1. Bundesliga
Gummersbach und der Offenbarungseid des BHC
VfL gelingt mit 31:24 die Revanche fürs 27:33 aus der Hinrunde. Beim Bergischen HC ist es zurzeit im Abstiegskampf schon fünf nach zwölf.

Harte Landung: Eloy Morante Maldonado (mit Ball) war in Sachen Einsatz vorbildlich unterwegs, konnte aber die bittere Niederlage auch nicht verhinden. Die Gummersbacher Abwehrzentrale mit Tom Kiesler (links) und Kristjan Horzen (rechts) ließ meistens eben keine ganz großen Lücken zu. (Foto: Thomas Wirczikowski)

So ist das also, wenn viel bis extrem viel geredet wird. Es habe nach dem 22:33-Debakel des Bergischen HC vom 29. Februar beim SC DHfK Leipzig „ein umfangreicher Aufarbeitungsprozess“ stattgefunden. Es habe zahlreiche Gesprächsrunden gegeben. Geschäftsführung mit Mannschaftsrat, Geschäftsführung mit Trainerteam, weitere in verschiedenen Besetzungen. So fasste das Geschäftsführer Jörg Föste in einer offiziellen Stellungnahme des Vereins zusammen: „Wir können festhalten, dass nach Abkratzen der Oberfläche einiges zutage getreten ist, was schon längst hätte angesprochen werden müssen. Nach Abschluss dieses anstrengenden und auch zuweilen schmerzlichen Selbstfindungsprozesses erwarten wir nunmehr die Konzentration auf das Wesentliche. Schon am Sonntag gegen Gummersbach wollen wir den BHC würdig präsentieren.“ Ob das nun der Fall war, müssen die Beteiligten in erster Linie mal mit sich selbst ausmachen. Und ja: Es waren rund eine Halbzeit lang Engagement und gegenseitiges Unterstützen zu erkennen – was aber für Profisportler in der Lage der Solinger eine reine Selbstverständlichkeit sein muss. Dafür nach Lob oder Bestätigung rufen zu wollen, wäre echt peinlich. Aber gesetzt den Fall, dass der BHC im Duell mit dem Nachbarn VfL Gummersbach, das die große Wiedergutmachung werden sollte, wirklich alles aus sich herausholte: Dann war die 24:31-Niederlage in der Summe der 60 Minuten ein sportlicher Offenbarungseid. Dann können sie es aktuell einfach nicht besser. Und deshalb geht die Mannschaft von Trainer Jamal Naji auch nicht unglücklich getroffen, sondern sehr verdient als Vorletzter in die Länderspielpause. Nach gut zwei Dritteln der Saison (24 von 34 Spielen) spricht mehr für den Abstieg als den natürlich immer noch möglichen Klassenerhalt. Welchen Kontrast dazu doch die Gummersbacher bieten: Sie haben sich bei 26:22 Zählern auf dem siebten Platz eingerichtet und dort sogar fünf Zähler mehr als jene Leipziger (21:25), für die der Sieg über den BHC wohl eine Art Befreiungsschlag war. Anschließend gewannen sie noch gegen die MT Melsungen (32:27) und beim TVB Stuttgart (27:25).

Ausgerechnet eine Hilfsaktion aus Leipzig könnten die Solinger, die gar nicht mehr in Solingen spielen (Wuppertal, Düsseldorf) richtig gut gebrauchen – was direkt mit dem ThSV Eisenach zu tun hat, weil sich der Aufsteiger aus Thüringen inzwischen knapp über den Strich gehievt und dadurch Najis Mannschaft in noch größere Gefahr gebracht hat: Sollte es für den bei 13:35 Punkten angekommenen BHC richtig dumm laufen, muss er sich bei der Frage nach den zwei Absteigern alleine mit den knapp vor ihm liegenden Eisenachern (14:36) und dem auch nicht Lichtjahre entfernt am Ende liegenden HBW Balingen-Weilstetten (11:37) auseinandersetzen. Jedenfalls scheinen der HSV Hamburg (18:28) oder die Stuttgarter (18:32) auf den Rängen 13 und 14 für einen Bergischen HC im aktuellen Zustand fast in einer anderen Liga unterwegs zu sein. Dass der Vorletzte nun seine nächste Aufgabe erfolgreich löst, ist theoretisch möglich, aber insgesamt leicht abwegig: Am 24. März steht die Aufgabe gegen den Zweiten SC Magdeburg (40:6) auf dem Programm, der jetzt gerade erst das Spitzenspiel gegen den Tabellenführer Füchse Berlin (41:7) mit 31:28 für sich entscheiden konnte. Wie nun Leipzig ins Spiel kommt: Die Sachsen erwarten ebenfalls am 24. März die Thüringer aus Eisenach, die in den vergangenen Monaten als vermeintlich größter möglicher Außenseiter in der 1. Bundesliga zu einer echten Bedrohung für den BHC geworden sind – dem nun ein Leipziger Erfolg sehr helfen würde. Wobei, ist gleichzeitig die große Frage.

Der bislang letzte Sieg des Bergischen HC in dieser Saison ist schon ziemlich alt, denn das 33:28 gegen den TVB Stuttgart gab es am 10. Dezember 2023, nach dem das Konto bei 13:19 Punkten stand – eine wenigstens vorzeigbare Basis für die Zukunft. Es folgten allerdings acht Niederlagen hintereinander und zwangsläufig das schrittweise Abrutschen in den tiefen Keller, der einst den anderen vorbehalten zu sein schien. Dass Eisenach wieder auf den Sprung ans rettende Ufer oder den Verbleib dort hoffen darf, hat mit der Ausbeute aus seinen ebenfalls vergangenen acht Partien zu tun: Da finden sich 5:11 Zähler, ebenfalls keine überwältigende Bilanz, aber deutlich besser als jene des BHC. Und ganz nebenbei haben sie beim ThSV den Abstiegskampf längst mit Leidenschaft angenommen, wie sich jüngst beim 31:31 gegen die TSV Hannover-Burgdorf erneut zeigte. Da lag Eisenach kurz vor der Pause mit sechs Toren hinten (27./8:14) und fünf Minuten vor dem Ende mit zwei Toren (55./27:29), erkämpfte sich allerdings noch das Unentschieden. Wohin das alles führt, wird sich in Ansätzen vielleicht bereits bis Ostern zeigen. Dabei werden selbst die kühnsten BHC-Optimisten am 24. März gegen Magdeburg nichts Zählbares erwarten, wohl aber vier Tage darauf am 28. März in Stuttgart, wo die Wochen der Wahrheit beginnen. Am 7. April folgt schließlich das Heimspiel gegen Eisenach und am 19. April die Dienstreise nach Balingen-Weilstetten. Stuttgart, Eisenach und Balingen haben was gemeinsam: Es sind Endspiele für den Bergischen HC, der seinen Blick im Übrigen in diesem Zeitraum hilfesuchend auch in Richtung Schwalbe-Arena richten dürfte: Dort treffen die Gummersbacher am 24. März auf Stuttgart und am 5. April auf Balingen-Weilstetten. Erfolge dürfte der VfL an diesen Terminen sowieso alleine aus eigenem Interesse anstreben – weil die TSV Hannover-Burgdorf (28:20) nicht sehr weit entfernt ist. Und Rang sechs gibt doch für den Rest der Saison als neues lohnendes Ziel etwas her.

Endstation: VfL-Torhüter Tibor Ivanisevic und seine Gummersbacher brauchten kein Hexenwerk, um Yannick Fraatz und den Bergischen HC am Ende klar zu bezwingen. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Im Duell mit dem BHC legte der VfL, der das Duell in der Hinrunde überraschend und hoch mit 27:33 verloren hatte, durch Lukas Blohme schnell das 1:0 (1.) vor und er fand bis zum 4:3 (7.) auf jeden Ausgleich der Hausherren eine Antwort, ehe er sich schwungvoll auf 8:4 (13.) absetzte. Mit dem 8:8 (17.) nur vier Minuten später schien das Pendel auf die andere Seite auszuschlagen, aber Gummersbach blieb ruhig – 10:8 (20.) 12:10 (23.). Dass sich die Solinger in Wuppertal noch einmal wehrten, schien ein Beleg für die intakte Moral zu sein, die ihnen bis zum 15:15 (30.) durch Linus Arnesson am Ende der ersten Halbzeit zunächst immer wieder den Ausgleich brachte und am Anfang der zweiten durch Lukas Stutzke sogar die 16:15-Führung (31.). Erstaunlich: Gummersbach machte daraus durch eine 3:0-Serie innerhalb von 56 Sekunden das eigene 18:16 (33.) und wehrte danach übers 20:17 (38.) und 21:18 (42.) nahezu jeden Versuche des Vorletzten ab – der beim 20:21 (44.) erneut bis auf ein Tor dran war und fünf Minuten darauf mit dem 20:24 (49.) trotzdem vorzeitig geschlagen. Und weil es auf der Zielgeraden so gut lief, blieb der VfL auf dem Gaspedal, nahm jedes Geschenk sehr konsequent an und versetzte dem taumelnden BHC, der es sehr erfolglos mit dem siebten Feldspieler probierte, einen Nackenschlag nach dem anderen – 25:21 (50.), 26:21 (53.), 27:21 (55.), 28:21 (56.), 29:21 (57.). Gummersbach, das in Kapitän Julian Köster eine echte Führungskraft auf der Platte hatte, konnte auf der Zielgeraden fast mühelos die Revanche für die Hinrunden-Pleite unter Dach und Fach bringen – gegen einen BHC, den dieser Abend noch ein Stück ratloser zurückließ. Sein Fazit: So läuft das also, wenn viel bis extrem viel geredet wird.

Kein Wunder: Die Gefühlswelten der beiden Trainer lagen hinterher um Lichtjahre auseinander. „Ich finde, dass wir emotional vom Anfang weg voll im Spiel sind und das auch nach außen transportieren“, meinte BHC-Coach Jamal Naji, „in der ersten Halbzeit greifen wir sehr gut an, schaffen es aber nicht, das über die 60 Minuten durchzuziehen. Und da liegt heute der Unterschied, weil Gummersbach über das ganze Spiel unfassbar effektiv und gut im Angriff ist. Defensiv haben wir große Probleme. Wir kommen nicht so gut aus der Halbzeit, kämpfen uns mit einem Kraftakt auf ein Tor wieder ran, haben dann aber in dieser Phase viele technische Fehler, welche Gummersbach bestraft. Das Sieben-Gegen-Sechs geht am Ende des Tages völlig in die Hose. So kommt ein sehr schmerzhafter, aber verdienter Derbysieg für Gummersbach zustande.“ Kollege Gudjon Valur Sigurdsson teilte seine Stellungnahme auf – zunächst in Bezug auf die eigenen Belange: „Ich bin sehr glücklich und zufrieden, dass wir das Derby gewonnen haben. Wir hatten Riesenrespekt vor der Aufgabe hier. Was uns im Spiel gehalten hat, war, dass wir vorne gute Lösungen gefunden haben und treffsicher waren. In der zweiten Halbzeit erwischt der BHC den besseren Start. Dann verschaffen wir uns beim 21:20 ein bisschen Luft und von da an klappt fast alles. Unsere Abwehr steht zunehmend kompakter, vorne sind wir effektiv und setzen uns mit einem 9:2-Lauf ab.“ Sein kurzer gedanklicher Ausflug zum Gegner belegt noch einmal, wie ernst die Lage des BHC ist: „Ich möchte an dieser Stelle dem BHC viel Erfolg und Kraft für die bevorstehenden Spiele wünschen. Ich würde ungern in der kommenden Saison auf die Derbys verzichten.“

 

Bergischer HC – VfL Gummersbach 24:31 (15:15). 

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Persson, Doniecki (1), Krecic, M’Bengue (2), Ladefoged (7), Andersen, Fraatz (2), Babak, Gießelmann (1), Schmitz, Arnesson (6/4), Morante Maldonado (2), Stutzke (3).

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson, Kodrin (4), Vujovic (3/3), Köster (8/1), Blohme (3), Oskarsson, Häseler, Schluroff, Tskhovrebadze (4), Pregler (3), Horzen (6), Kiesler, Protsiuk, Zeman.