3. Liga Nord-West
Panther wollen sich durchbeißen: „Wir kämpfen für Simon“
Der Unfall des schwer am Fuß verletzten Rückraumspielers belastet die HSG immer noch sehr. Simon Wolter soll am Donnerstag operiert werden.

Beschwörungsversuch: Trainer Marcel Mutz (Dritter von links) und die Panther wollen noch enger zusammenrücken. (Foto: Thomas Schmidt)

Das ist erst dreieinhalb Wochen her und die Handball-Welt da noch in Ordnung. Am 13. Oktober gewinnt die HSG Bergische Panther trotz stressiger Anreise wegen eines Staus auf der Autobahn bei LiT Tribe Germania mit 31:30. Teil der Geschichte, die wie ein Märchen klingt: Simon Wolter. Der Rückraumspieler, der wegen einer Schambein-Entzündung über ein halbes Jahr kein Spiel mehr gemacht hat, kehrt auf das Feld zurück. Es wird das Comeback des Jahres, denn Wolter erzielt fünf Tore – darunter jenes auf den letzten Drücker, das im extrem spannenden Finale den Sieg bringt. Die Panther stehen nun bei 12:4 Punkten und haben sich auf Rang drei unter die Top-Teams der Klasse gemischt. Inzwischen scheint das alles nur eine Fata Morgana gewesen zu sein, von der sie sich im Bergischen kaum noch ein Bild machen können. Dass die Mannschaft danach drei Mal hintereinander nicht gewinnt und sogar zwei Mal klar verliert – geschenkt. Klar überlegen die Panther irgendwo, wie es sportlich weitergeht. Viel mehr Gedanken machen sie sich aber um Simon Wolter, dessen Glück darüber, wieder seiner Leidenschaft nachgehen zu können, nicht lange gehalten hat. In der Partie gegen den Longericher SC, die am 1. November zu einem Handball-Fest werden soll, spielt das Schicksal dem Linkshänder wieder übel mit. Simon Wolter erleidet in der 41. Minute eine komplizierte Fußverletzung. Sicher ist sofort: Es ist etwas gebrochen. Wolter muss lange behandelt werden, bis ihn die Sanitäter auf einer Trage zum draußen bereitstehenden Krankenwagen bringen können. Nach der Unterbrechung setzen beide Teams die Partie zwar fort, doch das Ergebnis von 27:35 sehen alle als die beinahe unwichtigste Nachricht des Abends. Viele sind in diesem Moment immer noch bei Simon und fragen sich vielleicht, was sie für ihn tun können.

Alles Gute: Auch Longericher Spieler wie Bennett Johnen (Mitte) und Marian Dahlke (rechts) gaben dem verletzten Simon Wolter ihre besten Wünsche mit. (Foto: Thomas Schmidt)

Inzwischen liegt eine genauere Diagnose vor und sie macht klar, dass auf den Handballer erneut eine sehr lange Pause wartet. Trainer Marcel Mutz, der seinen Spieler häufig in der Klinik besucht, zählt auf: Das Wadenbein ist gebrochen, das Syndesmoseband ist ebenso gerissen wie andere Bänder im Fuß, das ausgerenkte Sprunggelenk inzwischen wieder eingerenkt. Weil die starke Schwellung selbst Röntgen-Aufnahmen erschwert, wird erst die für Donnerstag vorgesehene Operation aufdecken können, ob eventuell auch das Schienbein beschädigt ist. Es ist deutlich zu spüren, wie sehr Mutz mit seinem Schützling leidet: „Das ist einfach ein riesiger Mist. Wir sind alle sehr traurig.“

Was ihn und den auf die OP wartenden Spieler doch tröstet, ist die große Anteilnahme. Das war ja schon in der Halle so, als jeder Zuschauer und alle Longericher spürten, dass es hier nicht mehr um zwei Punkte ging. Simon Wolter durfte beim schmerzhaften Weg aus der Halle die Gewissheit mitnehmen, dass sich die Grenzen zwischen um jeden Zentimeter Raum kämpfenden Gegnern manchmal auflösen. Auch auf der Tribüne gab es keine dummen Sprüche mehr, wie sie sonst bei Derbys üblich sind. Mittlerweile treffen beim Verein und beim verletzten Spieler über alle zur Verfügung stehenden Kanäle nahezu pausenlos Nachrichten mit guten Wünschen ein. „Der Handball zeigt hier gerade, dass er wirklich eine große Familie ist, wenn es darauf ankommt“, findet Marcel Mutz, „wenn solche Dinge wie bei Simon passieren, wird alles andere nebensächlich. Dann ist ein scheiß Handballspiel plötzlich total unwichtig.“ Was er meint, ist sonnenklar. Und trotzdem gehört zur Realität, dass die Saison am Samstagabend mit der Aufgabe beim TuS Volmetal weitergeht.

Zur sachlichen Aufarbeitung der bisher absolvierten Saison gehört, dass die Panther drei mäßige bis sehr schlechte Auftritte hinter sich haben. Vor den Niederlagen in Schalksmühle und gegen Longerich war ja das 25:25 gegen Aurich ebenfalls nur ein müdes Abbild der ersten acht Spiele. Insgesamt ist die Entwicklung für den Panther-Coach aber kein Wunder: „Wir haben zurzeit keine Ruhe im Kader, wie müssen permanent basteln und umbauen.“ Weil das Aufgebot zuletzt nie komplett war, gestaltete sich entsprechend die Trainingsarbeit schwieriger. Und vor dem gebrauchten Abend in Schalksmühle hatte zu allem Überfluss Henrik Heider bei einem Autounfall ein schweres Schleudertrauma erlitten, sodass er sowohl dort als auch gegen die Longericher ausfiel. Gegen die Kölner standen dann Spielmacher Justus Ueberholz und Simon Wolter von Beginn an auf dem Feld, obwohl sich beide nach ihren langen Verletzungspausen eigentlich erst Stück für Stück heranarbeiten sollten. Doch es ging nicht anders und nach der Wolter-Verletzung wechselte Rechtshänder Uberholz sogar in den rechten Rückraum.

Bis dahin war alles normal: Simon Wolter stürzte sich ins Getümmel mit den Longerichern Bennett Johnen (links) und Tim Hartmann. (Foto: Thomas Schmidt)

Wie das Personalpuzzle, bei dem ein paar Teile zu fehlen scheinen, zu einem funktionierenden Ganzen wird, ist eine der offenen Fragen bei den Panthern. Hauptsächlich sieht sich der HSG-Trainer zurzeit sowieso als Therapeut gefragt, der das Team moralisch wieder aufrichten will. „Eigentlich haben wir eine Mannschaft, die erfahren und clever genug ist“, erklärt Mutz, „wir müssen jetzt noch mehr über das Wir-Gefühl kommen.“ Das trifft bestimmt zu, weil die Aufgabe in Volmetal definitiv höchstens mit einer geschlossenen Vorstellung und einem ausgeprägten Willen wird lösen lassen. „Wir müssen den Kampf annehmen“, betont der Coach, „wir müssen uns irgendwie durchbeißen.“ Eine anderen Formulierung könnte so aussehen: „Wir spielen und kämpfen für Simon.“

Im ungünstigsten Fall könnte es den Panthern so gehen wie kürzlich dem Nachbarn Leichlinger TV, der beim gefährdeten TuS eine Lehrstunde in Sachen Leidenschaft bekam (25:30). Auch der Spitzenreiter und Aufstiegsfavorit Wilhelmshavener HV erlebte am siebten Spieltag sein blaues Wunder, als er beim Abstiegskandidaten den Kürzeren zog (26:27). Die Panther werden sich vermutlich noch bis Samstagabend den Kopf darüber zerbrechen müssen, welcher Plan für die Dienstreise nach Volmetal die größten Aussichten für ein positives Ergebnis bietet.

Insgesamt sieht die Situation der Panther mit 13:9 Punkten immer noch sehr brauchbar aus – und die Ausbeute entspricht voll dem vor der Saison ausgegebenen Ziel. Danach wären alle zufrieden, wenn es unter dem Strich eine Position zwischen Rang sechs und neun wird. Logische Folgerung: Mit Platz sieben ist jener Korridor erreicht. „Wir hatten eine sehr gute Phase“, findet Mutz, „im Moment läuft es nicht so gut und wir haben es noch nicht geschafft, da wieder rauszukommen. Aber ich vertraue der Mannschaft.“ Neues Ziel ist es nun erst einmal, bis Weihnachten etwa 20 Punkte auf dem Konto zu haben, um den Rest der Saison ab Januar 2020 mit neuer Ruhe angehen zu können. Plötzlich kommt dann wieder Gedanke daran durch, dass der Co-Kapitän mit Schmerzen im Krankenhaus liegt und auf seine Operation wartet. Vermutlich würden die Panther gerne auf jeden möglichen Zähler verzichten, wenn es ihrem Mitspieler nur bald besser ginge. Dann wäre die Handball-Welt wirklich wieder in Ordnung.