1. Bundesliga
Gummersbach im Glück – und der BHC am Abgrund
VfL festigt mit 33:29 gegen Leipzig seinen Platz in der oberen Hälfte. Bergischer HC hat nach 26:31 in Melsungen fast keine Luft mehr nach unten.

Wir schaffen das! Trainer Jamal Naji traut seiner Mannschaft natürlich zu, den Keller der Tabelle wieder zu verlassen. Im Vergleich zur vergangenen Saison fehlt dem BHC aber ein ganzes Stück, um das Soll zu erreichen. Damals stand das eigene Konto nach 21 Spielen bei 18:24 Punkten, heute sind es 13:29 Zähler. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Die Frage: Was wird aus dem Bergischen HC? Die Antwort: Falls es nach dem aktuellen Trend geht, demnächst ein Mitglied der 2. Bundesliga. Die Kurve stimmt seit dem 10. Dezember 2023 nicht mehr, als die immer wieder von personellen Problemen verschiedenster Art geplagte Mannschaft von Trainer Jamal Naji mit dem 33:28 über den TVB Stuttgart (Platz 13/16:28 Punkte) zum bisher letzten Mal gewann. Anschließend gab es noch im alten Jahr das 28:37 bei der TSV Hannover-Burgdorf (Sechster/23:19) und ein 28:31 bei FrischAuf Göppingen (Achter/19:25), ehe das neue Jahr mit dem 25:29 gegen den Rekordmeister THW Kiel (Vierter/30:12) und jetzt mit dem 26:31 bei der MT Melsungen begann (Fünfter/29:13). Was die Solinger als positiv für sich aus den beiden jüngsten Niederlagen mitnahmen: Sie hielten gegen deutlich besser platzierte Konkurrenten jeweils lange auf Augenhöhe mit. Das sah auch Naji hinterher als Mutmacher: „Wir müssen die 50 guten Minuten jetzt mitnehmen und die in die nächsten Spiele transportieren.“ Das dürfte zwar auf der einen Seite bitter nötig sein, bringt aber für sich alleine genommen keine Entspannung der Lage – die inzwischen fast dramatisch geworden ist. Als Drittletzter hält sich der BHC mit 13:29 Punkten soeben auf einem Nicht-Abstiegsplatz, aber der Vorletzte ThSV Eisenach (13:31) und das Schlusslicht HBW Balingen-Weilstetten (11:31) sind nur noch ein paar Zentimeter weit weg. Eisenach ist vor allem durch zwei Siege kurz vor Weihnachten herangekommen und Balingen 2024 ungeschlagen – 30:29 gegen Göppingen, 21:16 bei der HSG Wetzlar (Neunter/19:25). Daraus folgt: Der Bergische HC steht bereits am Samstag gegen Hannover besonders unter Druck, weil sonst zumindest Balingen-Weilstetten durch einen Sieg bei den im Krisenmodus durch die Liga taumelnden Rhein-Neckar Löwen (Zehnter/18:24) weiter aufrücken könnte. Gleichzeitig gehen alle davon aus, dass Eisenach beim THW Kiel nichts Zählbares holt und in der Summe ergibt sich daraus nicht zuletzt das: Im Kampf gegen den Abstieg ist der BHC inzwischen fast auf den Blick zu den anderen angwiesen.

In Melsungen erwischte der Außenseiter mit dem 9:4 (15.) und 10:5 (16.) den viel besseren Start. Die letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit gehörten kurz darauf aber Melsungen, das aus dem 8:12 (21.) ein 14:14 (29.) machte und damit den Grundstein legte für einen zweiten Durchgang auf Augenhöhe – 16:16 (35.), 18:18 (39.), 20:20 (44.), 22:22 (49.), 23:23 (50.). Sieben Minuten später war der Traum des BHC, zumindest einen Teil-Erfolg zu erzielen, allerdings vorbei – 23:29 (57.). „Dieser 0:6-Lauf killt uns“, fand Naji, der beim Blick in die HBL-Statistik zugleich feststellen musste, dass Melsungen auch das Torhüterduell klar für sich entschied: Nebojsa Simic kam auf zehn Paraden und erreichte damit nicht mal eine überwältigende Quote von 27,78 Prozent an gehaltenen Würfen. Beim BHC waren Christopher Rudeck mit fünf Paraden und 17,24 Prozent sowie Peter Johannesson mit einer Parade und 12,5 Prozent selbst davon meilenweit entfernt.

Erkennbar mehr Sicherheit als im Bergischen ist zurzeit im Oberbergischen beim VfL Gummersbach zu Hause, der das neue Jahr ja mit zwei Niederlagen begonnen hatte – 29:31 in der Bundesliga beim Spitzenreiter Füchse Berlin (38:4), 29:32 in der Meisterschaft in Hannover. Anschließend arbeitete sich der VfL in Eisenach nicht zuletzt dank des überragenden Torhüters Daniel Rebmann (elf Paraden/44 Prozent) zum 26:24-Sieg, ehe sie es am Montagabend gegen den SC DHfK Leipzig (Rang 14/15:25) wirklich auf die Spitze trieben: Kapitän Julian Köster traf nach einer wie aus dem Nichts wieder spannend gewordenen Partie spät zum 30:29 und setzte hier den gefeierten Schlusspunkt hinter eine bisweilen abenteuerlich aussehende Berg- und Talfahrt – weil der SC mit seinem letzten Angriff keinen Erfolg mehr hatte. Vor der Pause war Gummersbach bis zum 8:11 (15.) deutlich hinterhergerannt, ehe es übers 12:12 (20.) mit dem 14:13 (23.) wieder vorne lag und in der zweiten Halbzeit bis zum 19:20 (38.) doch regelmäßig wieder in Rückstand geriet. Der 3:0-Lauf zum 22:20 (41.) war der erste Wendepunkt und jener vom 22:21 (42.) zum 25:21 (45.) ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung – dachten die Gummersbacher auch noch beim 27:22 (50.). Leipzig verlürzte jedoch auf 24:27 (52.), gab in der Folge weder nach dem 25:28 (56.) noch nach dem 26:29 (57.) auf und wurde dafür sechs Sekunden vor dem Ende mit dem 29:29-Ausgleich belohnt. Direkt darauf entdeckte der VfL wohl in einer letzten Auszeit das richtige Mittel für sich und jenes 30:29 von Julian Köster sorgte in der Schwalbe-Arena für reines Glück. Dass die Hausherren beide Punkte behalten konnten, lag im Übrigen nicht nur an Köster, der mit sieben Toren an diesem Abend der erfolgreichste Gmmersbacher war – direkt vor Arnor Oskarsson. Der erst kürzlich auf Leihbasis von den Rhein-Neckar Löwen geholte Linkshänder steuerte bei seinem Debüt viel Schwung und sechs Treffer bei.

Beim Blick auf den gesamten Stand der Dinge können Team und Trainer Gudjon Valur Sigurdsson ebenfalls zufrieden sein, denn das Konto steht jetzt mit 22:2o Zählern wieder im Positiven und der siebte Platz mit einem geringen Rückstand auf den Sechsten Hannover (23:19) spricht aktuell sehr dafür, dass Gummersbach die Saison in der oberen Hälfte zu Ende bringen wird – zumal dahinter Göppingen und Wetzlar (beide 19:25) bereits mit negativen Bilanzen ausgestattet sind. Gleichzeitig hat der VfL im zweiten Jahr nach der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse die Gelegenheit, seine Werte aus dem ersten Jahr zu übertreffen: Damals sprang am Ende der zehnte Platz mit 33:35 Zählern und 1036:1038 Toren aus 34 Spielen heraus. Nun müsste Gummersbach aus den restlichen 13 Partien in der laufenden Serie „nur“ 11:15 Punkte erreichen, um auf das vorherige Niveau zu kommen. Ob das funktioniert oder ob sogar mehr draus wird, können sie im Oberbergischen vielleicht nach den nächsten drei Wochen präziser erkennen. Bereits die Aufgabe am Freitag beim TBV Lemgo (Zwölfter/17:27) muss als anspruchsvoll gelten und noch mehr jene am 2. März gegen den SC Magdeburg (Zweiter/36:6). Und das Duell am 10. März beim gefährdeten Nachbarn Bergischer HC hat es auf andere Art ebenfalls in sich. Mit vielen Geschenken dürfen die Gummersbacher allerdings nicht rechnen und auf die Spitze sollten sie es auch nicht zu häufig treiben.

 

MT Melsungen – Bergischer HC 31:26 (14:14).

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (1/1), Persson, Nothdurft (2), Krecic (2), M’Bengue (1), Ladefoged (4), Andersen (1), Fraatz (3), Babak, Arnesson (3/2), Morante Maldonado (5), Stutzke (4). 

 

VfL Gummersbach – SC DHfK Leipzig 30:29 (15:15). 

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson (1), Kodrin, Vujovic (4/2), Köster (7), Blohme (1), Oskarsson (6), Häseler, Schluroff (1), Tskhovrebadze, Mappes (5), Pregler (1), Horzen (2), Kiesler (2), Zeman.