Oberliga Mittelrhein
Das Spitzenspiel, in dem keiner Favorit sein will
Der TuS Derschlag ist die einzige Mannschaft ohne Punktverlust und erwartet jetzt die mäßig gestartete HSG Refrath/Hand. Unten gibt es das Derby zwischen BTB Aachen II und HC Weiden II.

Mit Übersicht: Philipp Krefting (Mitte) und der TuS Derschlag fühlen sich ziemlich wohl an der Tabellenspitze. (Foto: Thomas Ellmann)

Der Duden versteht unter Favorit im Bereich Sport den „Teilnehmer an einem Wettbewerb mit den größten Aussichten auf den Sieg“. Demnach wäre die Bezeichnung Top-Favorit eine klassische Doppelung oder sogar Unsinn, weil es eine Steigerung des Größten gar nicht gibt. Unabhängig davon, was die Hüter der deutschen Grammatik/Rechtschreibung festlegen, können die Trainer zweier Mannschaften aus der Oberliga wenig mit dieser Bezeichnung anfangen. Sicher sind allerdings drei Dinge. Erstens: Der TuS Derschlag ist nach vier Spieltagen als einzige Mannschaft ohne Punktverlust und demzufolge Tabellenführer. Zweitens: Die HSG Refrath/Hand hat bereits zweimal verloren und liegt damit unter den eigenen Erwartungen, gehört aber in voller Besetzung zu den Kandidaten für eine Position ziemlich weit vorne. Drittens: Das direkte Aufeinandertreffen am Freitagabend ist ein Spitzenspiel. Es wird noch keine Entscheidung im Kampf um die Meisterschaft geben, aber womöglich interessante Hinweise zum weiteren Saisonverlauf.

Für die Derschlager kommt der aktuelle Höhenflug immer noch ein bisschen überraschend, weil nach der Sommer-Unruhe im Verein und dem Weggang von Felix Jaeger (zur HSG Krefeld) kurz vor dem Saisonstart viele Fragezeichen im Raum standen. Dann gewann das Team von Trainer Ralph Weinheimer im Halbfinale des Mittelrheinpokals sehr überzeugend beim Regionalligisten TV Jahn Köln-Wahn (26:17) und fand dort den Glauben an die eigene Stärke wieder. Weinheimer: „Wir sind als Mannschaft gewachsen.“ Beachtlich waren vor allem die Siege im bergischen Derby gegen den SSV Nümbrecht und wenig später beim stark eingeschätzten TSV Bayer Dormagen II. Zuletzt brachte der inzwischen durch den russischen Linkshänder Yuri Pishchukhin verstärkte TuS die Aufgabe beim TuS 82 Opladen II soeben über die Runden (27:26) und steht nun bei 8:0 Zählern. Damit stellt sich Weinheimer plötzlich eine ganz neue Aufgabe: „Natürlich ist das alles schön und wir genießen es. Ich muss aber versuchen, die Erwartungen zu dämpfen.“ Zu viel Euphorie sieht er zu einem derart frühen Zeitpunkt in der Saison eher als schädlich an.

Dass seine mit einem vergleichsweise kleinen Kader ausgestatteten Derschlager nun einfach durch die Saison marschieren, hält der Coach für unwahrscheinlich. Fürs Duell mit der HSG reklamiert er für den TuS sogar die Außenseiterrolle. „Die Favoritenrolle gehört zu hundert Prozent den Refrathern. Sie sind für mich auch ein Top-Favorit.“ HSG-Kollege Mario Jatzke lehnt diese Rolle natürlich dankend ab und sein Team ist bisher tatsächlich nicht richtig in Schwung gekommen: „Ich sehe sowieso keinen, der diese schwierige Liga dominiert.“ Rang vier und 4:4 Zähler sind trotzdem für die Mannschaft um Ex-Profi Jonny Benninghaus zu wenig – was vor allem am 30:31 vom zweiten Spieltag gegen den Aufsteiger HC Weiden II liegt und weniger am 22:28 kürzlich beim Pulheimer SC. „Mit 6:2 Punkten hättest du leben können“, sagt Jatzke, „so ist es anders als geplant. Und sicher beschäftigt uns das.“

Abwartend: Michael Wittig scheint auch sehr gespannt darauf zu sein, wie sich die Dinge für die HSG Refrath/Hand entwickeln. (Foto: Thomas Schmidt)

Seinen Spielern will er größeren Druck nehmen: „Sie sollen versuchen, Spaß und Lockerheit zurückzubekommen.“ Der zuletzt stark angeschlagene Jonny Benninghaus (umgeknickt) als Kopf des Teams will alles probieren, um wenigstens ein paar Minuten länger und nicht nur für Mini-Einsätze wieder an Bord zu sein. Wie wichtig der Regisseur ist, zeigte sich beim 25:24 zuletzt gegen Fortuna Köln: Hier kam der Kapitän sehr spät für ein paar Minuten und erzielte mal eben den entscheidenden Treffer für Refrath/Hand, das ganz allgemein „oben mitspielen“ will. In Kreisläufer Michael Wittig (gegen Köln privat verhindert) kehrt eine wichtige Anspielstation aufs Feld zurück.

In der zweiten Tabellenhälfte steht das Lokalderby zwischen dem BTB Aachen II und dem HC Weiden II auf dem Programm – und für beide Seiten einiges auf dem Spiel. Dabei können die Weidener bisher viel mehr mit der Saison anfangen, weil sie vor ihrem Sensationssieg in Refrath bereits gegen den TuS 82 Opladen II (26:21) gewonnen hatten und aktuell bei 4:4 Zählern angekommen sind. „Wir stehen mit den Punkten voll im Soll, wenn es um den Klassenerhalt geht“, betont HC-Trainer Philipp Havers, „der BTB wird uns aber sicher alles abverlangen und zu Hause die ersten Punkte einfahren wollen.“ Um entsprechend gegenzuhalten, müssen die Weidener seiner Ansicht nach im Vergleich zum 31:36 in Birkesdorf insgesamt eine bessere Leistung zeigen und besonders die Fehlerquote im Angriff deutlich reduzieren. Und ganz nebenbei: Einen Top-Favoriten scheint es für diese Partie nicht zu geben.