiel gegen Saarlouis das Kahnbein in der linken Hand gebrochen hat.“ Es ist der dritte im Rückraum fehlende Stammspieler – nach Cedric Linden und David Hansen, dem mit 94 Treffern aus nur 13 Spielen immer noch zweitbesten Werfer der Mannschaft (nach Julian Mumme/98 Tore in 17 Spielen). Linden zog sich im Aufbautraining nach seiner Knieverletzung (Innenband) einen Schienbeinbruch zu, während Hansen nach seinem Rippenbruch weiter ausfällt. Das in der Summe macht die Aldekerker im ersten Moment zwar fassungslos, aber keineswegs mutlos. „Lukas Ellwanger liegt krank im Bett“, berichtet Gentges, „puh. Unsere personelle Situation ist unfassbar beschissen, aber wir haben noch verbliebene Spieler. Und alle reißen sich im Training den Arsch auf und haben auch Bock, am Samstag nach Dansenberg zu fahren und da für eine weitere Überraschung zu sorgen und mit zwei Punkten zurückzufahren.“

Alle Probleme ändern wenig daran, dass der TVA als Vorletzter (8:26) in Kaiserslautern beim nur eine Position besser stehenden TuS Dansenberg (8:24) vor einer wegweisenden Aufgabe steht. Sehr unromatisch und rein mathematisch sind die Dinge im Tabellenkeller relativ einfach: Die Liste der in den direkten Kampf um den Klassenerhalt (drei Absteiger) verwickelten Klubs beginnt auf Rang elf – und dort ist der Aufsteiger Interaktiv.Handball (12:22) ebenfalls nicht mehr außen vor. Dahinter sind die HSG Friesenheim/Hochdorf II (11:23) und die TSG Haßloch (10:24) sowie Dansenberg, Aldekerk und Schlusslicht TV Homburg (8:26) noch mehr gefährdet. Sollte der TVA tatsächlich beide Zähler aus dem Süden von Rheinland-Pfalz mitbringen, könnte er seine Lage verbessern und im Optimalfall sogar wieder auf einen Nicht-Abstiegsplatz klettern, weil die Konkurrenz zum Teil vor sehr hohen Hürden steht. Haßloch vor allem gilt beim Zweiten HSG Krefeld Niederrhein (28:6) als krasser Außenseiter. Gentges kündigt die „Taktik“ an, die sich Aldekerk ausgesucht hat: „Wir lachen viel – nicht über die Verletzungen, aber wir lachen einfach gänzlich über die Situation. Wenn man sieht, dass Vereine, die noch nicht mal so weit weg von uns sind, ständig neue Spieler verpflichten, kann man doch gar nichts anderes mehr machen, als mit Galgenhumor zu agieren. Wir werden weiter versuchen, ein erneutes Wunder in Aldekerk zu schaffen. Und das heißt, nicht abzusteigen. Das versuchen wir jede Woche – egal, wer da noch zur Verfügung steht.“

Weniger ein Wunder benötigt der TuS 82 Opladen, der ja als Siebter mit 18:16 Punkten als Mitglied der oberen Tabellenhälfte jenseits von Gut und Böse zu finden ist. Trotzdem ärgert sich Trainer Fabrice Voigt über den Mangel an Konstanz, der sich vor allem seit Anfang November 2023 eingeschlichen hat: Sieg, Niederlage, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg, Sieg, Niederlage. Besonders für das jüngste 31:35 im Derby gegen die Bergischen Panther (Neunter/15:17) brachte Voigt extrem wenig Verständnis auf – und er baut zugleich darauf, dass die Art und Weise eher ein Ausrutscher war: „Wir haben natürlich daran gearbeitet, diese Niederlage zu verdauen. Das war sicherlich eine unserer schlechtesten Saisonleistungen. Aber auch da muss man dann den Mund abwischen und ab Montag ging es wieder mit voller Konzentration weiter. Das haben die Jungs bisher wirklich überragend gemacht.“ Rund um die Bielerthalle erkennen sie aber auch, dass ohne eine deutliche Steigerung in der Partie beim Achten TV Gelnhausen (17:17) wenig zu holen sein wird. „Wir wissen, dass es zur Mannschaft der Stunde geht“, meint Voigt, „Gelnhausen hat vier Mal hintereinander gewonnen und der Start passte nicht zu ihnen. Alle wussten, dass sie noch kommen – und sie rollen ein bisschen das Feld von hinten auf. Das wird ein ganz heißer Tanz für uns und unser Ziel muss es erst mal sein, wieder unsere Normalform auf die Platte zu bekommen. Benötigen werden wir sicher ein bisschen mehr als nur Normalform.“

Ein höheres Niveau brauchen die Opladener dabei nicht nur in der Chancencverwertung, sondern auch in der Abwehr – um nicht zuletzt den Torhütern unter die Arme zu greifen. Dort wird bis zum Ende der Saison die ganze Last auf Tim Trögel und Moritz Wiese liegen, weil dem TuS 82 inzwischen der vom Bundesligisten Bergischer HC per Zweitspielrecht für den Drittligisten zwischen den Pfosten stehende Louis Oberosler von jetzt auf gleich abhandengekommen ist: Oberosler hat der BHC, dem der Schlussmann „gehört“, in der vergangenen Woche an den nach wie vor klammen Zweitligisten TSV Bayer Dormagen weitergereicht, der seinerseits nach dem Wechsel von Martin Juzbasic zur HSG Krefeld Niederrhein auf der Torhüter-Position sportlich in der Klemme steckte. Klar auf der einen Seite: Begeistert konnten sie in Opladen nicht darüber sein, dass sie künftig ohne ihre Nummer eins auf dem Posten zwischen den Pfosten weitermachen müssen. Klar auf der anderen Seite: Ab der kommenden Saison ist der TuS 82 bei den Keepern wieder zu dritt, weil dann eine Art Ringtausch komplett ist. Aus Krefeld wechselt im Sommer Gustav König, bisher dritter Torhüter bei den Eagles, zum TuS 82 – der im Übrigen wie Dormagen ein „Kooperationspartner“ des Bundesligisten ist, davon jedoch in diesem Fall nicht wirklich viel Nutzen hat(te).

Der Longericher SC kämpft derzeit – wie der Nachbar TuS 82 – vor allem darum, seinen „Stammplatz“ im oberen Drittel aus der vergangenen Serie zu behalten. Als Sechster führen die Kölner aktuell mit 18:16 Punkten das dichte Mttelfeld hinter den besten fünf Teams an, die ihnen gerade geballt über den Weg laufen. Nach dem 27:29 gegen die HSG Krefeld Niederrhein (Zweiter/28:6) folgt nun jedoch zuerst die Aufgabe bei der um den Klassenerhalt kämpfenden HSG Friesenheim/Hochdorf II und mit dem Blick auf die Hürden danach muss ein Erfolg das Ziel sein: Anschließend trifft die Mannschaft von Trainer Chris Stark schließlich am 17. Februar auf die HG Saarlouis (Vierter/23:11) und am 23. Februar auf die enteilten Ferndorfer. Was bereits sicher ist: Seine Marke als Dritter mit 35:17 Punkten aus der vergangenen Saison wird der LSC diesmal nicht erreichen. Weil bis zur damaligen Ausbeute aus 26 Spielen noch neun Partien zu absolvieren sind, müsste Longerich sofort eine Serie von 17:1 Punkten starten. Dazu müsste es sowohl gegen Saarlouis als auch gegen Ferndorf gewinnen – was immerhin theoretisch denkbar ist. Die Konkurrenz würde das bestimmt begrüßen und die Kölner selbst hätte kaum was dagegen.

Eine Lehrstunde in Sachen Einsatz und Leidenschaft bekamen die Opladener bei der Pleite gegen die Panther, die hier zeigten, was sich mit mannschaftlicher Geschlossenheit und Hingabe bewerkstelligen lässt. In Max Weiß, Henning Padeken und Jens-Peter Reinarz fehlte ein komplettes Paket aus dem Regal mit unfassbar viel Routine, in Justus Ueberholz ein torgefährlicher Regisseur und in Henrik Heider ein zweiter Linkshänder für den rechten Rückraum. Wie die Panther trotzdem beim TuS 82 auftraten und einen verdienten 35:31-Sieg mitnahmen, machte Trainer Mutz fast stolz – und hilft jetzt für die nächste Aufgabe trotzdem kaum weiter, denn es wartet mit dem Heimspiel gegen den ungeschlagenen TuS Ferndorf (31:1 Punkte) der Meisterschaftsfavorit. Mutz macht sich wenig vor: „Wir sind maximaler Außenseiter, nicht nur aufgrund unserer personellen Sparflamme. Es muss schon eine Sensation passieren, dass wir dieses Spiel gewinnen. Wir wollen trotzdem ein gutes Spiel machen und wir haben uns Teilziele gesetzt. Wir werden sehen, dass wir diese Phasen gut für uns nutzen und unsere veränderte Formation ein bisschen einspielen für die kommenden Wochen. Gegen Ferndorf wollen wir einfach ein gutes Spiel machen und befreit aufspielen, ohne Druck. Wir wollen viel Spaß haben und gucken, dass wir über weite Strecken vielleicht mithalten können.“ Als Neunter führen die Panther mit ihren 15:17 Zählern gerade die zweite Tabellenhälfte an, aus der sie sich im Duell mit Ferndorf kaum in die obere Hälfte werden zurückarbeiten können. Die dazu notwendigen Punkte dürften am 16. Februar beim Vorletzten Aldekerk, am 24. Februar beim Drittletzten Dansenberg und am 2. März gegen den Letzten Homburg eher im Bereich des Möglichen liegen. Welche Garantie es darauf gibt? Keine.

Dass die Panther noch mit in den Strudel gezogen werden, in dem es um den Abstieg geht, gilt dabei als extrem unwahrscheinlich – anders als beim Aufsteiger Interaktiv.Handball, der vom guten Kurs aus dem späten Herbst und frühen Winter gründlich abgekommen ist und als Elfter bei 12:22 Punkten nicht mehr gar so viel Luft nach unten hat. Nach dem 31:29 am 18. November gegen die Panther und dem 33:33 beim TV Gelnhausen am 25. November ging das Team des Trainergespanns Filip Lazarov/Oelze fünf Mal hintereinander leer aus – 38:42 gegen die HSG Hanau (Dritter/23:9), 32:36 bei der HSG Friesenheim/Hochdorf (Zwölfter/11:23), 34:41 gegen die HG Saarlouis (Vierter/23:11), 23:30 gegen den Longericher SC (Sechster/18:16), 27:38 bei der TSG Haßloch (bis dahin Vorletzter). Vor allem hier lieferten die Ratinger eine in allen Belangen enttäuschende Leistung ab, für die das Fehlen der Rückraumkräfte Alexander Oelze, Robert Markotic und Luca Sackmann keine alleinige Erklärung sein konnte. Falls dem Aufsteiger gegen die HSG Rodgau Nieder-Roden (Fünfter/21:11) keine deutliche Steigerung gelingt, könnte die Lage danach noch angespannter sein und für die nächste Zeit jenen Druck erzeugen, auf die sie bei Interaktiv liebend gerne verzichten würden.

Einen ganz anderen Druck spürt die HSG Krefeld Niederrhein, die hinter den Ferndorfern jenen zweiten Platz hält, der am Ende ebenfalls die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga bringt – was das Minimalziel der Eagles für diese Saison ist. Dass die Mannschaft von Trainer Mark Schmetz die führender Ferndorfer noch abfängt, glaubt sie bei den Eagles vermutlich selbst nicht mehr. Daher geht es nun erst recht darum, die aktuelle Position vor Hanau, Saarlouis und Rodgau Nieder-Roden ins Ziel zu bringen – was als realistisch gelten darf. In den nächsten beiden Partien am Samstag gegen Haßloch und am 10. Februar gegen den TV Aldekerk gilt die HSG ohnehin als haushoher Favorit. Wie intensiv die Krefelder das Ziel 2. Bundesliga verfolgen, zeigen darüber hinaus zwei gerade erst vollzogene Nachverpflichtungen: Erst kam vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen in Martin Juzbasic ein starker Torhüter, kurz darauf konnte die HSG den in Krefeld aufgewachsenen Bastian Roscheck für sich gewinnen, der zuletzt bis zu einem Kreuzbandriss (Dezember 2022) für die TSV Hannover-Burgdorf und davor beim SC DHfK Leipzig in der 1. Bundesliga unterwegs war und besonders als exzellenter Abwehrspieler gilt. Der Markt der Möglichkeiten scheint – jedenfalls für Drittliga-Verhältnisse – mancherorts fast grenzenlos zu sein. Außerdem folgt daraus, dass im Derby zwischen Krefeld und Aldkerk in Kürze zwei ganz verschiedene Welten aufeinandertreffen. Ganz am Ende ergibt sich daraus, dass ein Klassenerhalt des TVA so viel wert ist wie ein Aufstieg der HSG. Mindestens. Bis mehr.