Regionalliga Nordrhein
David Röhrig: Der Handball ist seine Berufung
Der 28-Jährige ist nicht nur Trainer der TSV Bonn rrh., sondern auf vielen Gebieten aktiv. Angefangen hat alles durch einen Zufall - beim Kinderturnen.

Familientreffen: Trainer David Röhrig (links) hat seinem Bruder Simon (rechts) oft was zu sagen. (Foto: Thomas Schmidt)

Dies ist die Geschichte von einem, der auszog, die Handball-Welt zu erobern. Aus Zufall. Der kleine David sollte vor über 20 Jahren „irgendetwas mit Sport“ machen. Also „musste“ er zum Kinderturnen. Weil das wohl unter dem Strich nicht so richtig fesselnd gewesen sein dürfte, vertrieben sich die Jungs die Zeit, indem sie einen Ball auf einen Korb warfen. Das sah ihre Mutter und sie traf dann einen Entschluss mit Folgen. Marianne Röhrig meldete Christopher, Simon und David Röhrig an – aber nicht beim Basketball, sondern beim Handball. Irgendwie schien es dasselbe zu sein. Was damals keiner ahnen konnte: Die Familie, die bis dahin nichts mit diesem Sport zu tun hatte, prägt heute mit den Bonner Handball. Besonders David. Er verdient seinen Lebensunterhalt mit Handball und ist glücklich darüber: „Ich lebe von dem, was ich am liebsten mache.“

Die aktive Karriere des Sportlers David Röhrig endete nach einer Kette von schweren Verletzungen. Fünf Kreuzbandrisse waren es am Ende – zu viel für jeden. Mit 16 ging es los, mit 23 zu Ende. Und die meisten hätten wohl schon früher die Segel gestrichen. Röhrig probierte es zunächst trotzdem immer wieder, weil er seinen Traum nicht aufgeben wollte. „Nach dem fünften habe ich gewusst, dass ich aufhöre“, erzählt David, dessen Körper die Belastungen des höherklassigen Handballs offensichtlich nicht (mehr) mitmachte. Es war eine schwierige Zeit, aber im Nachhinein vielleicht doch erst der Schlüssel zum Erfolg für einen, der längst begonnen hatte, sich fürs Trainer-Dasein zu interessieren.

Die Halle steht hinter ihm: An der Ringstraße wissen sie die Arbeit von David Röhrig zu schätzen. (Foto: Thomas Schmidt)

Aktuell ist er im vierten Jahr für die ersten Herren der TSV Bonn rrh. verantwortlich, die er in der berühmt-berüchtigten Halle an der Ringstraße in der neuen Regionalliga Nordrhein etablieren konnte. Bisheriger Höhepunkt war die Saison 2017/2018, als sich die Abteilungsleitung vorübergehend sogar mit dem Thema 3. Liga beschäftigen durfte, weil die Mannschaft die Konkurrenz lange vor Rätsel stellte und einfach mal auf Titelkurs war. Ob sich das kühne Unterfangen hätte verwirklichen lassen? Die Bonner brauchten jene Frage damals letztlich nicht mehr zu beantworten, weil sie im April 2018 mit dem 21:26 beim späteren Meister SG Langenfeld drei Runden vor dem Ende der Saison doch aus dem Rennen waren. An jene Serie denkt David Röhrig heute noch gerne zurück.

Wenn der Trainer Röhrig heute den gut durchgetakteten Tag beginnt, dreht sich nicht gleich alles um die TSV, aber alles um den Handball. Eine der Teilzeit-Beschäftigungen: Der 28-Jährige ist Coach bei der B-Jugend des Zweitligisten TSV Bayer Dormagen. In dieser Funktion erreichte er mit seinem Team im Frühjahr 2018 das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen die deutlich favorisierten und körperlich klar überlegenen Rhein-Neckar-Löwen. Bitter für Dormagen: Nach dem 31:31 aus dem Hinspiel und dem 23:23 aus dem Rückspiel vor rund 600 Zuschauern gab nur die Anzahl der auswärts erzielten Tore den Ausschlag zugunsten der Löwen. Die Bayer-Taktik und der kämpferisch starke Auftritt mit einer sehr offensiven 3-2-1-Deckung nötigte auch dem Sieger höchsten Respekt ab.

Nachfrage: David Röhrig pflegt ab und an auch den Austausch mit den Unparteiischen. (Foto: Thomas Schmidt)

Wenn sich David Röhrig nicht gerade mit der TSV Bonn rrh. oder Dormagen beschäftigt, schreibt er Trainingspläne, bereitet Trainer-Fortbildungen und Schul-Training vor oder investiert Zeit in seine Auswahl- und Sichtungs-Tätigkeit. Viel mehr geht nicht, aber der Vielbeschäftigte nimmt den Stress als positiv wahr: „Ich lebe vom Handball und für den Handball. Das ist ein Privileg.“ Am liebsten steht er dabei an der Seitenlinie, weil er dort Theorie und Praxis immer wieder direkt überprüfen kann: Wie passt das, was ich mir ausgedacht habe? Bei beiden Teams, um die er sich derzeit kümmert, könnte die Lage vermutlich schlechter sein. Die Dormagener B-Junioren dominieren die Regionalliga, die in dieser Altersklasse die höchste Liga ist, mit bisher vier Siegen in vier Spielen. Und die ersten TSV-Herren gehen mit 6:4 Zählern aus fünf Partien in die Meisterschaftspause (Herbst-Schulferien). Auf Rang vier stehen die Bonner sogar im oberen Drittel – was sie sofort annehmen würden, wenn das bis zum Ende der Saison so bliebe. Viele gehen allerdings aus guten Gründen davon aus, dass es sich diesmal alleine um den Klassenerhalt dreht.

Das 33:29 am ersten Spieltag beim BTB Aachen war eine wichtige Grundlage, das 25:27 gegen die HG Remscheid ein Rückschlag. Dann folgte der 25:24-Sieg im Derby-Krimi bei der HSG Siebengebirge, das den nicht mit unbegrenzten personellen Möglichkeiten ausgestatteten Bonnern Zentnerlasten von den Schultern nahm. Ein Grund für die riesige Erleichterung: In Regisseur Nils Bullerjahn stand der wichtigste Offensivspieler bereits nicht mehr zur Verfügung (Kreuzbandriss, Meniskusriss). Anschließend folgten ein 27:21 gegen den TV Jahn Köln-Wahn und die Aufgabe beim Titelkandidaten TV Korschenbroich. Das 23:31 war im Ergebnis happig, aber mit dem Blick auf die unterschiedlichen Saisonziele nicht richtig tragisch für die Gäste.

Nicht mehr an Bord bei den Bonnern ist seit zwei Jahren Christopher Röhrig, der seine Karriere 2017 beendet hat. Einer der spielenden Eckpfeiler des aktuellen Teams ist der Trainer-Bruder Simon Röhrig. Komplikationen im innerfamiliären Verhältnis sieht David da nicht: „Er ist ja sehr pflegeleicht.“ Zuschauender Stammgast bei den Heimspielen ist Vater Gerd, der nicht nur seinen Söhnen zuschaut, sondern auch für den Verein fotografiert. In der Halle an der Ringstraße zu Hause ist zudem Davids Schwester Lea, die für die dritten Frauen aufläuft – und dort ebenfalls mit Leidenschaft bei der Sache ist. Nur diejenige, mit der damals alles begann, schaut nicht mehr zu. Marianne Röhrig hat für sich beschlossen, sich den Handball ihrer Kinder live lieber zu ersparen – weil sie angesichts der vielen Verletzungen nicht mehr an Ort und Stelle mitzittern mag, dass wieder etwas passieren könnte. Sie ist konsequent – eine Eigenschaft, die sie offensichtlich unter anderem auf David übertragen hat.

Wohin dessen Weg noch führt? Das Ende wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bei den Bonnern liegen, die er ja gerade im vierten Jahr trainiert. Irgendwann werden die entsprechenden Gespräche darüber beginnen, was passieren soll. Wir schlagen eine Wette vor: Die Reise wird weitergehen. Und dies ist dann tatsächlich die Geschichte von einem, der auszog, die Handball-Welt zu erobern.