10. März 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Er fällt auf. Meistens durch gute bis sehr gute Leistungen. Die übliche Kluft bei den Kollegen auf dem Posten zwischen den Pfosten? Kein Thema. „Eine lange Hose engt doch mega ein“, sagt Oliver Middell. Mehr ist es nicht, warum er beim Mittelrhein-Oberligisten Pulheimer SC traditionell in kurzem Beinkleid seinen Kasten hütet und sich entschlossen den gegnerischen Angreifern entgegenstellt – kein Zwang, sich besonders abzuheben, kein nerviges Drängen in den Vordergrund. Es gibt dazu auch eine Kindheits-Geschichte: Der heute 24-Jährige war bis zur C-Jugend als Feldspieler unterwegs. Und als er den „Arbeitsplatz“ wechselte, sah er keinen Anlass, sich gleichzeitig in andere Kleidung zu zwängen. Die sportliche Entwicklung belegt eindrucksvoll, dass es stimmen muss mit dem Wohlfühlfaktor: Dass die Hornets auf dem zweiten Platz stehen und mit über die beste Abwehr der Oberliga verfügen, ist nicht zuletzt das Verdienst des Torhüters, der einst mit ART Düsseldorf in der Jugend-Bundesliga unterwegs war, in den Senioren über den HSV Bocklemünd den Weg nach Pulheim ins Team von Trainer Kelvin Tacke fand und dort seine Karriere auf gehobenem Niveau fortsetzen konnte.
Anspruchsvoll muss es definitiv sein, aber Oliver Middell hat die Schwerpunkte inzwischen ein bisschen anders gesetzt. „Früher war Handball immer die Nummer eins für mich“, sagt der Keeper, der keinen Millimeter von seiner alten Leidenschaft für den Handball verloren hat – mittlerweile jedoch berufliche Dinge stärker als früher berücksichtigt. Logisch: Das geht gar nicht ohne Sport, denn in einer nicht alltäglichen Kombination studiert Middell in Köln Sport und Physik auf Lehramt. Die Zusage für Pulheim hat er nie bereut, weil er sich in der Mannschaft sehr wohlfühlt und die bisherige Bilanz sogar über den vor der Saison abgesteckten Zielvereinbarungen liegt – die eine Position um Platz drei oder vier umfassen sollten. „Wir sind super glücklich damit, wie wir jetzt stehen“, betont Middell. Zumindest in der Theorie könnten die auf Rang zwei liegenden Pulheimer (28:6 Punkte) sogar den Spitzenreiter HC Gelpe/Strombach einholen (34:4). Dass es so weit kaum kommen wird, hat viel mit dem 15. Februar zu tun – ein Datum, bei dem Tobias Middell wohl heute noch Zahn- oder Kopfschmerzen bekommt.
Es sollte ein Duell unter Gleichen sein und hätte es nach der Tabelle eigentlich sein müssen. Die Wirklichkeit sah allerdings ganz anders aus – schön aus Sicht der Gäste, sehr schmerzhaft aus der Sicht der Hausherren, die von Beginn an nicht die Herren im eigenen Haus waren. Nach 15 Minuten war bei Oliver Midell angesichts des 3:9-Rückstands ebenfalls längst Ernüchterung eingekehrt, weil er keine Hand richtig an den Ball bekam und hinter einer überforderten Abwehr weit von sonstiger Klasse entfernt blieb. „Das war nicht gut“, bestätigt der Torhüter aus Leidenschaft, der für seinen Geschmack viel zu viele Würfe passieren lassen musste und generell sein größter Kritiker ist: „Ich bin nicht oft zufrieden. Ich finde häufig etwas, über das ich meckern kann.“ Bei den Hornets schätzen sie seine Fähigkeiten in der Regel aber sehr – und nicht nur die als letzte Instanz hinter der Deckung. Oliver Middell kann einen sehr anständigen Rückraumspieler geben und im halblinken Rückraum ist er dann auf der Königsposition im Handball mehr als ein bloßer Lückenbüßer. Na klar: Auch da neigt er gewohnheitsmäßig zur Untertreibung: „Nach zehn Jahren im Tor fehlt mir im Feld etwas das Spielverständnis.“ Trotzdem steht er bei Bedarf – was pro Saison vielleicht drei bis vier Mal vorkommt – gerne zur Verfügung, um dem Team zu helfen.
„Es macht Spaß in Pulheim“, betont Middell, „ich bin da super zufrieden.“ Dass es in dieser Saison mit dem Titel nichts wird, ist den personell vor dieser Serie umgebauten Hornets klar. Und obwohl der Schlussmann persönlich nicht (mehr) an den Profi-Handball denken mag, traut er sich den Sprung in die Regionalliga oder vielleicht in die 3. Liga rein sportlich zu. Auf Top-Niveau verfolgt er neben dem klassischen Hallen-Handball im Übrigen auch die Sand-Variante, der sich Middell bei den „12 Monkeys Köln BHC“ verschrieben hat. Die Herren, zu denen unter anderem Dennis Bredehorst vom TK Nippes und der Pulheimer Teamkollege André Nicklas gehören, sind gut. Richtig gut. Als bester deutscher Vertreter haben sich die „12 Monkeys“ fürs Finale der European Bechhandball Tour (EBT) qualifiziert, das vom 4. bis 7. Juni in Larnaka auf Zypern über die Bühne gehen soll. Weil der Termin schon lange festgezurrt ist, sagte der bereits als Kandidat für das Allstar Game der Harzhelden am 5. Juni gegen den Zweitligisten TSV Bayer Dormagen vorgeschlagene Torhüter eine mögliche Aufnahme ins bevorstehende Leser-Voting ab – schweren Herzens. Einen Vorteil hat Handball im Sand sowieso: Kein Torhüter käme auf die Idee, sich am Strand von Larnaka in einer langen Hose blicken zu lassen. Oliver Middell wird also einfach versuchen, durch gute bis sehr gute Leistungen aufzufallen. Wir sind gespannt darauf, was er zu erzählen hat.