27. Februar 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Mancher sagt ja, dass es keine Vier-Punkte-Spiele gibt. Das ist, im System gedacht, richtig – weil ja in allen Handball-Klassen nur jeweils zwei Zähler pro Partie vergeben werden. Andererseits ist mathematisch nachweisbar, dass ein Sieg hin und wieder doch in bestimmten wichtige Situationen vier Punkte wert sein kann. Das beste Beispiel ist in diesem Fall der um den Klassenerhalt kämpfende TSV Bayer Dormagen, der vor der Partie beim Letzten EHV Aue mit der 26:30-Niederlage beim TuS Vinnhorst (Platz 16/12:32) und dem folgenden 25:33 gegen den HSC Coburg (Platz sechs/25:19) einen Fehlstart ins neue Jahr hingelegt hatte. Erstens: Dormagen hat die für den weiteren Saisonverlauf enorm wichtige Prüfung in Aue sehr gut bestanden, jetzt 15:29 Punkte auf dem Konto und damit sieben Zähler zwischen sich und das Schlusslicht gelegt (8:34). Demnach sieht es ganz danach aus, dass der TSV Bayer wenigstens einen Konkurrenten im letzten Drittel fast abgehängt hat. Zweitens: Bei einer Niederlage wäre die Lücke nach ganz unten nur noch drei Zähler klein gewesen (13:31 gegen 10:32) und sieben minus drei ergibt eben vier. Das wissen sie in Dormagen besonders zu schätzen, obwohl von richtiger Sicherheit noch keine Rede sein kann: Aber wie der Dessau-Roßlauer HV (15:29) und Vinnhorst (12:32) steht das Team von Trainer Matthias Flohr immerhin über dem Strich – anders als der fast auf direktem Weg in die 3. Liga taumelnde Erstliga-Absteiger TSV GWD Minden (11:33). Dessen fortwährender Schwäche-Zustand (sieben Niederlagen hintereinander) könnte im Übrigen tatsächlich dazu beitragen, dass der ganze Rest der Serie für alle anderen im Keller bisschen einfacher wird – worauf sich allerdings keiner verlassen wird. Deshalb strebt Dormagen am Freitagabend im Heimspiel gegen den lediglich im Torverhältnis etwas schlechteren Dessau-Roßlauer HV (minus 33/minus 39) den zweiten Sieg in Folge an – im nächsten Vier-Punkte-Spiel mit durchaus größerer Bedeutung.
In Aue lag der TSV Bayer bis zum 7:8 (15.) in der Regel hinten und ab dem 9:8 (16.) oft vorne. Als 95 Sekunde vor dem Ende der ersten Halbzeit beim 15:15 (29.) alles offen war, leistete sich der EHV ein paar Fehler – und die Gäste nutzten die Gelegenheit für drei schnelle Treffer zum 18:15 (30.). Mit dem 19:15 (32.) durch Finn Schroven gab es dann kurz nach der Pause ein Vier-Tore-Polster und enger wurde es jetzt auch nicht mehr. Übers 23:19 (42.) setzte sich Dormagen sogar auf 26:19 (46.) ab und hatte die Sache ab jetzt fest unter Kontrolle. Dass der Abstand so deutlich blieb, hatte unter anderem viel mit der starken Leistung von Torhüter Christian Ole Simonsen zu tun, der auf zwölf Paraden und eine Quote an gehaltenen Würfen von genau 40 Prozent kam. Trainer Flohr war in der Summe mehr als nur einfach zufrieden: „Ich bin sehr stolz auf die Truppe, die mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung die Auer Festung geknackt hat. Das Team hat immer Ruhe ausgestrahlt und ist jederzeit positiv geblieben. Ein Sonderlob möchte ich Jan Reimer aussprechen, der lange nicht mehr von Beginn an gespielt hat und sofort voll da war. Wir müssen weiterkämpfen, Handball spielen und weiter punkten.“
Eine große Last fiel jetzt auch vom TuSEM Essen ab, das vor der Partie beim TuS N-Lübbecke (Fünfter/27:17) vier Mal hintereinander verloren hatte, so aus dem sicheren Mittelfeld bis an den Rand der Gefahrenzone abgerutscht war und jetzt unbedingt als Außenseiter gelten musste. Auf der Platte sah das jedoch alles ein bisschen anders aus, weil der TuS einerseits keinen Zugriff bekam und andererseits vor allem in der entscheidenden Phase seine Chancen unzureichend nutzte. Dass der TuSEM-Sieg kein Produkt von Glück oder Zufall war, bestätigte hinterher im Übrigen auch Nettelstedts Coach Michael Haaß: „Essen hat verdient gewonnen.“ Die beiden nicht automatisch eingeplanten Zähler sorgen dafür, dass die Mannschaft von Trainer Michael Hegemann die kommenden Aufgaben von Platz zwölf aus bei 19:25 Punkten wieder mit mehr Schwung angehen kann – was sehr gelegen kommt, weil nun direkt hintereinander drei Spiele mit eingebautem Blamage-Potenzial warten. Gleichzeitig bietet sich die fast einmalige Gelegenheit, sich endgültig vom unteren Drittel abzusetzen: Am Freitagabend kommt der extrem stark gefährdete TSV GWD Minden in die Halle Am Hallo, ehe es am 10. März nach Aue geht und am 23. März gegen Dessau. Logisch ist, dass die Essener Fans ihrem Team die Daumen dafür drücken. Und logisch ist auch, dass es die Dormagener in diesen Fällen ebenfalls mit TuSEM halten. Jeder Zähler, den Hegemanns Team denen von unten abnimmt, hilft schließlich dem TSV Bayer.
Die Gäste bewiesen gegen den TuS über die 60 Minuten einiges an Moral, weil sie sich selbst von einem 0:3 (6.) nicht besonders irritieren ließen, sondern zum 5:5 (16.) ausglichen. Ähnlich sah das nach dem 8:10 (25.), das Essen sogar zum eigenen 11:10 (29.) drehte, und in der zweiten Halbzeit aus: Weder das 12:14 (34.) noch das 15:17 (38.) war entscheidend und nach dem 19:20 (46.) begann Essen die Hausherren erst recht zu ärgern – durch vier Tore hintereinander zum 23:20 (50.). Beim 26:23 (55.) ging TuSEM weiter mit einem Drei-Tore-Polster in die entscheidende Phase, ehe sich die Gäste zusätzlich noch nervenstark zeigten: Den 26:25-Anschluss (58.) des TuS beantwortete Dennis Szczesny mit dem 27:25 (58.) und das 27:26 (59.) konterte Alexander Schoss mit dem 28:26 (59.). Die Reaktion aufs 28:27 (60.) passte genauso: Hegemann nahm die letzte verbliebene Auszeit und die restlichen 34 Sekunden brachte seine Mannschaft unbeschadet über die Runden. Der Coach zeigte sich erleichtert: „Das war ein eminent wichtiger Sieg, um vernünftig in den weiteren Verlauf der Saison gehen zu können. Ich denke, dass wir ein sehr reifes Spiel abgeliefert haben.Wir hatten zu Beginn unsere Schwierigkeiten, haben uns aber nach und nach ins Spiel reingekämpft. Wir sind zwar auch aus der Pause nicht so gut rausgekommen, haben uns aber nicht beirren lassen und unseren Streifen durchgezogen. Am Ende hatten wir eine tolle Abwehr mit einem starken Lukas Diedrich im Tor. Und dazu haben wir im Angriff ein sehr ordentliches Spiel gemacht.“
TuS N-Lübbecke – TuSEM Essen 27:28 (11:12).
TuSEM Essen: Fuchs, Diedrich – Ellwanger, Wolfram (1), Wilhelm (3), Homscheid (3/3), Asmussen (2), Szczesny (3), Seidel, Klingler (4), Neuhaus (3), Rose (1), Mast (3), Werschkull, Schoss (5).
EHV Aue – TSV Bayer Dormagen 24:33 (15:18).
TSV Bayer Dormagen: Oberosler, Simonsen (1) – Senden (1), Böhnert, Rehfus (3), I. Hüter (3), Reimer (8), Böckenholt (2), Schroven (4), Strosack, P. Hüter, Träger, J.-Chr. Schmidt (2), Pauli, Steinhaus (7), Sondermann (2).