16. September 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Die Welle der schlechten personellen Nachrichten reißt einfach nicht ab beim TSV Bayer Dormagen. Und Trainer Dusko Bilanovic weiß, dass es jetzt mehr denn je auf das ankommt, was bereits eine Spezialität geworden zu sein scheint: „Wir müssen wieder basteln.“ Dass Joshua Reuland (nach Kreuzbandriss im Reha-Training) noch für eine ganze Weile ausfallen würde, hatten die Dormagener eingeplant. Weniger vorbereitet waren sie auf den Ausfall von Alexander Senden (Schulter-Operation) und den des aus der eigenen A-Jugend hochgezogenen Lucas Rehfus (Schulter), die bereits zum Saison-Auftakt beim ASV Hamm-Westfalen fehlten. Diese Partie erwies sich nun mit etwas Verspätung als doppelt teurer Ausflug – was nicht nur mit der womöglich vermeidbaren 22:24-Niederlage zu tun hatte. Der TSV war gerade im Begriff, sich vom 16:19-Rückstand nicht aus der Bahn werfen zu lassen, als Ante Grbavac in der Vorwärtsbewegung mit Hamms Jo Gerrit Genz zusammenstieß, dabei offensichtlich unglücklich mit dem Fuß aufkam und in der 48. Minute nach kurzer Behandlung humpelnd das Feld verlassen musste. Kurzformel: Grbavac erlitt einen Bänderriss. Für Bilanovic bedeutet diese Diagnose, dass ihm von ursprünglich drei für den linken Rückraum vorgesehenen Spielern kein einziger mehr zur Verfügung steht – natürlich auch für die bevorstehende Aufgabe am Freitagabend gegen die SG BBM Bietigheim nicht, die schwierig genug werden dürfte.
Mut schöpfen die Dormagener vor allem aus der starken Leistung ihrer Abwehr, die den Angriff der Hammer Hausherren in Zusammenarbeit mit Keeper Martin Juzbasic oft im Griff hatte. „Das war richtig gut“, findet Bilanovic, dessen Mannschaft in der Schlussphase nie aufgab und sich sogar die Chance auf beide Zähler erarbeitete – 21:20 (55.) durch Ian Hüter, 22:21 (57.) durch Patrick Hüter. Am Ende reichte es jedoch nicht dazu, weil die Gäste in der einen oder anderen Szene doch falsche Entscheidungen trafen. „Da musst du cool bleiben“, sagt Bilanovic, der seiner Mannschaft in Sachen Einsatz und Leidenschaft wenig vorzuwerfen hatte. Nun hofft er erst recht, dass gegen Bietigheim mit den eigenen Fans im Rücken ein bisschen mehr herausspringt, um das eigene Konto auszugleichen. Die SG, die den Start mit dem neuen Trainer Iker Romero in den Sand setzte, wird trotzdem ihre eigenen Pläne mitbringen – um das überraschende 26:29 gegen den ThSV Eisenach irgendwie zu korrigieren.
Aufmerksamer Beobachter dessen, was sich in Hamm zutrug, war natürlich Jamal Naji, der Trainer des Bundesliga-Absteigers TuSEM Essen, der am Freitagabend bei seiner Heimpremiere für die 2. Bundesliga die Qualitäten des ASV überprüft. Der 32:28-Auftaktsieg beim EHV Aue war für die Essener richtig wertvoll, weil sie trotz eines extrem schleppenden Beginns (14./4:8) nicht die Kontrolle verloren, sich lieber Stück für Stück in die Partie hineinarbeiteten und die Angelegenheit in den letzten zehn Minuten im Griff hatten. Ein Eckpfeiler für den Sieg: Tim Rozman, der vorher angeschlagen war und auszufallen drohte, trat mit sechs Treffern sehr wirkungsvoll auf – sogar deutlich wirkungsvoller als Lucas Firnhaber (drei), die sonstige Nummer eins im rechten Rückraum. Zu den kurioseren Tatbeständen gehört, dass der ebenfalls angeschlagene Viktor Glatthard über 50 Minuten von der Bank aus zusah. In der Schlussphase sollte der Schweizer dann defensiv für etwas Entlastung sorgen, kam aber nicht wirklich dazu, weil er beim Stande von 29:25 für Essen die Rote Karte sah (57.). Naji staunte: „Das war ein 14-Sekunden-Einsatz.“
Für die TuSEM-Heimpremiere in der Halle „Am Hallo“ rechnet der Essener Coach mit einem Duell auf Augenhöhe. „Hamm hat eine ähnliche Kaderstärke wie wir“, findet Naji, „und sie haben durch den Niederländer Dani Baijens noch einmal einen guten Impuls bekommen.“ Der knappe Erfolg über Dormagen zeigte allerdings, dass der ASV nicht unverwundbar ist – und wie die meisten Teams mit einigen im Frühstadium der Saison natürlichen Schwankungen leben muss. „Da war noch nicht alles Gold, was glänzt“, meint Naji. Seine ehrliche Ergänzung: „Bei uns auch nicht.“ Vielleicht wird nach 60 Minuten der vorne liegen, der seine Fehlerquote etwas schneller reduziert. Sicher ist, dass der Gewinner mit dann 4:0 Zählern einige Euphorie in die kommenden Wochen transportieren kann.
Auf Wolke sieben schwebten sie beim VfL Gummersbach schon am Dienstagabend, denn die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson gewann gegen den VfL Lübeck-Schwartau beim verspäteten Start in die Saison glatt mit 31:22 und übernahm direkt die Tabellenspitze. Was der klare Heimsieg wirklich wert ist, dürfte allerdings erst am Freitagabend feststehen – nach der Partie beim ThSV Eisenach, der unter der Regie des Gummersbachers Markus Murfuni erstens eine überzeugende Vorbereitung und zweitens einen überzeugenden Saisonstart hinlegte. Vor knapp drei Wochen etwa gewannen die Thüringer in der ersten Runde des DHB-Pokals mit 35:31 – bei den Lübeckern. Nun holte der ThSV am ersten Spieltag in der 2. Bundesliga mit dem 29:26 in Bietigheim dank einer weiteren starken Vorstellung beide Punkte. Und na sicher: Murfuni gönnt den Gummersbachern, wie immer, im Prinzip alles: „Meiner Meinung nach gehört der VfL in die 1. Bundesliga.“ In den gut 60 Minuten auf dem Feld gönnt er ihnen im Prinzip trotzdem eher nichts. Folge: Das könnte ein spannender Abend werden.
Eine eher unangenehme Begleit-Erscheinung des Auftaktsieges über Lübeck müssen die VfL-Verantwortlichen noch klären. Jene überflüssige Rote Karte, die sich Ellidi Vidarsson in der 50. Minute beim Stande von 25:19 einhandelte, beschäftigt nun die Verbands-Gerichtsbarkeit – da die Unparteiischen am Kampfgericht zusätzlich eine Blaue Karte hinterlegten. Nach den vor fünf Jahren durch den Weltverband neu eingeführten Regeln zeigt das an, dass ein Sonderbericht folgt. Und im Bereich des DHB ergibt sich daraus eine automatische Sperre für mindestens ein Spiel – im schlimmsten Fall für länger. Für den VfL dürfte sich zum ersten Mal richtig auszahlen, dass die Kaderbreite im Vergleich zur vergangenen Saison gestiegen ist: In Jonas Stüber und Neuzugang Stepan Zeman (Tschechien/vom HSC Coburg gekommen), stehen immer noch zwei Kreisläufer zur Verfügung, die offensiv wie defensiv mehr als bloße Platzhalter sind.