15. November 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es war einmal ein Knirps von vier Jahren, der bei der „Turn- und Sportvereinigung Bonn rechtsrheinisch“ zum ersten Mal einen Ball in die Hand nahm. Beides ist geblieben: Die Liebe zum Sport, die Liebe zur Heimat. Vor fast zwei Jahren hat er uns schon einen Teil seiner faszinierenden Geschichte erzählt. Überschrift: „Bonns David Röhrig wird Bundesliga-Trainer.“ Es handelte sich im Kern um den Weg eines Handball-Verrückten in die etwas größere Handball-Welt, in der er Beruf und Berufung auf für ihn ideale Weise miteinander kombinieren konnte. Und wir müssen wohl einen ziemlich scharfen Blick in die Glaskugel gehabt haben. Bundesliga-Trainer hieß damals: Röhrig übernimmt die A-Jugend des TSV Bayer Dormagen – die er im Übrigen vor ein paar Monaten zur Deutschen Vizemeisterschaft führte. Wie der 30-Jährige arbeitet und wie er den Handball lebt, konnte natürlich auf Dauer keinem verborgen bleiben. Und klar: Auch bis in den Norden der Republik war die Kunde davon durchgedrungen. So kam es, dass eines Tages bei Röhrig das Telefon klingelte. Am anderen Ende dran: Daniel Pankofer, der Geschäftsführer des Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau, der auf der Suche nach einem Nachfolger für Piotr Przybecki war. Zuvor hatten Klub und Coach beschlossen, den am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Ergebnis der Gespräche zwischen Pankofer und Röhrig: Wir machen das. Also wird der Dormagener zur kommenden Serie 2022/2023 offiziell in Lübeck anfangen.
Es ist ein atemberaubender Aufstieg, der nun den vorläufigen Höhepunkt findet. Bis zum Ende der Saison 2019/2020 stand David Röhrig bei seinem Heimatverein TSV Bonn rrh. als Chefcoach und Sportlicher Leiter in der Verantwortung – und parallel dazu für vier Jahre als Trainer der Dormagener B-Junioren. Am Anfang des Jahres 2020 stellte der TSV Bayer seine Nachwuchs-Abteilung neu auf – und Röhrig übernahm bei den A-Junioren die Stelle des zu TuSEM Essen gewechselten Jamal Naji. Seit dem Beginn der aktuellen Saison ist David Röhrig zudem als Trainer des Oberliga-Teams damit befasst, die Verzahnung zwischen Profi-Bereich und nachrückenden Talenten zu gestalten – eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe. Dabei machen David Röhrig die aktuellen Aufgaben immer noch riesig viel Spaß und es entspricht seinem Selbstverständnis, sie bis zum kommenden Sommer mit hundert Prozent Leidenschaft auszufüllen. Gleichzeitig freut er sich riesig darauf, was da demnächst auf ihn einstürzen mag – und der 30-Jährige traut sich den Sprung ins Rampenlicht auch zu. Leicht schlucken musste er zuerst vor allem beim Blick auf Land- und Straßenkarten: „Lübeck ist ja nicht direkt um die Ecke.“ Fast 500 Kilometer liegen alleine zwischen Dormagen und der Hansestadt in Schleswig-Holstein. Von dort aus müssen die Lübecker pro Saison immer reichlich Reisekilometer absolvieren und David Röhrig hat es künftig ganz schön weit, wenn er Familie und Freundin sehen will.
Die Gespräche mit den Lübeckern empfand der künftige Zweitliga-Coach als sachlich äußerst konstruktiv und menschlich sehr angenehm. „Ich habe dargelegt, wie ich Handball denke“, sagt Röhrig, „ich mag einfach den skandinavischen Stil, ich mag eine hohe Pass-Geschwindigkeit.“ Seine Ideen trafen offenbar auf sehr offene Ohren bei den Lübeckern, die in den vergangenen drei Jahren nicht die erhofften Ergebnisse erzielten. „Sowohl für Piotr als auch für den Verein war die sportliche Entwicklung nicht zufriedenstellend. Natürlich haben sich durch die Corona-Pandemie auch viele Vorzeichen verändert, die dazu beigetragen haben“, meint Geschäftsführer Pankofer. Aktuell belegt der VfL mit 8:10 Punkten den zehnten Tabellenplatz – nach Rang zehn (34:38 Punkte) in der Saison 2020/2021 und Rang zwölf (20:28) in der abgebrochenen Serie 2019/2020. Klar: Nach den Plätzen fünf (50:26) aus 2017/2018 und drei (52;24) hatten alle beim VfL gehofft, den Trend zumindest halten zu können. Die Pläne gingen allerdings nicht auf.
David Röhrig steht natürlich immer wieder im engen Austausch mit den VfL-Verantwortlichen, um mit an der Weichenstellung für die kommende Saison zu feilen. Über Einzelheiten zu sprechen, verbietet sich aus seiner Sicht allein aus Respekt vor dem Kollegen Przybecki, dem er für den weiteren Verlauf der Saison sogar alle Daumen für ein möglichst gutes Abschneiden drückt. Der 49 Jahre alte Pole hat ein Ziel, das Röhrig wohl sofort unterschreiben würde: „Ich war immer und bin weiterhin mit vollem Herzen beim VfL und werde zusammen mit der Mannschaft bis zum letzten Spieltag alles für den Verein geben.“ Das trifft im Übrigen auf David Röhrig und seinen TSV Bayer ganz genauso zu: „Ich fühle mich sehr wohl in Dormagen.“ Der Entschluss, die Zelte am Mittelrhein demnächst abzubrechen und woanders wieder aufzubauen, ist ihm deshalb sehr schwergefallen – bis bald die Einsicht siegte, die Chance unbedingt ergreifen zu müssen und wollen. Offiziell liest sich das so: „Ich freue mich auf einen großen Verein in der 2. Bundesliga mit einem tollen Umfeld. Die 2. Liga ist für mich eine große Herausforderung und der VfL Lübeck-Schwartau ist für mich genau die richtige Station, um diesen nächsten Schritt in meiner Karriere zu gehen.“
Dem ist grundsätzlich wenig hinzuzufügen. Und sollte David Röhrig da oben mal Bedarf nach praktischer Fortbildung haben, liegt das Besondere fast um die Ecke. Lübeck nach Kiel? 90 Kilometer. Lübeck nach Flensburg? 170 Kilometer. Vorerst kümmert sich der Bald-Zweitliga-Trainer allerdings ein paar Etagen tiefer noch um die Dormagener Zweite, mit der er am 27. November die Tabellenführung in der Oberliga Mittelrhein verteidigen will. Es geht zum Dritten TuS 82 Opladen II in die Bielerthalle. Einer der Gründe dafür, warum sich die Lübecker für Röhrig entschieden haben: Er wird sich und die Mannschaft darauf genauso intensiv und akribisch vorbereiten wie demnächst sein neues Zweitliga-Team. Die Liebe zum Sport hat eben nichts mit der Spielklasse zu tun. „Es war einmal ein Knirps von vier Jahren“ hat das Zeug zum Handball-Märchen. Es liest sich längst so.