1. Bundesliga
Gummersbach im Goldrausch, BHC in größter Not
VfL hat nach 35:27 gegen Stuttgart den sechsten Platz vor Augen, der Bergische HC nach dem 27:30 gegen Madeburg mehr denn je den Abstieg.

Akrobatik: Eloy Morante Maldonado (vorne) und der Bergische HC werden wohl auch ungewöhnliche Lösungen brauchen, um den Klassenerhalt zu schaffen. Für Tom Kiesler (hinten) und die Gummersbacher (hinten) ist das Handballer-Leben gerade deutlich einfacher. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Krasser könnten die Unterschiede nicht sein. Die einen, in diesem Fall also der VfL Gummersbach, haben gerade irgendwie für vieles ein goldenes Händchen – und fühlen sich entsprechend glücklich. Höhepunkt in dem sich gerade zur Perfektion steigernden Puzzle war vor ein paar Tagen die offiziell nach außen getragene Rückholaktion von Kentin Mahé (32), die allerdings nicht mehr gar so überraschend kam. Der Franzose, schon von 2011 bis 2013 in Gummersbach und derzeit noch für den KC Vezprem in Ungarn unterwegs, kehrt ab dem Sommer ins Oberbergische zurück. Der VfL holt demnach einen Olympiasieger, Welt- und Europameister in seinen Kader – und das sicherlich nicht, um vorwiegend um den Klassenerhalt zu spielen. Das muss die Mannschaft von Trainer Gudjon Vakur Sigurdsson schließlich schon jetzt nicht: Im zweiten Jahr nach der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse scheint den Gummersbachern nach dem 35:27 über den TVB Stuttgart (Rang 15/18:34 Punkte) bei 28:22 Zählern zumindest der siebte Platz fast sicher zu sein – weil der SC DHfK Leipzig (21:27) im Moment deutlich zurückliegt. Eher kann Gummersbach nach vorne noch den Sechsten TSV Hannover-Burgdorf (30:20) in den Blick nehmen – was beinahe als Quantensprung im Vergleich zum zehnten Rang (33:35) in der Abschluss-Tabelle für 2022/2023 gelten darf. Und dass auch am Sonntag beim HC Erlangen (14./19:33) etwas Zählbares herausspring, ist durchaus nicht unmöglich.

Und der Bergische HC, der zwar gar nicht mehr in Solingen spielt, dort aber unverändert seine Geschäfts-Adresse hat? Jener rund 70 Autobahn-Kilometer von Gummersbach entfernte Nachbar steckt mitten in einer Albtraum-Serie und eine Befreiung aus der größten Not konnte er bislang nicht finden. Was dem Team von Trainer Jamal Naji bleibt, ist der dringende Wunsch, dass es mal wieder so werden möge wie am 10. Dezember 2023, als der BHC „zu Hause“ in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle mit 33:28 gegen Stuttgart gewann. Es war tatsächlich der bislang letzte Erfolg und anschließend gab es zum Teil frustrierende neun Niederlagen hintereinander – wozu das jüngste 27:30 gegen den hohen Favoriten SC Magdeburg allerdings bestimmt nicht zählte, weil der Außenseiter hier das fast Optimale aus seinen Möglichkeiten machte. Insgesamt bleibt dem BHC trotzdem beinahe nur das Prinzip Hoffnung, dass sich so schnell wie möglich mehr ergibt als Lob für viel Einsatz. Naji beschrieb es hinterher so: „Wir haben gekämpft und gegen die brutale Qualität des Gegners in großen Teilen mitgehalten. Das nehmen wir mit. Und unsere Saison muss jetzt anfangen.“ Das ist fast eine beschönigende Umschreibung, denn durch den überraschenden Sieg des Aufsteigers ThSV Eisenach beim SC DHfK Leipzig (Achter/21:27) hat sich die Lage für seine Mannschaft weiter verschlechtert: Hinter dem Bergischen HC (17./13:37) liegt nur Schlusslicht HBW Balingen-Weilstetten (18./11:41) und direkt davor hat Eisenach (16./16:36) auf dem ersten rettenden Platz plötzlich drei Punkte mehr. Und deshalb klingt es nicht romantisch, aber der BHC steht nun vor drei Spielen, die sein sportliches Schicksal entscheidend beeinflussen werden. Am Donnerstag geht es bei ebenfalls längst nicht gesicherten Stuttgartern los, ehe nach Ostern die Endspiele am 7. April gegen Eisenach und am 19. April in Balingen folgen. Einfach Rechnung: Für den Klassenerhalt muss eine positive Bilanz her und gegen Eisenach darf der BHC auf keinen Fall verlieren.

Gummersbach geriet gegen Stuttgart lediglich mit dem frühen 0:1 (1.) in Rückstand und schien sich mit dem 10:7 (11.) klarer absetzen zu können, zumal das Drei-Tore-Polster immer wieder hielt – 13:10 (18.), 16:13 (26.). Die Gäste konnten aber am Ende der ersten Halbzeit bis auf 16:17 (30.) verkürzen und am Anfang der zweiten zum 17:17 (32.) ausgleichen. Weil der VfL mit dem 22:18 (40.) und 26:21 (45.) anwortete, entwickelte sich jedoch keine echte Gefahr mehr für die letzte Viertelstunde, in der nach den drei Treffern vom 26:22 (46.) zum 29:22 (49.) sogar frühzeitig alles entschieden war. Beste Gummersbacher waren diesmal Keeper Tibor Ivanisevc, der bei seinen elf Paraden auf eine starke Quote von 37,93 Prozent an gehaltenen Bällen kam, und Ole Pregler (neun Tore), den die Gäste überhaupt nicht in den Griff bekamen. VfL-Trainer Sigurdsson war insgesamt einverstanden: „Ich möchte für die zweite Halbzeit ein großes Lob an meine Abwehr aussprechen. Wir haben aggressiv gespielt und Tibor hat ein paar wichtige Bälle gehalten. Außerdem haben wir das ganze Spiel über effektiv geworfen und für meinen Geschmack nur etwas zu viele technische Fehler gehabt. Trotzdem war es eine solide, souveräne Leistung, auch wenn wir uns am Anfang schwergetan haben. Insgesamt war es ein gelungener Tag für uns.“

Derart weit konnte in seinem Urteil nach der Niederlage gegen Magdeburg niemand gehen – obwohl der BHC zahlreiche gute Ansätze und viel Entschlossenheit zeigte, obwohl er in Lukas Stutzke (sieben Tore) einen unermüdlichen Antreiber hatte, obwohl das Spiel über Kreisläufer Frederik Ladefoged oft gut funktionierte. Das 0:2 (2.) glichen die Gastgeber noch zum 2:2 (4.) aus, ehe sie ab dem 3:4 (7.) doch ein Stück abreißen lassen mussten – 4:9 (13.). Weil Najis Mannschaft selbst die eine oder andere freie Chance ungenutzt ließ und auf der anderen Seite Magdeburgs Omar Ingi Magnusson (13 Tore/sieben per Siebenmeter) kaum auszuschalten war, behielten die Gäste immer die Kontrolle, ohne dass deren Trainer Benett Wiegert nur ansatzweise zufrieden gewesen wäre: „Immer wieder gambeln wir und lassen den BHC wieder rankommen. Wir verlieren die zweite Halbzeit daher völlig verdient und bringen uns selbst um ein besseres Ergebnis. Ich glaube, dass wir das hier besser gestalten können. Trotzdem Riesenrespekt für diesen Kampf des BHC.“ Dass die Hausherren alles auf der Platte ließen und beim 21:24 (47.) oder 26:29 (59.) wieder auf Sichtweite herankamen, konnte letztlich zwar die Niederlage nicht verhindern, aber es machte sich in der Summe durch ein vorzeigbares Ergebnis bezahlt – und mehr durfte der BHC sowieso kaum erwarten. „Was wir aus dem Spiel mitnehmen können und müssen, ist, dass wir zu jedem Zeitpunkt nicht nur gekämpft, sondern auch Lösungen gefunden haben“, stellte Trainer Naji fest, „das sind häufig zwei Paar Schuhe, denn du kannst dich gegen eine drohende Niederlage stemmen und dennoch das Gefühl haben, es geht nichts. Ich glaube, dass wir mit einem guten Gefühl in die für uns sehr wichtigen Spiele gehen können.“

 

VfL Gummersbach – TVB Stuttgart 35:27 (17:16).

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson, Kodrin (2), Vujovic (3/2), Köster (2), Blohme (3), Oskarsson (1), Häseler (1), Schluroff (3), Tskhovrebadze (2), Pregler (9), Horzen (8), Kiesler, Protsiuk, Zeman (1).

 

Bergischer HC – SC Magdeburg 27:30 (12:17). 

Bergischer HC: Rudeck, Oberosler – Beyer (6/3), Persson (1), Doniecki, Nothdurft (1), Krecic (3),  Ladefoged (5), Andersen (2), Fraatz, Babak, Arnesson, Morante Maldonado (2), Stutzke (7).