3. Liga
Comeback-Könige: Aldekerk und sein Strohhalm
TVA ist als Vorletzter maximal gefährdet - weit mehr noch als Ratingen oder die Panther. Longericher SC erwartet TuS 82 Opladen zum Derby.

Fliegender Holländer: Der Niederländer Sjuul Rutten (23), vor rund zwei Jahren vom Bevo HC zum TV Aldekerk gewechselt, braucht mit seiner Mannschaft auch ungewöhnliche Fähigkeiten, um den Weg ans rettende Ufer noch zu schaffen. (Foto: Carsten Wulf)

Warum hört sich das nicht, wie so oft in vergleichbaren Fällen, nach einer leeren Durchhalteparole an? Grundsätzlich geht der TV Aldekerk doch eher aus einer schwierigen Situation heraus in die letzten 20 Prozent der laufenden Saison. Anders ausgedrückt: Dieser Weg zum Klassenerhalt wird ein weiter sein, ein sehr weiter sogar. Das Team um Spielertrainer Tim Gentges hat ja auch schon zahlreiche Nackenschläge hinnehmen müssen – aufgrund von Verletzungen wichtiger Spieler wie David Hansen und Cedric Linden (beide seit Langem außer Gefecht) und aufgrund einiger schmerzhafter Niederlagen. Das ging damals schon am ersten Spieltag mit dem 26:27 gegen die HSG Friesenheim-Hochdorf II los, setzte sich am dritten Spieltag mit dem 29;31 gegen den TuS Dansenberg fort und hörte auswärts nicht auf. Das 29:41 aus dem Februar beim TV Homburg und zuletzt im März das 24:36 bei Interaktiv.Handball trafen den TVA ebenfalls mitten ins Herz. Dass die Mannschaft überhaupt noch an den Klassenerhalt denken darf, hat mit ihren extrem hohen Comeback-Qualitäten zu tun – was sich unter anderem tatsächlich aus den vergangenen sieben Spielen ableiten lässt. Auf ein 28:29 in Dansenberg folgte zwei Wochen später der klare 37:26-Erfolg über die Bergischen Panther und nach der üblen Pleite in Homburg gab es ein 28:27 beim TV Gelnhausen sowie ein 32:26 gegen die HSG Hanau – zwei auf den Plätzen sieben und fünf deutlich besser eingestufte Klubs. In der Summe kommt Aldekerk nach neun Partien im Kaldenderjahr 2024 mit 8:10 Punkten daher – was in dieser Gefahrenlage eine sehr anständige Ausbeute ist. Daraus speist sich dann wohl jene besondere Art der Entschlossenheit, trotz ungünstiger Vorzeichen auf gar keinen Fall aufzugeben. „Wir werden nicht aufhören“, verspricht Gentges, „solange wir eine Chance haben, werden wir versuchen, diese Chance zu ergreifen.“ Fürs Heimspiel gegen die HSG Nieder-Roden (Dritter/34:14 Punkte) gilt Aldekerk natürlich als Außenseiter, aber was sich aus einer solchen Rolle mit Hingabe und Leidenschaft machen lässt, zeigten erst am vergangenen Wochenende die Panther durch ihr 31:27 eben in Nieder-Roden.

Jener überraschende Erfolg war für die Mannschaft von Trainer Marcel Mutz nach vorherigen 3:11 Punkten besonders wichtig, weil er sie als Spitzenreiter der Abstiegszone mit 18:28 Zählern in den Endspurt gehen lässt. Dahinter sind weitere sechs Teams in der Regel intensiv am Kampf um den Klassenerhalt beteiligt: TV Homburg, HSG Friesenheim-Hochdorf II, Interaktiv.Handball (alle 16:32), TSG Haßloch (15:33), Aldekerk und TuS Dansenberg (beide 14:34). Weil so viele an Bord sind, stehen im letzten Fünftel der Saison zwangsläufig fast durchgehend irgendwo Endspiele auf dem Programm. Diesmal gehört unter anderem das Duell zwischen Interaktiv.Handball und Dansenberg dazu, das nachvollziehbar die Ratinger unbedingt gewinnen wollen. Nach dem Sieg über die Aldekerk schien die Mannschaft des Trainergespanns Filip Lazarov/Alexander Oelze in die richtige Richtung abgebogen zu sein, doch es folgte der ernüchternde Auftritt in Homburg (31:35), den die Ratinger selbst auf die erheblichen personellen Lücken im Kader zurückführten (unter anderem kein Linkshänder für den Rückraum). Sollte Interaktiv nun gegen Dansenberg gewinnen, hätte es im Übrigen ganz nebenbei nach dem 33:33 aus der Hinrunde den am Ende in der 3. Liga bei Punktgleichheit zwischen zwei Teams entscheidenden direkten Vergleich auf seiner Seite.

Erneut relativ hoch ist die Hürde, die sich den Panthern in den Weg stellt, denn sie müssen bei der HSG Krefeld Niederrhein antreten – die als Zweiter (39:9) der klare Favorit ist und zusammen mit dem ungeschlagenen Ersten TuS Ferndorf (47:1) fest für die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga gebucht sein dürfte. Vielleicht hilft den Panthern diesmal nicht nur der neue Schwung nach dem Erfolg in Nieder-Roden, sondern auch der Rückblick auf den 4. November 2023: Damals kam der Außenseiter in einem spektakulären Finale durch Jonas Kämper in letzter Sekunde zu einem 33:33-Unentschieden, das sich wie ein doppelter Punktgewinn anfühlte. Einen ähnlichen Krimi mit Happy End würden jetzt auch die Aldekerker gerne ertragen – und Spielertrainer Gentges weiß zugleich, dass dazu viele Puzzleteile passen müssen: „Die Jungs aus Rodgau stehen nicht umsonst da oben. Dennoch haben wir in der Hinrunde dort ein Riesenspiel gemacht und, warum auch immer, beim 32:33 mit einem verloren. So richtig hat sich das nicht erklären lassen. Das war nicht das einzige Spiel, das Rodgau so gewonnen hat. Sie haben viele Spiele knapp gewonnen, aber sie gewinnen halt, und das ist auch ein Zeichen von Qualität.“ In Bezug auf die eigene Leistung ist allen in Aldekerk offensichtlich klar, dass im Vergleich zur Pleite in Ratingen eine erhebliche Steigerung kommen muss. „Das hört sich blöd an, aber wir waren in Ratingen in der ersten Halbzeit die deutlich bessere Mannschaft, haben uns deutlich mehr freie Chancen rausgespielt“, sagt Gentges, „wir haben aber auch deutlich mehr freie Chancen verworfen, was nicht so gut war. Das war am Ende des Tages der große, große Knackpunkt. Wir haben unser Ziel nicht aus den Augen verloren und daran gearbeitet, dass wir einfach nicht aufhören, an uns zu glauben.“

Rein sportlich scheint es im Duell zwischen dem Longericher SC (Sechster/26:22) und dem TuS 82 Opladen (Achter/23:25) nicht mehr um besonders viel zu gehen. Beide können nicht mehr nach ganz vorne angreifen: Für die Longericher liegt allenfalls noch der Fünfte HSG Hanau (29:19) in Reichweite, für die Opladener, hinter denen direkt die HSG Dutenhofen-Münchholzhausen II folgt (21:25), vielleicht noch der Siebte TV Gelnhausen (25:23). Das „Problem“, das trotzdem fast garantiert für einen sehr unterhaltsamen Freitagabend spricht, liegt im Derby-Charakter des Spiels. Unabhängig vom konkreten Tabellenstand denkt hier niemand daran, dem anderen irgendwie ein oder mehrere Geschenke zu machen. Gleichzeitig ist in Spielen zwischen den beiden Nachbarn nahezu alles möglich und keine Wendung ausgeschlossen – wie am 10. November 2023 in der Opladener Bielerthalle. Da führte der LSC in der 31. Minute nach dem Treffer von Finn Malolepszy mit 16:8 und acht Toren Vorsprung, kam jedoch zunehmend vom Kurs ab, lag mit dem 17:18 (43.) zum ersten Mal nach der Pause hinten und ging später mit einer 28:31-Niederlage von der Platte. Dass die Kölner das irgendwie korrigieren wollen, dürfte niemanden überraschen.