Regionalliga Nordrhein/Oberliga Mittelrhein
„Return to Play“: Die vergessenen Schiedsrichter
Die beiden Aachener Jérôme Breuer und Dennis Schaaf pfeifen seit Jahren mit viel Engagement. Auch sie leiden unter der langen Pause.

Blickrichtung: Dennis Schaaf (rechts) und Jérôme Breuer fragen sich zurzeit, wie sie die für einen Wieder-Einstieg erforderliche Praxis an der Pfeife bekommen können. Da sitzen sie mit den Spielern in einem Boot. (Foto: Thomas Schmidt)

Das passt zum Frühling: Der Handball wacht weiter aus seinem durch die Pandemie verursachten Schlaf auf. Mit der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga, deren Beginn die HSG Krefeld Niederrhein gegen die HSG Hanau glücklich für sich entscheiden konnte (27:26), treten unterhalb des direkten Profibereichs wieder mehr Mannschaften in Erscheinung. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt einem riesigen Aufwand von Organisatoren und Sportlern, die sich nach einer gefühlt ewigen Pause wieder in die Wettkampfpraxis stürzen – oft genug nach einer noch „ewiger“ währenden Vorbereitung. Beim Fokus auf Mannschaften und deren Umfeld vergessen viele allerdings die Menschen, ohne die überhaupt nichts laufen würde: Schiedsrichter. Deren Leistung wird im Normalbetrieb als völlig selbstverständlich angesehen. Und geht dennoch ein Spiel daneben, braucht der Unparteiische ein dickes Fell. Ein Problem: Auch Schiedsrichter konnten – wie fast alle – ihr Handwerk in den vergangenen Monaten eben nicht ausüben. Wie sieht hier das „Return to Play“ aus?

„Wir haben uns so fit gehalten, dass wir körperlich jederzeit wieder hätten pfeifen können“, sagt Jérôme Breuer, der zusammen mit Dennis Schaaf, seinem Partner an der Pfeife, zuletzt hauptsächlich in der Regionalliga Nordrhein aktiv war. Das hieß für die beiden Aachener zum Beispiel, ein Fitnesstraining zu absolvieren, um den körperlichen Anforderungen an Schiedsrichter gerecht zu werden. Kein großes Thema. Nun wartet jedoch der schwierige Teil: Es geht darum, auch in den Regeln fit zu bleiben. „Wir machen regelmäßig Tests mit Regelfragen beim DHB-Schiedsrichterportal. Man kann es sich ähnlich vorstellen wie das Lernen für die Führerscheinprüfung“, erklärt Breuer. Neben der eigenen Disziplin ist wichtig, dass Breuer/Schaaf beim Lernen mit anderen Gespannen Kontakt halten und sich zu strittigen Szenen unter anderem aus der Bundesliga austauschen. Auch Mentor Frank-Michael Teschauer bietet den beiden – wie seit Langem – erstklassige Hilfe. Regelmäßig holt sich der Kölner Meinungen seiner Schützlinge zu schwierigen Szenen ein, die er teilweise sogar aus skandinavischen Ligen „importiert“. Ein gutes Beispiel war sicher das WM-Viertelfinale im Januar zwischen Ägypten und Dänemark – eine Partie wie gemacht für Diskussionen. Eine Abfrage der Regelkenntnisse gleicht beim DHB einer Klausur: 30 Fragen aus einem rund 330 Fragen großen Pool, 45 Minuten Zeit.

Entscheidungsfreudig: Dass Jérôme Breuer eine Zeitstrafe verhängen musste, kam früher natürlich regelmäßig vor. Seit der bisher letzten Entscheidung dieser Art ist aber rund ein halbes Jahr vergangen – unfreiwillig. (Foto: Thomas Schmidt)

Klingt eigentlich ganz einfach – wäre da nicht das Prinzip „use it or lose it“. Jérôme Breuer bezieht klar Stellung: „Realistisch gesehen wird es einen Leistungsrückschritt geben. Erfahrungsgemäß braucht man etwas Zeit, um wieder sicher zu werden.“ Es ist eine starke Aussage, denn manche Sportler halten ja eine gute Schiedsrichterleistung für selbstverständlich. Eine andere Frage: Kommen überhaupt alle Schiedsrichter in die Hallen zurück? Widmen sie sich nach einer langen Pause anderen Aufgaben oder arbeiten sie sich tatsächlich neu in das Schiedsrichterwesen rein? Raum für Überlegungen, es eventuell sein zu lassen, ist vielleicht gerade bei sehr erfahrenen Unparteiischen da.

Trotz aller Widrigkeiten steht fest: Auch die Schiedsrichter scharren, wie alle im Handball, mit den Hufen. „Man merkt erst jetzt, was man ohne den Handball nicht mehr hat“, betont Breuer, der seinen Sport gemeinsam mit Dennis Schaaf leidenschaftlich gerne begleitet: „Wir haben große Sehnsucht nach allem, was zum Handball gehört.“ Damit dürfte er manchem/vielen/allen aus der Seele sprechen. Umso wichtiger sind deshalb jegliche Überlegung und sämtliche Ideen, dem Handball wieder mehr Raum zu bieten. In einer bis jetzt noch nicht ausgeschlossenen, sondern zumindest theoretisch weiterhin möglichen Aufstiegsrunde der Regionalliga Nordrhein für die 3. Liga könnte das Warten für Breuer/Schaaf eventuell bald ein Ende haben. Keine Frage: Sie wären sofort bereit.