Oberliga Niederrhein
Hier kommen die Gallier aus Geistenbeck
Der Verbandsliga-Meister freut sich riesig auf die Großen der Oberliga - besonders aufs Derby gegen die Borussia.

Eine schöne Erinnerung: Zum aktuellen Meisterfoto dürfen sich die Handballer des TV Geistenbeck zurzeit nicht treffen. Aber der Erfolg bei den Stadtmeisterschaften 2019 war ja auch nicht schlecht. (Foto: TVG)

Der Handball ruht derzeit überall. Trotzdem scheint gerade mitten in der coronabedingt schwierigen Zeit eine Euphoriewelle unterwegs zu sein. Auslöser ist der Mönchengladbacher Stadtteil Geistenbeck. Da freuen sie sich gerade riesig, weil erstens der TV Geistenbeck auf ziemlich beeindruckende Art in die Oberliga Niederrhein aufgestiegen ist – und weil genau deshalb demnächst wieder ein Derby gegen die große Borussia auf dem Programm steht. Die holte unter anderem für die kommende Saison den weithin bekannten und anerkannten Ronny Rogawska als neuen Trainer. Außerdem gab sie die Verpflichtung der Ex-Profis Heider Thomas (Dormagen), Niklas Weis und Dennis Aust (beide Rhein Vikings) bekannt. Die Geistenbecker stellen dem ihren Erfolgscoach Thomas Laßeur entgegen – sowie eine breit aufgestellte Mannschaft. Es ist wie das Duell zwischen David und Goliath oder der Versuch, eine kleines gallisches Dorf mit einem überschaubaren finanziellen Aufwand über die Runden zu bringen. Und der Blick hinter die Kulissen sollte den anderen auf jeden Fall eins zeigen: Passt auf. Da kommt ein Aufsteiger, der weiß, was er tut, der weiß was er kann, und der weiß, was er nicht kann. Bodenhaftung nennt sich das wohl.

Nach dem Abbruch der Saison 2019/2020 mussten die Geistenbecker ein paar Wochen warten, bis der Verband die Variante für die Auswahl der Aufsteiger festlegte. Laßeur (51), als Sportwart gleichzeitig Vorstandsmitglied der TV-Handballer, hatte immer wieder die verschiedenen Möglichkeiten durchgerechnet: „Nach jeder wären wir vorne gewesen.“ Ganz weit hinten war da trotzdem der Gedanke, die Saison würde vielleicht annulliert werden – und die Geistenbecker würden so um die Früchte eines tollen Jahres gebracht. Seit dem vergangenen Dienstag sind die Sorgen allerdings vom Tisch, weil jetzt die durch den Verband festgelegte Quotientenregelung natürlich den TV Geistenbeck auf dem ersten Platz sieht. Aus den 34:2 Punkten war ein Quotient von 188,9 geworden und in beiden Bereichen lag der Zweite TV Aldekerk II (26:10/144,4) irgendwie um einige Lichtjahre zurück. Der Meister 2019/2020, der kein Oberliga-Neuling ist (bereits vor einigen Jahren dort zu Hause), musste in seinen 18 Spielen mit dem 29:34 am 16. Februar beim Vierten TV Kapellen nur eine Niederlage hinnehmen. Diese 34 Gegentreffer passen im Übrigen ganz und gar nicht ins sonstige Gesicht des Meisters, dessen Erfolg auf einer betonartig wirkenden Abwehr mit der Vorliebe zu schnellen Gegenstößen basiert – und für seinen Coach alles andere als Zufall ist. „Das ist eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat“, sagt Laßeur.

Trainer aus Leidenschaft: Thomas Laßeur ist seit zwölf Jahren Coach und Geistenbecker mit Leib und Seele. (Foto: TVG)

Sowohl die Saison 2017/2018 als auch jene 2018/2019 beendete das Team als Vizemeister. Besonders bitter  war es vor knapp zwei Jahren: Damals gab die Mannschaft erst auf der Zielgeraden der Saison wertvolle Punkte ab und musste deshalb dem TV Lobberich den Vortritt lassen. Dann war der Abstand zum Meister Hiesfeld aufgrund eines schlechten Starts zwar etwas deutlicher, doch die Geistenbecker hatten längst Anlauf genommen. Nicht weniger als 13 der später insgesamt 15 Minuspunkte stammten aus 2018, ehe die Mannschaft richtig durchstartete. Das 22:26 vom 6. April gegen die HSG Vennikel/Rumeln/Kaldenhausen blieb bis zum 31. Dezember die einzige Niederlage im gesamten Kaldenderjahr 2019, an dessen Ende eine Bilanz von 46:2 Zählern auf dem internen Konto stand. Eins der Geheimnisse für diese starke Bilanz: „Wir sind das eingespielteste Team mit der größten Breite.“ Die Mannschaft belohnte sich unter dem Strich selbst für ihren großen Einsatz, vor dem der Coach den Hut zieht: „Wir hatten eine richtig gut Trainingsbeteiligung.“ Das wiederum lag unter anderem daran, dass der 18-Mann-Kader für einen entsprechenden Konkurrenzkampf sorgt(e). Jede Position ist damit zumindest doppelt besetzt und Ausfälle lassen sich einfacher wegstecken. „Mir macht das in Geistenbeck unheimlich viel Spaß“, betont Laßeur, der 2001 als Kapitän aktiv am ersten Oberliga-Aufstieg des Vereins beteiligt war, viel Wert auf eine stabile Deckung legt und mit seinen Spielern normalerweise dreimal pro Woche in einer ganzen Halle trainieren kann.

Im Grunde ist beim TV tatsächlich die Mannschaft der Star: „Wir können auf keinen verzichten.“ Trotzdem gibt es natürlich den einen oder anderen besonders wichtigen Führungsspieler. Beim TV Geistenbeck gehören dazu Torhüter Alexander Lausberg und Kreisläufer Timo Bautz sowie die Rückraumspieler Nicolas Reinartz und Timo Hüpperling. Auch sie wollen dafür sorgen, dass die Oberliga 2020/2021 kein kurzer Ausflug bleibt – indem sie weiter am Projekt Geistenbeck mitarbeiten. „Die Mannschaft bleibt zusammen“, sagt Sportwart Laßeur zur größten Zufriedenheit des Trainers Laßeur, „und ich traue dem jetzigen Kader ohne Weiteres zu, in dieser Klasse zu bestehen.“ Wie die Vorbereitung auf das steigende Niveau aussehen kann, müssen nun nicht nur die Geistenbecker in den kommenden Wochen erst sehr genau überlegen. „Wir haben noch keinen Plan“, räumt Laßeur ein. Das heißt allerdings lediglich, dass er bisher nicht auf den Punkt genau festlegen kann, wann es wieder das halbwegs normale Training gibt und wie übliche Testspiele möglich sein werden. Der etwas weiter in die Zukunft reichende Plan ist dafür fest verankert: Die Mannschaft will sich weiterentwickeln und auf einer Euphoriewelle den Großen der höheren Klasse einfach die Stirn bieten. Die Mönchengladbacher, Wuppertaler, Haaner oder Mettmanner der Oberliga sollten gewarnt sein. Da kommt einer, der weiß, was er tut.