27. Dezember 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
VfL Gummersbach – TuS N-Lübbecke 27:24 (14:10). Natürlich hatte die Konkurrenz den VfL Gummersbach im Kampf um die Meisterschaft und einen der beiden Plätze für den Sprung in die 1. Bundesliga immer auf der Rechnung. Als Favoriten sogar. Die Verantwortlichen selbst um Geschäftsführer Christoph Schindler waren zudem selbst so frei, die „Mission Aufstieg“ auszurufen – und damit ein bisschen deutlicher zu werden als der neue VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson. Sein Motto: „Sei lieber etwas vorsichtiger. Die anderen können auch viel.“ Genau bei jenen anderen dürfte sich allerdings mittlerweile etwas Ähnliches wie Verzweiflung breitmachen. Gummersbach gewinnt und gewinnt und gewinnt – oft auf eine besondere Weise. Abgeklärt bis in die Haarspitzen. Ruhig selbst dann, wenn es mal nicht so läuft. Irgendjemand findet eigentlich immer einen Weg. So war es auch am Sonntagabend beim Sieg über den Dritten TuS, der sich unter der Regie seines früher lange beim VfL tätigen Trainers Emir Kurtagic durchaus einiges ausgerechnet hatte – und am Ende wie so viele an den Gummersbachern abprallte. Der Titelkandidat aus dem Oberbergischen (22:2 Punkte) festigte Rang zwei hinter dem HSV Hamburg (24:4), der zwei Spiele mehr ausgetragen hat. Der TuS N-Lübbecke (18:8) und der TSV Bayer Dormagen (16:8) folgen auf den Rängen drei und vier. Ganz klar: Der Gummersbacher Auftritt zum Jahres-Abschluss am 30. Dezember in Dormagen wird ein echter Zweitliga-Kracher.
Die Hausherren steckten bereits das 0:1 (2.) und 1:2 (4.) weg, als sei gar nichts passiert. Ab dem 4:4 (8.) nahm Sigurdssons Team zunehmend das Heft in die Hand – vor allen Dingen dank einer starken Abwehr. Nach dem 7:4 (12.) von Timm Schneider beantragte Kurtagic die erste Auszeit für den TuS, doch die Wirkung war verblüffend. Nicht Nettelstedt entwarf gute Lösungen, sondern Gummersbach: Raul Santos war mit seinen Toren zum 8:4 (15.) und 9:4 (16.) der dankbare Nutznießer bitterer TuS-Fehler. Dass die Gäste trotzdem in die Partie zurückfanden, hatten sie zuerst sich selbst verdanken – weil sie nicht aufgaben. Außerdem profitierten sie von der größten Schwäche der Hausherren: Der VfL ließ hin und wieder selbst beste Gelegenheiten liegen. Weil aus dem 11:9 (22.) bis zur Pause dennoch wieder eine Vier-Tore-Führung wurde und Tin Kontrec (31.) sowie Alexander Hermann (33.) direkt am Anfang der zweiten Halbzeit auf 16:10 erhöhten, war grundsätzlich erneut der Boden für einen entspannten Rest-Abend bereitet. Der Haken für Gummersbach: Nettelstedt versuchte sich zunehmend bis hartnäckig als Spielverderber.
Bis zum 19:13 (39.) und 21:15 (43.) genügte überwiegend der Verwaltungsmodus, weil Sigurdssons Mannschaft praktisch jeden Versuch des TuS mit einer schnellen Lösung beantwortete. Der eine oder andere Fehlpass, der eine oder andere durchschnittliche Wurfversuch halfen Nettelstedt auf die Beine – 21:17 (46.), 23:19 (49.), 24:20 (51.), 25:22 (57.). Weil der VfL gegen die nun mit einer offenen Manndeckung alles riskierenden Gäste erstaunliche Probleme hatten, rief Sigurdsson seine Schützlinge zu einer letzten Auszeit zusammen – und es war eine mit durchschlagendem Erfolg. Das Rezept: Man bringe den erst 18 Jahre alten Julius Fanger. Der junge Spielmacher erzielte tatsächlich die entscheidenden Tore zum 26:22 (57.) und 27:23 (58.). Klar: Sigurdsson freute sich nachher mit Fanger, auf dessen Schnelligkeit er gesetzt hatte: „Das hat er richtig, richtig gut gemacht.“
Deutlich unglücklicher wirkte hinterher Emir Kurtagic, der den Nettelstedtern kämpferisch keinen Vorwurf machte, aber dafür beim Blick auf den Statistikbogen fast entsetzt wirkte: „Wir haben 30 Bälle und Chancen weggeworfen. Das ist natürlich für ein Spitzenspiel viel zu viel. Gummersbach hat insgesamt weniger Fehler gemacht und deshalb verdient gewonnen.“ Sigurdsson konnte/wollte nicht widersprechen, verschob jedoch die Tiefen-Analyse vorerst: „Wir haben über weite Strecken gut gedeckt und sind überglücklich, dass wir gewonnen haben.“ Das mit dem Glück werden die anderen so kaum teilen – weil sie bald nicht mehr wissen, wie sie dem VfL ein Bein stellen könnten. Mal sind es die Routiniers wie Timm Schneider, Alexander Hermann oder Janko Bozovic, die ein Spiel für den VfL auf den Weg bringen. Manchmal ist es aber ein 18-Jähriger, der den Gegner verzweifeln lässt. Ganz sicher ist gleichzeitig auch: Am kommenden Mittwoch werden die Dormagener mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, den Titel-Kandidaten zu ärgern.
VfL Gummersbach: Valerio, Puhle – Schröter, Fanger (2), Vidarsson (3), Blohme (3), Kontrec (1), Häseler, Hermann (6), Schneider (1), Meinhardt (2), Santos (5/3), Kiesler, Haller, Stüber, Bozovic (4).