Oberliga Mittelrhein
Aussteiger: Warum Dietmar Schwolow das Herz blutet
Trainer des TV Rheinbach hört in ein paar Wochen nach drei Jahrzehnten auf.

Ich erklär euch das: Dietmar Schwolow (Mitte) hört als Trainer der Oberliga-Mannschaft in Rheinbach auf. Auch Marius Schmitz (rechts) ist in der neuen Saison nicht mehr dabei, denn er wechselt zum TV Palmersheim. (Foto: Thomas Schmidt)

Er ist einer, der seine Entscheidungen immer wieder überdenkt und nicht überstürzt trifft, sondern nach reiflicher Überlegung. Jetzt ist sie aber gefallen – entschlossen, unumkehrbar. Und der Handball verliert wieder einen Typen: Dietmar Schwolow, seit drei Jahrzehnten über drei verschiedene Amtszeiten als Trainer bei den ersten Herren des TV Rheinbach unterwegs, steigt aus. Der 62-Jährige, der momentan noch mit dem halb so alten Jan Hammann (31) ein für den Klub perfekt funktionierendes Duo an der Seitenlinie abgibt, hört in Kürze auf. Weil er frustriert ist. Weil er kein Fortkommen mehr sieht. Weil er den Abgang von sechs Spielern aus dem bisherigen Kader nicht verhindern und trotz intensiver Suche keine neuen Spieler fürs Team gewinnen konnte. „Ich erkenne keine Perspektive mehr“, sagt Schwolow, der für alles die aus der Sicht der Vereins mega-bittere Hallensituation verantwortlich macht und deshalb nun, nachdem bereits die letzten zwei bis drei Jahre nicht einfach waren, die Reißleine zieht. Das Stichwort, das nicht nur Schwolow an den Rand der Verzweiflung und darüber hinaus treibt: Hallensanierung. Die bisherige Spielstätte an der Berliner Straße ist offensichtlich stark überholungsbedürftig. Das nicht erst seit gestern oder vorgestern im Raum stehende Problem ist für den TVR praktisch unbeherrschbar geworden, weil die Suche nach einer Ausweich-Unterkunft lange ohne jedes Ergebnis blieb – und die mögliche Unterstützung aus der Sicht der Betroffenen viel zu spät und zögerlich einsetzte. Tatsache: Das Heimspiel am 9. März gegen den Tabellenführer HSG Siebengebirge (27:36) war für die Rheinbacher der Abschied – und wann sie wieder in „ihre“ Halle zurückkönnen, steht in den Sternen. Bei der Sanierung ist von anderthalb zwei Jahren Dauer die Rede, sodass dereinst die Halle wieder zeitgemäß daherkommen könnte. Falls es denn einigermaßen zügig/pünktlich losgeht. Wie sich das auf den Handball-Standort Rheinbach auswirken wird, ist eine andere Frage.

Unterschlupf findet zum Beispiel die erste Mannschaft bei den Kollegen der SG Ollheim-Straßfeld, dem Neunten in der Landesliga, der seine Spiele in der 15 Kilometer entfernten Sporthalle der Gesamtschule in Swisttal-Heimerzheim absolviert und dort auch trainiert. Stark findet Dietmar Schwolow die Hilfsbereitschaft der SG-Handballer, die im Übrigen ein Klassenkonkurrent der Rheinbacher Zweiten sind, doch ansonsten kann er mit der erst vor Kurzem gefundenen (Not-) Lösung, wohl das Ergebnis einer Bitte um Amtshilfe der Stadt Rheinbach an die Gemeinde Swisttal, wenig anfangen: „Viel zu spät.“ Die letzte Trainingseinheit in der Halle Berliner Straße haben die Rheinbacher inzwischen ebenso hinter sich wie die erste in ihrem Ausweich-Quartier, in dem sie auf der Zielgeraden der Saison auch noch einmal in der Oberliga um Punkte kämpfen werden – am 28. April gegen den Longericher SC II. Vorher geht es am Samstag (13. April) zum ASV SR Aachen und am 20. April zum Birkesdorfer TV, hinterher am letzten Spieltag am 5. Mai zu den Löwen Oberberg. Zu welchen Leistungen/Ergebnissen die zum Teil ja auseinanderbrechende Mannschaft in der Lage sein wird? „Wir wollen das Beste draus machen“, betont Schwolow, dessen Team als Sechster mit 24:20 Punkten auf die Zielgerade der Saison 2023/2024 einbiegt.

Was die Planungen für die nächste Serie 2024/2025 angeht, wünscht der Noch-Coach seinem Abteilungsleiter Michael Krämer besonders viel Erfolg beim Versuch, die richtige Entscheidung zu treffen. Eine davon dürfte sich um die künftige Spielklasse drehen: Da werden die Verantwortlichen in personeller Hinsicht eine Art „Kassensturz“ durchführen müssen und dann irgendwann zu entscheiden haben, ob das alles für die Oberliga realistisch überhaupt noch reicht. Falls es sich anders darstellt, gibt es den TV Rheinbach in seiner bisherigen Form nicht mehr – also jenen Klub, der vor gar nicht so langer Zeit mit Vorzeige-Handballern wie René Lönenbach (inzwischen längst wieder bei seinem alten Verein TV Palmersheim) oder Oliver Dasburg (mittlerweile im vierten Jahr beim TuS 82 Opladen in der 3. Liga) eine der besten Adressen in der Regionalliga und so eine anerkannte Größe am Mittelrhein war. Was ein Trost für die Rheinbacher sein mag: Dietmar Schwolow zieht sich ja nicht komplett aus dem Handball zurück, sondern er kümmert sich weiter um die B-Jugend. „Das macht mir noch sehr viel Spaß“, betont der Trainer aus Leidenschaft. Für ihn ist es einerseits eine Art Ausgleich zur Entwicklung bei den ersten Herren – und eine Art Verpflichtung gegenüber dem Nachwuchs. „Kein Verein kann es sich leisten, dass ihm Jahrgänge wegbrechen“, erklärt Schwolow, der weiter eine volle Portion Leidenschaft in seine Arbeit für (junge) Spieler und mit ihnen auf die Platte bringen wird. Das zu lassen, könnte er kaum mit sich selbst vereinbaren. Der Ausstieg bei den Senioren war schließlich bitter genug: „Das muss ich mir nicht mehr antun, da blutet mir das Herz.“