2. Bundesliga
Zwei Griffe ins Leere – und Dormagen wie ein Absteiger
TuSEM kann mit 21:25 gegen den Spitzenreiter Potsdam leben. Für den TSV Bayer ist das 26:30 beim bisherigen Vorletzten Vinnhorst richtig bitter.

Das kann alles nicht sein: Dormagens Trainer Matthias Flohr hatte sich von seiner Mannschaft und für seine Mannschaft mehr erhofft. (Foto: Thomas Ellmann)

Wer verliert schon gerne? Niemand. Trotzdem gibt es Niederlage, die den raschen Übergang zur Tagesordnung erlauben und manchmal lässt sich sogar etwas Positives daraus ziehen. So könnte es eigentlich bei TuSEM Essen sein, obwohl die Mannschaft von Trainer Michael Hegemann nun mit 21:25 verlor. Das Ergebnis ging trotzdem als hinnehmbar und ertragbar durch – obwohl Essen damals am 15. September 2023 in Potsdam mit 24:23 gewann, obwohl auch diesmal nach einem Dauer-Rückstand in der zweiten Halbzeit wenigstens für ein paar Augenblicke noch etwas Zählbares drin gewesen wäre. Essen, damals ein überraschender Sieger beim ein Jahr zuvor aufgestiegenen VfL, konnten sich nun mit zwei Teil-Aspekten trösten: Erstens sind sie die bislang letzte Mannschaft, gegen die Potsdam beide Punkte abgeben musste – und zweitens scheiterte sie nun am aktuellen Maß aller Dinge in der zweithöchsten Klasse. Auf dem Konto des Tabellenführers stehen nach 17 Spielen hintereinander ohne weitere Niederlage unglaublich gute 34:6 Punkte – was auf einen direkten Weg in die 1. Bundesliga schließen lässt, obwohl die Konkurrenten SG BBM Bietigheim (32:8) und ASV Hamm-Westfalen (31:9) noch nicht abgehängt sind. Ein Stück weiter unten findet sich TuSEM mit nun 17:23 Punkten auf Rang 13 im unteren Mittelfeld wieder und damit weit genug entfernt (noch) von der direkten Gefahrenzone, die aber direkt dahinter beginnt. Auf Platz 14 folgt dann der TSV Bayer Dormagen, der das Jahr 2024 mit einem Schuss in den Ofen begann. Das Team von Trainer Matthias Flohr ging leer aus, was für sich alleine noch nicht besonders tragisch war. Dormagen unterlag aber mit 26:30 beim bisherigen Vorletzten TuS Vinnhorst, was schon deutlich schwerwiegender war. Und dem TSV Bayer fehlte oft jene für den Abstiegskampf notwendige Leidenschaft, was an diesem Abend der bei Weitem größte Minuspunkt war. Die 13:27 Punkte sind außerdem auf Platz 14 ein eher dünnes Polster auf den Dessau-Roßlauer HV (ebenfalls 13:27/schlechteres Torverhältnis) und den TSV GWD Minden (11:29) und sie sorgen mit dem Blick auf die beiden Abstiegsränge ebenfalls nicht für viel Ruhe: Dort sind Vinnhorst (10:30) und der EHV Aue (8:30 nach 37:33 gegen die Eulen Ludwigshafen) zumindest ein Stück nähergekommen.

Dormagen wähnte sich nach einer aus Trainersicht ebenso intensiven wie überzeugenden Vorbereitung für die Aufgabe in Vinnhorst gut gerüstet – und konnte dann im Ernstfall wenig vom Erarbeiteten auf die Platte bringen. Einer der Gründe, der sich erkennbar über die 60 Minuten bemerkbar machte: Der TSV Bayer konnte das Fehlen des verletzten Ian Hüter, der nur als Offizieller A auf der Bank saß, zu keinem Zeitpunkt kompensieren, denn mit dem Spielmacher fehlten zugleich Ideen und Impulse – in der Summe einfach ein Kopf, der die Mannschaft entsprechend geführt hätte. So brachte das frühe 2:0 (2.) keine nachhaltige Ruhe und ab dem 3:4 (10.) mussten die Gäste immer hinterherrennen – was bis zum 7:7 (19.) auch gelang. Mit dem 8:11 (23.) und 9:13 (27.) drohte der Kontakt bereits abzureißen und genau das passierte dann am Anfang des zweiten Abschnitts, als aus dem 13:16 (32.) innerhalb von drei Minuten das 13:19 (35.) wurde. Beim 19:21 (40.) und später beim 23:25 (50.) schienen die Gäste noch einmal für eine Wende in Frage zu kommen, doch in der Summe wirkte Vinnhorst einfach entschlossener und stand dann spätestens mit dem 29:26 am Ende der 59. Minute als Sieger fest. Ebenfalls ein Faktor dafür, dass der TuS die Oberhand behielt: Sein Keeper Stefan Hanemann wurde in der  offiziellen HBL-Statistik mit 16 Paraden geführt, während Christian Ole Simonsen und Louis Oberosler zusammen nur auf fünf kamen.

Das hatte TSV-Trainer Flohr vor der ersten Partie im neuen Kalenderjahr festgestellt: „Wir haben den Fokus nicht auf der Tabelle, sondern immer auf den kommenden Gegner. Darauf konzentrieren wir uns vollkommen in der Trainingsarbeit und taktischen Vorbereitung unter der Woche.“ Vielleicht wäre es doch besser, den Blick ein bisschen ausdauernder aufs Zahlenwerk zu richten – was immerhin sehr unromantisch darlegt, wie ernst die Situation sportlich doch ist. Und das sagte Flohr nach der Enttäuschung von Vinnhorst: „Das war heute zu wenig, um hier zu gewinnen. Der TuS war ausgebuffter und galliger und hat verdient gewonnen. Wir haben es nicht geschafft, gegen die harte Abwehr richtig dagegenzuhalten und Lösungen gegen die 5:1-Formation zu finden. Wenn wir mal eine Lösung hatten, haben wir die Chancen nicht genutzt und sind am Torwart gescheitert.“ In erster Linie die Feststellung, der Gegner sei galliger gewesen, ist eine Art Armutszeugnis für die Dormagener, die in Vinnhorst wie ein Absteiger wirkten, den entstandenen Schaden aber immerhin bald reparieren können – und sogar müssen. Nach der Partie am kommenden Freitag gegen den HSC 2000 Coburg (Sechster/23:17) kommen zwei Partien, die im unteren Drittel einiges entscheiden können. Erst geht es am 25. Februar zum EHV Aue und anschließend am 1. März gegen den Dessau-Roßlauer HV. Daraus folgt, dass Dormagen nichts anderes als ein Kehrtwendung um 180 Grad braucht, um die Dinge wieder in eine andere Richtung zu bewegen.

Von einer ähnlichen Notlage sind die Essener immer noch weit entfernt, obwohl der Trend gerade auch nicht unbedingt Euphorie auslöst im Ruhrgebiet. TuSEM, einst gestartet mit 10:6 Zählern und ein Teil des oberen Drittels, verzeichnete anschließend aus zwölf Einsätzen nur 7:17 Punkte und ging dabei zuletzt drei Mal in Folge leer aus – unter anderem mit dem 32:34 vom zweiten Weihnachtstag 2023 in Dormagen. Vorher hatte Hegemanns Team mit 26:31 gegen den Dritten ASV Hamm-Westfalen verloren, aber auch in drei weiteren Heimspielen mit dem 30:34  gegen die Eulen Ludwigshafen (Elfter/18:22), dem 21:18 gegen den VfL Eintracht Hagen (Fünfter/24:16) und dem 31:19 gegen den VfL Lübeck-Schwartau (Zehnter/19:21) wertvolle Siege für ausreichend Sicherheit eingefahren. Am 18. Februar gegen den HC Elbflorenz Dresden (Siebter/20:20) und am 25. Februar gegen den TuS N-Lübbecke (Vierter/27:13) warten zwei Kontrahenten aus der oberen Tabellenhälfte, ehe gleich drei Duelle mit durchaus nicht wenig gefährdeten Klubs folgen – am 1. März gegen den TSV GWD Minden (Rang 16/11:29), am 10. März beim EHV Aue und am 23. März gegen Dessau-Roßlau. Die Essener dürften vor allen Dingen aus eigenem Interesse spätestens dann (am liebsten vorher) wieder ein Guthaben auf ihr Konto überweisen wollen. Und in Dormagen hätte sie definitiv ebenfalls nichts dagegen.

Dass es gegen Potsdam nicht zu Zählbarem reichen würde, ließ sich bis zum 6:5 (9.) für die Hausherren kaum erkennen. Nach dem 8:9-Rückstand (15.) blieben die Hausherren dann aber für fünf Minuten ohne eigenen Treffer – und die Flaute dauerte sechseinhalb Minuten, ehe Max Neuhaus nach vier VfL-Toren auf 9:13 (22.) verkürzen konnte. Essen schaffte nach dem 12:17 (30.) am Ende der ersten Halbzeit mit dem 15:17 (36.) wieder mehr Anschluss, ehe die Partie nach dem 16:19 (38.) durch den von Nils Homscheid verwandelten Siebenmeter in ihre seltsamste Phase eintrat: Beide Seiten verabschiedeten sich für achteinhalb Minuten komplett – indem sie auf jedes eigene Tor trotz vorhandener Chancen verzichteten – auch die Hausherren, die hier vielleicht noch einmal hätten herankommen können. Die allgemeine Enthaltsamkeit durchbrach dann auf der anderen Seite Moritz Sauter mit dem 2016 (46.) für Potsdam, das in der Folge selbst nach dem Essener 21:23 (56.) nicht mehr ernsthaft in Gefahr geriet: Max Beneke mit dem 24:21 (59.) und Josip Simic (60.) mit dem 25:21 (60.) besiegelte den VfL-Erfolg. TuSEM-Trainer Hegemann reagierte auf das ausgebliebene Happy End mit einer Mischung aus Enttäuschung und Gelassenheit: „In der zweiten Halbzeit haben wir uns zurück ins Spiel gekämpft, aber leider den Moment verpasst, das Spiel kippen zu lassen. Potsdam war letzten Endes die abgeklärtere Mannschaft und geht als verdienter Sieger vom Platz.“

 

TuSEM Essen – VfL Potsdam 21:25 (12:17).

TuSEM Essen: Fuchs (1), Diedrich – Wolfram (3), Wilhelm (4), Homscheid (3/2), Asmussen, Szczesny (2), Seidel, Klingler, Neuhaus (4), Elsässer, Kostuj (1), Rose, Mast (2), Werschkull, Schoss (1).

 

TuS Vinnhorst – TSV Bayer Dormagen 30:26 (15:12).

TSV Bayer Dormagen: Oberosler, Simonsen – Reuland (2), Senden (1), Leis, Rehfus (2), Reimer (6/1), Böckenholt, Schroven (5), Strosack, P. Hüter, Träger, J.-Chr. Schmidt, Steinhaus (8), Sondermann (2).