2. Bundesliga
Stiller Alarm in Essen, Großalarm in Dormagen
TuSEM hat nach 31:34 gegen Dresden nur noch ein kleines Polster auf die heiße Gefahrenzone - und TSV Bayer nach 25:33 gegen Coburg gar keins mehr.

Quo vadis, Dormagen? Spielmacher Ian Hüter, der nach dieser Saison zum ASV Hamm-Westfalen wechselt, würde am liebsten alles zeigen, was in ihm steckt, um den TSV Bayer auf den richtigen Weg zum Klassenerhalt zu führen. Zuletzt hatte Hüter in Vinnhorst und gegen Coburg verletzt gefehlt – und Dormagen auch deshalb verloren. (Foto: Thomas Schmidt)

So richtig gut geht es keinem von beiden und im Ruhrgebiet werden sie bei TuSEM Essen heilfroh darüber sein, dass sie schon 17 Punkte auf dem Konto haben – alle gesammelt im Jahr 2023, das die Mannschaft von Trainer Michael Hegemann allerdings doch so beendete, wie sie anschließend das neue Jahr 2024 begann: Es gab jeweils zwei Niederlagen. Das 26:31 vom vom 22. Dezember gegen den Dritten ASV Hamm-Westfalen konnten die Essener noch ganz gut hinnehmen, weil es im Duell mit einem Aufstiegskandidaten passierte. Dass es kürzlich mit dem 21:25 gegen den Spitzenreiter VfL Potsdam (Erster/36:6) und jetzt mit dem 31:34 gegen den HC Elbflorenz Dresden (Siebter/22:20) zwei weitere Heimniederlagen gab, gehörte ebenfalls nicht in den Bereich Katastrophe, schmerzte allerdings ungeachtet schwieriger Konkurrenz erheblich – weil Essen nun wieder drei Mal hintereinander in eigener Halle leer ausging. Zwischendurch hatte sich Hegemanns Team den Jahres-Abschluss 2023 am zweiten Weihnachtsfeiertag mit dem 32:34 beim TSV Bayer Dormagen etwas anders vorgestellt: Letztlich war auf der anderen Seite genau das jenes Ergebnis, das die Dormagener im Kampf um den Klassenerhalt weiter ein Stück über dem Strich hält/gehalten hat. Wie lange das so bleibt, könnten in Kürze jene sechs Tage entscheiden, in denen es der TSV Bayer mit direkter Konkurrenz aus dem Keller zu tun bekommt. Und obwohl Trainer Matthias Flohr oft betont, sich nicht besonders intensiv mit der aktuellen Tabelle zu beschäftigen, lässt sich kaum leugnen, dass sein Team auf eine Woche der Wahrheit zugeht. Bei einem optimalen Verlauf sind die Dormagener vielleicht vorerst aus dem Gröbsten raus, im umgekehrten Fall beginnt das Feuer da unten erst richtig zu lodern.

Die sehr viel größere Gefahr beginnt eben bei Flohrs Mannschaft, die bei 13:29 Punkten auf dem 14. Platz geführt wird – und damit wie der Dessau-Roßlauer HV (ebenfalls 13:29) und der TuS Vinnhorst (12:30) zurzeit am rettenden Ufer liegt. Unter dem Strich zu finden sind bei zwei zu suchenden Absteigern aktuell der TSV GWD Minden (11:31) und der EHV Eue (8:32). Ob Flohr, der nach dieser Saison als Chefcoach zum aktuellen Bundesliga-Letzten HBW Balingen-Weilstetten wechselt, seinem Nachfolger Julian Bauer (derzeit noch für die A-Jugend des SC Magdeburg zuständig) einen Zweitligisten übergeben kann, hängt mittlerweile durchaus an einem seidenen Faden – aus dem der TSV nachvollziehbar so rasch wie möglich einen etwas festeren Zwirn herstellen will. Die erste Gelegenheit dazu bietet sich am kommenden Sonntag beim Schlusslicht in Aue, das kurz vor Weihnachten und kurz danach wieder den Anschluss an die Konkurrenz herzustellen wusste – 34:31 gegen die HSG Nordhorn-Lingen, 37:33 gegen die Eulen Ludwigshafen. Ein Sieg ist für Dormagen trotz nicht geringer personeller Sorgen Pflicht, um nicht endgülig in den besonders gefährlichen Strudel zu rutschen und dort festzuhängen. Viel weniger Druck hat der TSV Bayer danach auch nicht am 1. März gegen Dessau-Roßlau, das ebenfalls zwei seiner letzten vier Spiele gewinnen konnte (33:27 gegen TV Großwallstadt, 36:26 gegen HSG Nordhorn-Lingen). Viel, wenn nicht alles, wird bei den Dormagenern davon anhängen, wie sich die personelle Lage darstellt. Zuletzt beim 25:33 gegen den HSC Coburg (Sechster/25:17) hatte sich besonder das Fehlen von Spielmacher Ian Hüter (Muskelfaserriss) entscheidend ausgewirkt. Dann erwischte es kurz vor der Pause Kreisläufer Ian Hüter (Platzwunde) und in der Mitte der zweiten Halbzeit noch heftiger Linksaußen Joshua Reuland (Knie).

Der Sieg der Coburger im Bayer-Sportcenter ging alleine deshalb in Ordnung, weil sie über die 60 Minuten kein einziges Mal in Rückstand gerieten. Mit dem 3:3 (7.) und 4:4 (8.) gelang Dormagen zweimal der Ausgleich, ehe der physisch wie psychisch robuster wirkende HSC das Kommando klarer übernahm – 9:5 (15.), 12:8 (19.), 16:11 (30.). Was zunächst für Flohrs Team sprach: Es arbeitete sich nach der Pause durch vier Treffer in Folge auf 15:16 (35.) heran und hielt zunächst den Kontakt – 20:21 (42.). Selbst nach dem 21:26 (51.) etwas später konnte Dormagen durch drei Tore innerhalb von nicht mal einer Minute mit dem 24:26 (53.) neue Hoffnung schöpfen, doch Coburg fand im Anschluss an eine Auszeit (53.) mit dem 27:24 (53.), 28:24 (55.) und 29:24 (56.) drei für den Erfolg entscheidende Lösungen. Der Bayer-Versuch, auf der Zielgeraden durch eine offene Deckung noch etwas zu bewegen, erwies sich anschließend als untaugliches Mittel: Die Gäste nutzte nahezu jede der sich zwangsläufig ergebenden Lücken zu einem Treffer und schraubten das Ergebnis vom 29:25 (56.) zum 33:25 (60.). Flohrs dringendster Wunsch zunächst für die Aufgabe Aue: „Ich hoffe, dass dann einige Spieler wieder zur Verfügung stehen.“

Essen steht in den nächsten vier Wochen ebenfalls vor wegweisenden Aufgaben und die erste Hürde wartet am Samstag beim TuS N-Lübbecke (Vierter/27:15), der zwar grundsätzlich als Favorit gelten müsste – aber jetzt mit 32:34 bei den Eulen Ludwigshafen (Zehnter/20:22) verlor und dadurch wohl endgültig aus dem Kreis der Titelkandidaten ausgeschieden ist. Noch deutlich wichtiger sind für TuSEM allerdings die drei Aufgaben danach – am 1. März gegen Minden, am 10. März in Aue und am 23. März gegen Dessau-Roßlau. Bei entsprechenden Leistungen/Ergebnissen kann sich Hegemanns Team aus allem verabschieden, was irgendwie nach Abstiegskampf aussieht. Der aktuelle Platz 13 (17:25) gibt jedenfalls 13 Runden vor dem Ende der Saison eher eine Art Schein-Sicherheit. Hegemann fasste es nach der Niederlage gegeen Dresden so zusammen: „Man merkt, dass die Leichtigkeit aktuell nicht so da ist. Die bekommst du nur über Erfolgserlebnisse und Siege und deswegen müssen wir schauen, dass wir da schnell wieder in die Spur kommen.“ In jener Spur schien sich Essen im Duell mit dem HC Elbflorenz mit dem 14:12 (29.) am Ende der ersten Halbzeit durchaus zu bewegen, ehe die Gäste aus Sachsen den Spieß zur eigenen Führung umdrehten – 14:13 (31.), 15:14 (33.).

Nach dem 18:19 (41.) verloren die Hausherren dann innerhalb von weniger als vier  Minuten durch fünf Gegentreffer in Folge zum 18:24 (45.) den Anschluss und sie konnten sich davon trotz einer Menge an Einsatz nicht mehr richtig erholen. Für Dresden war spätestens das 32:29 (59.) von Julius Dierberg die Entscheidung. „Wir fressen in der zweiten Halbzeit 22 Gegentore“, fand Hegemann, „das ist einfach viel zu viel. Da haben wir die Abwehr nicht mehr stabil bekommen, wobei sie eigentlich die Basis für ein gutes Ergebnis für uns ist.“ Das bestätigt die offizielle Statistik, nach der die TuSEM-Deckung mit 554 Gegentreffern aus 21 Spielen die zweitbeste hinter der des  Tabellenführers Potsdam ist (551). Demgegenüber ist der Essener Angriff trotz der 31 Treffer gegen Dresden mit seinen nur 544 Toren das Schlusslicht in der 2. Bundesliga. Weniger (549) hat bei gleichzeitig einem Spiel weniger bloß der Letzte Aue auf dem Konto.

 

TSV Bayer Dormagen – HSC Coburg 25:33 (12:16). 

TSV Bayer Dormagen: Oberosler, Simonsen – Reuland (2), Kaysen, Senden (2), Leis, M. Schmidt, Reimer (3), Böckenholt (1), Schroven (3), Strosack (1), P. Hüter (3), Träger, J.-Chr. Schmidt, Steinhaus (6), Sondermann (4). 

 

TuSEM Essen – HC Elbflorenz Dresden 31:34 (14:12). 

TuSEM Essen:  Fuchs, Diedrich – Ellwanger, Wolfram (1), Wilhelm (4), Homscheid (9/4), Asmussen, Szczesny (5), Seidel, Klingler (1), Neuhaus, Rose, Mast (2), Werschkull, Schoss (9).