Regionalliga Nordrhein
Ein Fünfkampf: Ratingen muss sich noch anstellen
Gewinnen Gelpe, Aachen, Aldekerk und Korschenbroich, bleiben sie vorne. Hinten wartet Rheinbach auf den ersten Sieg.

Knappe Kiste: Ob Nicolas Eusterholz (mit Ball) hier einen regulären Treffer für den TV Rheinbach erzielt hätte? Eher nein, denn er steht offensichtlich im Kreis – bevor der Ball die Hand verlassen hat. Ob die Rheinbacher den Klassenerhalt schaffen können, wird sich ebenfalls erst zeigen müssen. In der Regionalliga geht es oben wie unten spannend zu. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Eigentlich schien es vor dem Start in die Saison 2021/2022 nur einen echten Meisterschafts-Favoriten geben zu können: Interaktiv.Handball, das in den vergangenen Jahren besser als SG Ratingen bekannt war – und dafür, sich immer wieder prominent durch Spieler aus höheren Klassen zu verstärken. Und es wäre angesichts des zur Verfügung stehenden Kaders weiterhin absurd, wenn sie es diesmal nicht tatsächlich schaffen würden. Der jüngste Beweis dafür, dass die Mannschaft von Trainer Ace Jonovski zumindest theoretisch in einer eigenen Liga unterwegs sein müsste: Interaktiv holte gerade den 33 Jahre alten Kroaten Stanko Sabljic, der zuletzt für den Zweitliga-Absteiger Wilhelmshavener HV unterwegs und dessen Abwehrchef war. Sabljic ist Kreisläufer, in Ratingen auf dieser Position der Nachfolger des in seine französische Heimat zurückgekehrten Bastien Arnaud und ganz sicher noch einmal eine Verstärkung des Teams, das sich als Fünfter mit 7:3 Zählern bei einem Spiel weniger eher in Lauerstellung befindet. Die bisherigen drei Minuspunkte stammen vom 36:36 am dritten Spieltag gegen die TSV Bonn rrh. und dem 30:31 vom vierten Spieltag beim HC Gelpe/Strombach – der am Anfang der Saison ein bisschen unter dem Radar flog, sich inzwischen jedoch auf Platz eins (10:2 Punkte) vorgearbeitet hat und bei der Vergabe der Meisterschaft ein ernsthafter Mitbewerber sein könnte.

Interaktiv gilt gegen den Zehnten MTV Rheinwacht Dinslaken (4:8) als Favorit – wie auch Gelpe/Strombach unter der Federführung von Trainer Michiel Lochtenbergh gegen die SG Langenfeld (3:9), Dass die Hausherren aus dem Oberbergischen die Aufgabe – wie zuletzt jene beim glücklichen 27:26 über den Neusser HV – zu leicht nehmen, ist unwahrscheinlich. Ein Grund: Der aktuelle Tabellenführer will sich kaum die Chance entgehen lassen, das Duell am 27. November beim derzeitigen Vierten TV Korschenbroich (8:2/ebenfalls ein Spiel weniger) zum möglichen echten Gipfeltreffen werden zu lassen. Gewinnt der HC, vor der Saison durch Tim Hartmann (zurzeit verletzt), Tobias Schröter und Malte Meinhardt (beide VfL Gummersbach) ebenfalls spektakulär verstärkt, kann er zunächst entspannt beobachten, was im Spitzenspiel zwischen Korschenbroich und Interaktiv passiert (auf 19. November verlegt). Lochtenbergh wird seine Mannschaft jedenfalls auffordern, die Aufgabe unbedingt ernst zu nehmen und die SGL nicht an Rang zwölf zu messen: „Wenn man die Tabelle ansieht, soll das vermeintlich einfach sein. Aber wir haben ja letzte Woche gesehen, dass es dann eben nicht reicht, wenn wir nur 97 statt hundert Prozent zeigen. Wir brauchen diesen Willen und diese Intensität, dieses Feuer in der Mannschaft, um wirklich gute Leistungen abzurufen. Wenn wir das nicht machen, sind wir sehr anfällig auf einmal. Das wollen wir unbedingt vermeiden.“ Im Grunde fordert er sogar eine Art Wiedergutmachung.

Korschenbroich wiederum steht nicht erst in einer Woche, sondern bei der TSV Bonn rrh. schon jetzt vor einer schwierigen Aufgabe, zumal TSV-Coach Frank Berblinger von seiner Mannschaft nach dem schwachen Auftritt bei der SG Langenfeld (20:21) den Versuch einer Wiedergutmachung verlangt. Außerdem muss der TVK eine echte Hiobsbotschaft wegstecken: Linksaußen David Biskamp, seit Langem eine ganz wichtige Stütze fürs Team von Trainer Dirk Wolf und zusammen mit Rechtsaußen Sascha Wistuba eine der besten Flügelzangen der Regionalliga, fällt bis auf Weiteres aus (Virus-Infektion).

Zwei weitere Teams, die manche Pläne der anderen durchkreuzen könnten, sind der Zweite BTB Aachen (10:2) und der Dritte TV Aldekerk (9:3), der vor allem über seine Offensivkraft für mehr in Frage kommt als nur für die Rolle des interessierten Zuschauers. Aachens Vorteil: Die Mannschaft von Trainer Martin Becker scheint sich gerade an sich selbst zu berauschen und sie geht wohl kaum als krasser Außenseiter in die Partie gegen die HSG Siebengebirge – die aber nach dem 25:24 über den HC Weiden (erster Saisonsieg) mit neuem Schwung unterwegs und nicht am vorletzten Platz (2:8) zu messen sein dürfte. Die Aldekerker treffen auf die weiter unter personellen Sorgen leidende HG Remscheid (Siebter/6:6), die im breiten Mittelfeld zu Hause ist und alles versuchen will, dass das so bleibt.

Der Neunte Neusser HV (4:6) freut sich gleich doppelt auf das Heimspiel gegen den Tabellen-Nachbarn HC Weiden. Erstens: Das Team von Trainer Gilbert Lansen peilt diesmal jenes Happy End an, das er zuletzt in Gelpe trotz einer langen Führung verpasste. Zweitens und noch wichtiger: Der NHV kehrt zum ersten Heimspiel seit einer gefühlten Ewigkeit in die über die vergangenen Monate als Impfzentrum genutzte Halle Hammfeld zurück. „Endlich sind wir wieder in unserer richtigen Heimspiel-Halle“, sagt  Lansen, „die knappe Niederlage in Gelpe wollen wir wiedergutmachen. Aber wir treffen auf einen sehr unangenehmen Gegner. Wir sind nach Pluspunkten gleich und wir gehen von einem gleichen Niveau aus. Wir wissen, dass wir um jeden Zentimeter kämpfen und alles reinwerfen müssen, um mit zwei Punkten dazustehen.“ Nach zwei verlorenen Spielen hintereinander wollen sich allerdings auch die Weidener keine weitere Niederlage erlauben – weil sie sonst endgültig im Abstiegskampf angekommen wären.

Die größten Sorgen aller 14 Regionalligisten hat zurzeit der Tabellenletzte TV Rheinbach, der mit 1:11 Punkten als einziges Team sieglos ist und im Duell der Enttäuschten auf den OSC Rheinhausen trifft. Während die Rheinbacher selbst ein 28:32 beim vergleichbar gefährdeten MTV Rheinwacht Dinslaken zu verarbeiten hatten, mussten die Rheinhausener (Sechster/6:6) den Ursachen fürs 22:40-Debakel in Aldekerk auf den Grund gehen. TVR-Trainer Dietmar Schwolow fordert eine Reaktion auf die enttäuschende Vorstellung: „Wir müssen mit wesentlich mehr Leidenschaft und Willen auftreten, als dies gegen Dinslaken der Fall war. Insbesondere die Abwehr muss sich steigern.“ Das dürften mit sehr ähnlichen Worten auch Rheinhausens Coach Thomas Molsner und der Sportliche Leiter Olaf Mast verlangen – der nach dem Desaster gegen Aldekerk sogar offiziell die OSC-Fans um Entschuldigung bat. Pech für die Rheinbacher: Abwehrchef Florian Genn droht auszufallen (Gehirnerschütterung aus der Partie gegen MTV).