06. Mai 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Vielleicht geht es irgendwann auch wieder um Handball. Einfach nur um Handball. Denn genau der ist der am meisten Geschädigte in dem allgemeinen Chaos, das sich die höchste deutsche Klasse derzeit verordnet hat. Dabei gibt sich der Handball doch immer wieder gerne den Anstrich des Familiären und angeblich sollen sie alle einander mögen oder sich doch wenigstens gegenseitig respektieren. Man sei ja auf der einen Seite professionell und auf der anderen trotzdem immer noch bodenständig. Was da gerade auf der großen Bühne passiert, hat nun zwar ein paar Hauptdarsteller – aber niemanden, der aus den vielen Nachrichten, Verlautbarungen, Verdächtigungen oder Schuldzuweisungen als Gewinner hervorgeht. Es. Gibt. Nur. Verlierer. Die HBL als Bundesliga-Betreiber ist ein Verlierer. Der HSV Hamburg, der im Epi-Zentrum des Bebens steht, ist ein Verlierer. Und der Bergische HC ist ein Verlierer. Im Mittelpunkt steht dabei vordergründig jene Entscheidung vom vergangenen Freitag, als die Lizenzierungs-Kommission der HBL für einen echten Donnerschlag sorgte – indem sie den Hamburgern die Lizenz für 2024/2025 verweigerte. Bleibt es dabei und die weiteren Rechtsmittel des Vereins gegen dieses Urteil ohne Erfolg, wäre der HSV (als Neunter mit 28:32 Punkten im gesicherten Mittelfeld zu Hause) zum Zwangs-Abstieg verurteilt. Das heißt: Neben dem Schlusslicht HBW Balingen-Weilstetten (11:49) würde niemand absteigen. Auch der Vorletzte nicht, der im Augenblick Bergischer HC (17:45) heißt und das mit einiger Wahrscheinlichkeit in den letzten drei Spielen nicht mehr ändern kann.
Zum schwer durchschaubaren Geflecht aus Informationen, Schein-Informationen, Stellungnahmen und Mutmaßungen gehört als erstes Kapitel, dass die HBL den Hamburgern die Lizenz vor Kurzem erteilt hatte – unter der Bedingung, dass eine durch die Lizenzierungskommission erkannte Liquiditätslücke bis zum 3. Mai geschlossen werde. Als zweites Kapitel trat in der vergangenen Woche der Bergische HC in die Diskussion ein – mit einem klaren Misstrauensvotum gegenüber der HBL, von der er eine Offenlegung darüber verlangte, wie es überhaupt zu einer Lizenz für die Hamburger kommen könne und worauf genau die Entscheidung fuße. Als drittes Kapitel und vom zweiten nicht so gut zu trennen, war darin der keineswegs versteckte Vorwurf zu erkennen, der HSV habe sich im Grunde bereits die Lizenz für 2023/2024 durch dubiose Manöver erschlichen und es gebe genügend Hinweise, dass es für 2024/2025 nicht wesentlich anders sei. Als viertes Kapitel kommt hinzu, dass der BHC just in dem Augenblick auf dem Plan erschien, als erstens die eigene Mannschaft kurz darauf in Hamburg spielen (2. Mai) und zweitens noch einen Tag darauf (3. Mai) die HBL-Entscheidung folgen würde. Dieses (Stör-) Manöver des Bergischen HC ist in der Summe einfach billig durchschaubar und es wird immer eine sehr seltsame Note bleiben – egal, wie die Angelegenheit letztlich ausgeht. Und als fünftes Kapitel können natürlich die Hamburger nicht außen vor bleiben, die gerade vor einem Scherbenhaufen stehen und sich darin massive Schnittwunden zuziehen könnten. Inzwischen soll ja feststehen, dass diese nämliche Liquiditätslücke geschlossen ist, also ausreichend finanzielle Mittel da sind. Falls es denn wirklich stimmt, dass die Überweisung immerhin in Millionenhöhe erst eine Stunde nach Ablauf der Frist eingetroffen sei, dann stellt sich doch wirklich diese Frage: Wie dumm kann man denn eigentlich sein, um es in dieser explosiv wirkenden Situation zu einem derartigen Desaster kommen zu lassen?
Das sechste Kapitel wäre wohl, dass sich das HBL-Präsidium oder das Schiedsgericht als letzte Instanz demnächst darauf berufen könnten: Die Frist war abgelaufen, Pech gehabt. Dann müssten sie sich mit dem Inhalt gar nicht weiter beschäftigen. Und das siebte Kapitel: Der Bergische HC, der sich durch sein Vorgehen definitiv nicht nur Freunde gemacht und den Klassenerhalt sportlich nicht verdient hat, würde als Vorletzter eben nicht absteigen, sondern drinbleiben. In Solingen, dem Stammsitz der GmbH für den Spielbetrieb der Handball-Profis, würden sie für diesen Fall vermutlich der Auffassung sein, dass sie alles richtig gemacht haben. Das mag aus der internen Sicht vielleicht logisch wirken. Und dass es keine Sympathiepunkte einbringt, stört dabei bestimmt niemanden. Noch schlimmer: Es spricht einiges dafür, dass andere Betroffene in einer vergleichbaren Lage ähnlich handeln würden/gehandelt hätten. Die aktuellen Ereignisse zeigen damit einfach nur und das sehr deutlich, dass im Ernstfall schlicht jeder sich selbst der Nächste ist. Das wirkt im Übrigen weder professionell noch familiär oder bodenständig. Es ist einfach schädlich für den Handball, es ist in gewisser Weise enttarnend. Und das macht wirklich gar keinen Spaß. Vielleicht geht es irgendwann auch wieder um Handball. Einfach nur um Handball.
HSV Hamburg – Bergischer HC 32:30 (15:18). Was waren das noch für Zeiten und dem Bergischen HC dürfte beim Rückblick auf den 11. November 2023 ziemlich mulmig werden – weil jenes Datum ziemlich genau den Unterschied zwischen damals und heute trifft. Seinerzeit holte das noch von Jamal Naji (kürzlich freigestellt) trainierte Team dank eines furiosen Endspurts einen 25:28-Rückstand in der 57. Minute auf und Mads Andersen krönte die Aufholjagd praktisch in der letzten Sekunde mit dem finalen Treffer zum 29:28-Erfolg. Gegner damals wie heute: Hamburg, seinerzeit mit dem BHC praktisch auf Augenhöhe unterwegs, denn beide standen nach dieser Partie bei 10:14 Punkten – was aus heutiger Sicht jedenfalls für den Bergischen HC fast märchenhaft anmutet. Der jetzige Auftritt im Norden begann zwar mit dem 1:4 (7.) nicht gerade nach Maß für den BHC, der aber unverändert auf viel Leidenschaft sowie hohes Tempo setzte und dafür belohnt wurde – 4:4 (8.), 7:5 (15.), 11:8 (18.). Dass HSV-Trainer Torsten Jansen nun eine Auszeit nahm, verpuffte irgendwie komplett wirkungslos, weil der Vorletzte sogar auf 16:10 (23.) erhöhen konnte. Erst gegen Ende der ersten Halbzeit kamen die im sicheren Mittelfeld angesiedelten Hamburger (Neunter/28:32) übers 13:18 (27.) mit dem 15:18 (29.) wieder heran, weil sie die Überzahl nach der korrekten Roten Karte gegen Frederik Ladefoged (28./Foul an Hamburgs Leif Tissier) konsequent nutzten, ehe sie am Anfang der zweiten schnell zum 18:18 (33.) ausglichen und dadurch das Signal für einen maximal engen Kampf setzten. Der BHC, für den Ladefogeds Aus offensiv wie defensiv eine herbe Schwächung war, legte übers 22:21 (40.) bis zum 25:24 (47.) immer wieder vor, ehe sich der HSV noch einmal steigern konnte und den Abend gegen nicht mehr so stabile/konsequente Gäste auf seine Seite zog – 26:26 (50.), 28:26 (53.), 30:27 (55.), 31:28 (57.), 32:29 (58.).
Der letzte Treffer der Partie von Djibril M’Bengue zum 30:32 (60.) fiel dann zwölf Sekunden vor dem Ende zu spät und dem Tabellen-Vorletzten blieb für eine richtige Antwort logischerweise keine Zeit mehr. „Wir sind gut reingekommen nach fünf, sechs Minuten und haben dann eine überragende Deckung gehabt“, fand BHC-Trainer Arnor Thor Gunnarsson, „Peter Johannesson hat gut gehalten und wir haben gnadenlos Tempo gespielt. Das fand ich wirklich gut. Dann kriegen wir die Rote Karte gegen Frederik Ladefoged und wir haben in der zweiten Halbzeit Probleme mit der Abwehr. Dann war es auch schwer für uns, Tempo zu laufen. Insgesamt fand ich unseren Angriff in dem Spiel schon gut, die Abwehr eben in Phasen nicht.“ Kollege Torsten Jansen, der bereits ab der 21. Minute auf seinen Kapitän Niklas Weller verzichten musste (ebenfalls Rote Karte), war auf der anderen Seite ziemlich erleichtert, weil der HSV die Wiedergutmachung für die bittere 26:35-Pleite vier Tage zuvor beim TVB Stuttgart (14./22:40) ins Ziel gebracht hatte: „Es war ein Charakter-Spiel nach der schlechten Leistung in Stuttgart. Heute ging es für uns darum, nicht nur das gutzumachen, sondern uns auch für die Hinspiel-Niederlage gegen den BHC zu revanchieren. Das haben wir mit einer überragenden Willensleistung und einem geilen Publikum geschafft.“ Bitter für Jansen: Was keine 24 Stunden später im Außersportlichen folgte, konnte er noch nicht ahnen. Da war dieser Erfolg auf einmal nicht mehr ganz so viel wert.
Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (4/2), Persson, Doniecki, Nothdurft (4), Krekic (3), M’Bengue (4), Ladefoged (2), Andersen (2), Fraatz (1), Babak (3), Arnesson (4), Morante Maldonado (1), Stutzke (2), Seesing.
Füchse Berlin – VfL Gummersbach 29:26 (16:12). Die Gummersbacher hatten die Chance, im Kampf um den sechsten Platz wieder an der TSV Hannover-Burgdorf vorbeizuziehen – verpassten aber die Gelegenheit, als der Favorit aus der Hauptstadt die Tür in der zweiten Halbzeit vorübergehend einen Spalt weit geöffnet hatte. Regisseur Dominik Mappes brachte es auf den Punkt: „Wir werfen die Bälle nicht mehr ins Tor. Die letzten Prozente in der entscheidenden Phase haben gefehlt.“ Weil das tatsächlich so war, konnten die Füchse den Kopf wieder aus der Schlinge ziehen und ihren zweiten Tabellenplatz festigen: Dort liegen sie mit jetzt 52:10 Punkten weiter knapp hinter dem SC Magdeburg (52:6), der allerdings bei zwei Spielen weniger im Kampf um die Deutsche Meisterschaft alles in der eigenen Hand hat. Ob die Gummersbacher (35:25) von Rang sieben aus noch einmal an Hannover (36:26) vorbeikommen, wird die Bilanz aus dem Restprogramm entscheiden – das es durchaus in sich hat. Nach der Nationalmannschafts-Pause geht es am 19. Mai zu den Rhein-Neckar Löwen (Elfter/24:36), ehe am 26. Mai der THW Kiel (Vierter/42:16) in die Schwalbe-Arena kommt und die Aufgabe am 30. Mai bei der SG Flensburg-Handewitt (Dritter/46:14) folgt und das Heimspiel gegen FrischAuf Göppingen (Rang 13/23:39) am 2. Juni die Saison beschließt. Für Mappes steht hier besonders mit dem Blick auf Kiel und Flensburg fest, dass – wenn überhaupt – positiver Druck vorliegt: „Wir haben Bock drauf.“
In Berlin erwischte Gummersbach keine besonders gute erste Halbzeit und drohte nach dem 4:4 (9.) den Anschluss zu verlieren – 4:7 (15.), 8:12 (25.), 11:16 (30.). Auch nachher lief fast alles in Richtung der Füchse, die sich vom 18:15 (38.) auf 21:17 (42.) absetzten, ehe der VfL mit Leidenschaft und Spielwitz zurückkam und zu einer echten Gefahr für Berlin wurde – zunächst mit dem 20:21 (46.) und kurz darauf nach dem 20:23 (49.) durch vier Treffer in Folge zur eigenen 24:23-Führung (53.). Beim Stande von 24:24 passierte dann eine Zeitstrafe gegen Mappes, die Berlin in Überzahl zum 25:24 (55.) nutzte, ehe Kristian Horzen das 24:26 (56.) auf 25:26 (56.) verkürzte. Dass es nicht noch spannender wurde, ging danach in erster Linie auf das Konto des kaum zu kontrollierenden Mathias Gidsel, den Gummersbach weder beim Tor zum 27:25 (57.) noch bei jenem zum 28:25 (58.) aufhalten konnte. Nachdem Hans Lindberg per Siebenmeter knapp zwei Minuten vor Schluss auf 29:25 (59.) erhöht hatte, stand der Füchse-Sieg fest. Und die Gummersbacher kehrten mit dem Gefühl ins Obergische zurück, dass in der Hauptstadt wohl etwas mehr drin gewesen wäre.
VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson (1), Kodrin (1), Vujovic (2/2), Köster (4), Blohme (1), Oskarsson (1), Häseler, Schluroff (2), Tskhovrebadze (5), Mappes (2), Pregler (1), Horzen (6), Kiesler, Zeman.