Regionalliga Nordrhein
Gefragt, gejagt: Essen, Rheinhausen oder doch Ratingen?
Drei Mannschaften kämpfen ab Freitag in Düsseldorf-Rath um den Aufstieg in die 3. Liga.

Im Anflug: Patrik Ranftler und seine Rheinhausener haben als Außenseiter praktisch nichts zu verlieren. Sie könnten aber die beiden „Großen“ gewaltig ärgern. (Foto: Herbert Mölleken)

Und am Ende spielen sie doch. Manche werden es für überflüssig halten, andere werden neidisch sein – vermutlich selbst ein Teil derjenigen Regionalligisten, die sich gegen die Teilnahme an der (freiwilligen) Aufstiegsrunde zur 3. Bundesliga entschieden haben. Zu 150 Prozent dürften aber die allermeisten, die sich für den Handball hierzulande interessieren, sehr intensiv verfolgen, was da ab Freitagabend in der Waldsport-Halle in Düsseldorf-Rath passiert. TuSEM Essen II, die SG Ratingen und der OSC Rheinhausen bewerben sich dann um die eine zu vergebende Fahrkarte ins Glück. Und dabei nehmen sie einiges in Kauf – wie den Verzicht auf Zuschauer, Handball unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder die Einhaltung eines ausgedehnten Hygiene-Konzepts unter anderem mit Corona-Tests aller direkt Spielbeteiligten. „Wir müssen drei Stunden vorher da sein“, sagt Thomas Molsner, der Trainer der Rheinhausener. Sein OSC bestreitet am Freitag um 19 Uhr gegen Essen die Eröffnungs-Partie. Am Samstag um 18 Uhr trifft Rheinhausen auf Ratingen, ehe Essen und Ratingen am Sonntag um 15 Uhr den Abschluss des Dreier-Turniers gestalten. Wir versuchen eine Antwort darauf, wie die Teilnehmer einzuschätzen sind.

Wer aufsteigen muss Ratingen versucht seit dem Abstieg am Ende der Saison 2016/2017 die Rückkehr in die 3. Liga – mit einem durchaus erheblichen personellen Aufwand, zum dem der sportliche Ertrag ganz und gar nicht passen will. Besonders dramatisch lief es auf der Zielgeraden der Saison 2018/2019, als die SG am letzten Spieltag nur noch einen Punkt gebraucht hätte, um den lange führenden MTV Rheinwacht Dinslaken hinter sich zu lassen. Aber es gab an jenem 5. Mai 2019 eine 28:29-Niederlage. In Essen. Die folgende und später vorzeitig abgebrochene Serie 2019/2020 begann am 15. September 2019 mit einer 28:31-Niederlage. In Essen. Und die nur kurz nach Plan laufende Saison 2020/2021 begann am 27. September 2020 mit einer 23:24-Niederlage. In Essen. Dabei hatte Ratingens Trainer Ace Jonovski inzwischen längst ein immer wieder verstärktes Aufgebot an der Hand – unter anderem mit Ex-Profis wie Alexander Oelze oder Filip Lazarov, zu denen sich im Sommer 2020 Rückraumspieler Robert Markotic aus der 1. Bundesliga (Stuttgart) und Keeper Denis Karic aus der 2. Bundesliga (Eisenach) gesellten. Regisseur Simon Ciupinski oder Kreisläufer-Rückkehrer Damian Janus (beide vom damaligen Zweitliga-Absteiger HSG Krefeld) kamen ebenfalls nicht an die Gothaer Straße, um ihre Karriere im Mittelmaß ausklingen zu lassen. Zuletzt überraschten die Ratinger, indem sie eigens für die Aufstiegsrunde ihren einstigen Spielertrainer Simon Breuer als Co-Trainer an Bord holten, der zurzeit eigentlich beim Regionalligisten BTB Aachen als Sportlicher Leiter beschäftigt ist. Vielleicht wollen die Ratinger ja ihren Chefcoach Ace Jonovski, einen ausgewiesenen Abwehrspezialisten, für ein Blitz-Comeback auf dem Feld einsetzen. Dann müssten sie sowieso jemanden haben, der draußen alles koordiniert. Fazit insgesamt: Ratingen muss aufsteigen.

HH2

Wer aufsteigen will Die Essener haben sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Spielverderber für die Ratinger entwickelt – wie 9:1 Punkte aus den vergangenen fünf Begegnungen belegen. Und hätte sich der Verband dazu entschlossen, den Aufsteiger über eine Quotientenregelung etwa aus drei Spielzeiten zu ermitteln, wäre das Team von Trainer Nelson Weisz die Nummer eins gewesen. Auch in der kurzen Serie 2020/2021 wiesen die Essener nach, dass sie diesmal nicht bloß die mehr oder weniger gut in der Regionalliga mitschwimmende Talentschmiede eines Bundesligisten sein wollen. Dass TuSEM I bereits seit einiger Zeit als direkter Wieder-Absteiger in die 2. Bundesliga feststeht, hat für die Zweite wenig geändert. „Der Verein würde sich freuen, wenn es für uns mit der 3. Liga klappt“, sagt Weisz, „seit feststeht, dass es die Aufstiegsrunde gibt, hast du das auch im Training gespürt. Wir sind optimistisch, dass wir eine gute Leistung abliefern.“ Der Turnierplan mit dem Auftakt im Ruhrgebietsderby gegen Rheinhausen und dem „Finale“ gegen Ratingen kommt ihm ganz gelegen – ohne dass sich die Essener in der „Pause“ zwischendurch untätig zurücklehnen wollen: „Wir werden am Samstag noch einmal trainieren.“ Weisz kann aus einem ausreichend großen Kader sein endgültiges Aufgebot bauen – doch umfangreiche Anleihen aus dem Erstliga-Team verbieten sich von selbst, zumal die Essener am kommenden Wochenende ihre Bundesliga-Saison beenden. Und der bereits „oben“ eingesetzt Keeper Arne Fuchs war eher eine Stammkraft aus der Zweiten mit Anbindung an Najis Aufgebot. Nicht zum Einsatz soll im Übrigen Tim Koenemann kommen, der bereits vor einigen Monaten seinen Wechsel zur neuen Saison angekündigt hatte. Ausgerechnet nach Ratingen. Fazit: Essen will aufsteigen und Essen hat mit seiner jungen Mannschaft das Zeug dazu. 

Wer aufsteigen kann Sie sind die Unkalkulierbaren. Vermutlich rechnen die Wenigsten damit, dass der erst vor der Saison 2020/2021 aus der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegene OSC Rheinhausen den Durchmarsch in die Drittklassigkeit hinlegt. Das Team von Trainer Thomas Molsner ist der Außenseiter, für den der mittelfristig angestrebte Sprung in die 3. Liga vielleicht tatsächlich ein bisschen zu früh käme. Genau diese Gedanken haben alle Beteiligten um Vorstand, Trainerteam und Spieler nun allerdings erst mal zur Seite geschoben. Das Motto: Sollten wir es schaffen, nehmen wir die Gelegenheit wahr. Sonst hätten wir ja gar nicht melden müssen. „Ich sehe das alles grundsätzlich ergebnisoffen“, betont Molsner, der sich wie alle im Verein auf die Herausforderung freut. Größter Vorteil des OSC: Er kann auf eine eingespielte Mannschaft bauen, die auf der einen Seite in Patrik Ranftler (31), Alexander Grefer (32) und Moritz Krumschmidt (31) über erfahrene Kräfte verfügt – und auf der anderen etwa in Max (24) und Felix Molsner (21) über junge Leute. Dass die Mischung stimmt, macht die Rheinhausener gefährlich – neben der Tatsache, dass sie den wenigsten Druck von allen haben. Dass der OSC beide auf dem falschen Fuß erwischt? Ist denkbar, ja. Dann wäre der Sonntag plötzlich gar nicht mehr interessant und Rheinhausen dürfte am Samstagabend spontan feiern. Allgemeine Einstellung bei Molsner und der Mannschaft: „Wir haben Bock darauf, zu spielen. Und wir sind nur zwei Siege vom Aufstieg entfernt.“ Das spricht für extreme Gelassenheit – und dabei ist nicht mal raus, ob diese zwei Siege überhaupt notwendig sind. Vielleicht reichen 3:1 oder sogar 2:2 Punkte. Fazit: Der OSC Rheinhausen kann es schaffen. Unter dem Strich spricht trotzdem das meiste dafür, dass Essen II und Ratingen das entscheidende Duell in der Aufstiegsfrage austragen.