Regionalliga Nordrhein
Die „Störenfriede“: Dormagen und Bonn im Gipfeltreffen
TSV Bayer II erwartet als Überraschungszweiter den Überraschungs-Ersten. Ab Platz zwölf rappelt es im Kampf gegen den Abstieg.

Wie machen wir es? Dormagen und sein Trainer Martin Berger haben personell schon vor dem Spitzenspiel gegen Bonn einiges zu entscheiden. (Foto: Michael Jäger)

Das Beste soll ja manchmal erst zum Schluss kommen. Und falls als Bewertungsgrundlage dafür wirklich die Positionen in der Tabelle gelten, ist das jetzt auch so. Gleichzeitig geht nicht mehr Spitzenspiel, gleichzeitig sind die Teilnehmer daran zwei Überraschungs-Mannschaften – die in der laufenden Saison gerade den mit deutlich höheren Zielen angetreten Konkurrenten den Rang abgelaufen haben. Dass die TSV Bonn rrh. (24:10 Punkte) die Tabelle anführt, ist dabei ebenso spektakulär wie der zweite Platz des TSV Bayer Dormagen II (23:11), der ebenfalls noch vor der HG Remscheid (22:12), dem TV Korschenbroich (21:13) und dem HC Weiden (21:13) liegt. Klar sind zwei Dinge: Der Ausgang des Gipfeltreffens, das am Sonntagabend den 18. Spieltag vollendet, lässt sich kaum vorhersagen – und einer von beiden wird auf jeden Fall die Spitzenposition behalten beziehungsweise übernehmen: Den Bonnern genügt ein Unentschieden, um vorne zu bleiben, der TSV Bayer klettert bei einem Sieg nach ganz oben. Vielleicht wird es so knapp wie in der Hinrunde, als die TSV am 23. September 2023 mit 32:31 die Oberhand behielt und dadurch nach fünf Auftaktsiegen bei makellosen 10:0 Zählern angekommen war. Auch Dormagens Zweite konnte seinerzeit mit 6:4 Zählern ganz gut leben und sie ist in den Wochen und Monaten danach immer besser in der Regionalliga angekommen.

Was beide ganz offensichtlich miteinander verbindet: Sie sind Serientäter aus Leidenschaft, sie haben Spaß daran, die Favoriten zu ärgern. Die mit jenen fünf Erfolgen gestarteten Bonner verloren anschließend fünf Mal, ehe sie inzwischen bei sieben Siegen hintereinander angekommen sind. Die bislang letzte Niederlage fürs Team von Trainer Frank Berblinger stammt vom 18. November 2023 (28:32 beim HC Gelpe/Strombach) und ist damit rund drei Monate alt. Auch die Dormagener zogen zuletzt am 18. November den Kürzeren (34:36 beim HC Weiden), ehe sie sich sechs Mal in Folge beide Zähler sicherten – darunter besonders wertvolle gegen Remscheid (37:24) und in Korschenbroich (35:34). Zusätzlichen Reiz gewinnt das Duell an der Spitze durch einen Blick in die Zukunft – weil beide Trainer ihre aktuellen Klubs am Ende der Saison verlassen. Durchaus brisant für Bonns Frank Berblinger: Er wechselt als Nachfolger von Dirk Wolf zum TV Korschenbroich, der als einziger Regionalligist offensiv den Aufstieg als Ziel ausgegeben hat. Unter Umständen verhindert Berblinger also vielleicht selbst, dass er 2024/2025 bei einem Drittligisten auf der Bank sitzt. Durchaus brisant für Dormagens Martin Berger: Er „darf“ den TSV Bayer in einer paar Monaten verlassen, weil der klamme Verein beschlossen hat, sich personell neu zu orientieren. Unter Umständen übergibt Berger, erst in der vergangenen Serie mit der jungen Mannschaft aus der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen, den Verantwortlichen in knapp drei Monaten ein Meisterteam. Das wäre schon spannend genug – und noch spannender wäre es, sollte Dormagens gefährdete Erste parallel dazu den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga verfehlen.

Was die Bayer-Zweite als Zusatz-Belastung mit ins Spitzenspiel nimmt, ist die nicht zum ersten Mal auftretende Tatsache, dass sich ihre Spieler eben nicht an zwei Orten gleichzeitig aufhalten können. Die A-Jugend, die gleichzeitig keinen kleinen Teil des Regionalliga-Aufgebots stellt, tritt am Sonntagmittag um 14 Uhr in der Bundesliga-Meisterrunde beim SC Magdeburg an – eine Terminkollision, die sich nicht beheben lässt. Die Überlegungen, wer genau aus Spieler-Aufgebot und Trainerteam wann und wo zum Einsatz kommt, laufen dabei noch. „Wir müssen unseren Kader aufteilen und wir sind in beiden Teams ein bisschen ersatzgeschwächt. Wir versuchen aber natürlich, das Beste herauszuholen“, sagt TSV-Trainer Martin Berger, der auch für die A-Jugend verantwortlich ist und tendenziell eher die Fahrt nach Sachsen-Anhalt mitmachen wird. Auf das Duell mit der TSV freut sich Dormagen allgemein trotzdem: „Wir haben ja schon aus dem Hinspiel gesehen, dass Bonn eine sehr starke Mannschaft hat, die gerade sehr gut performt und dementsprechend verdient auf Platz eins steht. Wir haben einfach Bock drauf, hier zu Hause gegen Bonn ein Spitzenspiel zu haben.“ Sollte jenes Duell vom 23. September 2023 als Maßstab gelten, scheint dabei alles möglich zu sein.

Hinter den beiden Top-Mannschaften sind die Verfolger momentan vor allen Dingen auf der Suche nach sich selbst. Der Dritte Remscheid, der Ende Januar mit 32:31 in Korschenbroich gewonnen hatte, muss zunächst die ernüchternde 31:35-Heimniederlage gegen TuSEM Essen II (Sechster/18:16) verarbeiten – und er bekommt dazu die Gelegenheit im Spiel beim MTV Rheinwacht Dinslaken (Elfter/14:20), der allerdings zum für alle Gäste ungewohnten Anwurfzeitpunkt am Sonntag um 11.15 Uhr ein extrem unangenehmer Gegner sein kann. Das bekamen zuletzt selbst die Korschenbroicher zu spüren, die in Dinslaken durch den Treffer von Max Eugler auf den letzten Drücker erst zum 30:29 kamen und insgesamt mit sehr viel Mühe das vorzeitige Aus im Kampf um die Meisterschaft verhinderten. Ein Selbstläufer wird vermutlich auch die Aufgabe des TVK gegen den OSC Rheinhausen nicht (Neunter/15:17), doch vor einer noch anspruchsvolleren Aufgabe steht der Fünfte Weiden. Das jüngste 26:25 beim HC Gelpe/Strombach (Siebter/18:16) beendete zwar den negativen Lauf von drei Niederlage in Folge – was aber für die bevorstehende Partie wenig bis nichts sagt: Es ist schließlich Derbyzeit und der BTB Aachen (Achter/18:16) kommt nach Würselen in die Halle Parkstraße. Und nach zwei Siegen hintereinander bringen die Aachener vermutlich erst recht den dringenden Wunsch mit, es diesmal deutlich besser zu machen als beim 23:32 aus der Hinrunde.

Hinter einem breiten Mittelfeld, das beim Sechsten Essen II beginnt und bis hinunter zu Dinslaken reicht und dort selbst mit Platz elf relativ viel Sicherheit bietet, hat längst ein Hauen und Stechen darum begonnen, wer ebenfalls das rettende Ufer erreicht. Besonders bedrückend ist dabei nach 3:19 Punkten aus den vergangenen elf Spielen ohne Sieg und mit einigen unglücklich erlittenen Niederlagen die Lage für den Bergischen HC II (9:25), der diesmal nur zusehen kann, was die Keller-Konkurrenz auf die Beine stellt: Die eigentlich für dieses Wochenende vorgesehene Aufgabe gegen TuSEM Essen II wurde verschoben und geht mit Verspätung am 21. Februar über die Bühne. Daraus folgt, dass die Mannschaft um Trainer Mirko Bernau im für sie ungünstigsten Fall auf den letzten Platz abrutschen kann – falls Schlusslicht SG Langenfeld (8:26) nach seinem 25:24 im Kellerduell beim Drittletzten Borussia Mönchengladbach (10:24) erneut zwei Punkte einfahren sollte. Das wird gegen den Siebten HC Gelpe/Strombach zwar schwierig, liegt aber nicht im Bereich des völlig Unmöglichen. Die Borussia ihrerseits steht bei der HSG Refrath/Hand (Zehnter/15:17) gleichfalls vor einer besonderen Herausforderung – weil sie zunächst beweisen muss, ob sie über die Karnevalspause die Pleite gegen Langenfeld verdauen konnte. Zwei Puzzleteile sind am Ende bei den drei heißesten Abstiegskandidaten absolut identisch: Alle drei bekommen es im letzten Drittel der Saison noch mit den ersten vier zu tun – und alle drei dürften besonders dem TV Aldekerk die Daumen drücken. Sollte Aldekerk die 3. Liga halten, gibt es schließlich nur einen Absteiger aus der Regionalliga. Bleibt Aldekerk (zurzeit Letzter) dagegen unter dem Strich, müssen zwei Klubs die Regionalliga verlassen. Theoretisch könnte es sogar noch bitterer werden (drei Absteiger), falls Interaktiv.Handball in der 3. Liga nach sechs Niederlagen in Folge nicht bald einen Fallschirm findet, der den sonst vielleicht harten Aufprall abfedert.