2. Bundesliga
Gummersbach gewinnt: Zwei Punkte und noch drei Jahre mit „Goggi“
TuSEM befreit sich mit 36:28 in Dessau, aber Dormagen leidet nach 28:30 gegen Hüttenberg weiter.

Hoch, höher, Kiesler: Gummersbachs Rückraumspieler Tom Kiesler (beim Wurf), überwiegend in der Abwehr eingesetzt, setzte in der Partie gegen Bietigheim den Schlusspunkt. Teamkollege Ellidi Vidarsson (rechts) kann nur staunen – während die beiden BBM-Spieler Max Öhler (Nummer 9) und Nils Boschen (33) nicht mehr eingreifen können. (Foto: Thomas Wirczikowski)

VfL Gummersbach – SG BBM Bietigheim 32:25  (15:12). Das gehörte wohl in die Kategorie normal und es dürfte den Gummersbachern ziemlich gleichgültig gewesen sein, dass diesmal über weite Strecken der große Glanz fehlte – anders noch als am vergangenen Wochenende rund um den 28:22-Erfolg bei der HSG Nordhorn-Lingen. Das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson, vor einem Monat bereits 29:23-Sieger gegen TuSEM Essen, besiegte am Ende auch den dritten der vier Bundesliga-Absteiger klar und schickte damit das nächste deutliche Signal an die Konkurrenz, dass es diesmal wirklich was werden soll mit der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse. Die 24:4 Punkte sind eine mehr als anständige Basis für die restlichen sechs Aufgaben im Kalenderjahr 2021. Und um die Reihe der Erfolge über Gegner zu vervollständigen, die in der vergangenen Serie noch in der höchsten deutschen Klasse zu Hause waren, muss Gummersbach jetzt „nur“ noch am ungewohnten Montagstermin (6. Dezember) bei den Eulen Ludwigshafen gewinnen. Der VfL tritt dort als Spitzenreiter mit vier Zählern Vorsprung auf Nordhorn-Lingen an (20:8). Auf den Rängen drei bis fünf folgen der TV Hüttenberg (19:7), der VfL Eintracht Hagen (19:9) und der ASV Hamm-Westfalen (18:8), während die Eulen als Elfter (11:9) bisher hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben.

Der Sieg der Hausherren war allein deshalb verdient, weil sie immer vorlegten und auch bald gute Phasen einstreuten. Dem Tempodiktat des VfL begegnete die SG nach dem 4:1 (7.) von Ellidi Vidarsson früh mit einer ersten Auszeit, die aber an den Kräfteverhältnissen wenig änderte. Dass Bietigheim zum 7:7 (17.) und 8:8 (18.) ausgleichen konnte, lag eher an Gummersbacher Schludrigkeiten im Abschluss, die sich für die letzten zehn Minuten der ersten Hälfte plötzlich ins Nichts aufzulösen schienen. Und es hätte sogar der große Abend des Raul Santos werden können, der keine anderthalb Minuten brauchte, um im Alleingang auf 9:8 (19.), 10:8 (19.) und 11:8 (20.) zu erhöhen. Vor allem Treffer Nummer zehn beziehungsweise die Vorbereitung darauf war fast zirkusreif: Ellidi Vidarsson brachte den Ball nach einer Parade von Keeper Tibor Ivansevic spektakulär zum sofort gestarteten Linksaußen, der kompromisslos vollendete und später mit einem Doppelschlag fürs 14:12 (27.) und 15:12 (28.) verantwortlich war – ehe er nachher die eine oder andere Gelegenheit ausließ. Unter dem Strich gingen aber immerhin fünf der letzten sechs VfL-Tore vor der Pause auf sein Konto.

Sollte Bietigheim mit dem Glauben an größere Chancen für die zweite Halbzeit aufs Feld gekommen sein, dürften sich die Hoffnungen gut zehn Minuten darauf erledigt haben – weil Gummersbach mit dem Treffer von Janko Bozovic auf 23:15 (41.) erhöhte und hier bereits als Gewinner feststand. Dass neun Sekunden vor dem Ende ausgerechnet Tom Kiesler den 32:25-Endstand erzielte, war dann der passende Schlusspunkt, denn der vorwiegend in der Abwehr eingesetzte Rückraumspieler belohnte sich dadurch für eine sehr engagierte Leistung. Gegen den Defensiv-Riegel des VfL fanden die Gäste oft kein Mittel und vorne vermochte sich Bietigheim auf keine Angriffs-Formation der Hausherren einzustellen. Gummersbach konnte sich den Luxus erlauben, Ellidi Vidarsson und Kiesler fast ausschließlich für die Abwehr zu bringen, sodass sich etwa Ole Pregler vorne auf seine Arbeit als Regisseur konzentrieren durfte. Und als Lukas Blohme bereits vor der Pause (22.) angeschlagen runter musste, kam der erst draußen sitzende Routinier Janko Bozovic in den rechten Rückraum – aus dem Szymon Dzialakiewicz auf Rechtsaußen rückte. Es ist definitiv nicht zuletzt diese große Auswahl an Variationen oder Varianten, die den VfL Gummersbach auf der Zielgeraden des Jahres 2021 zum Titelkandidaten Nummer eins in der 2. Bundesliga macht.

Dass die Perspektive allgemein stimmt, sehen offensichtlich der Verein mit Geschäftsführer Christoph Schindler an der Spitze und sein Cheftrainer genauso – denn in den Schlussjubel der 1300 Fans hinein verkündete der Verein, dass Gudjon Valur Sigurdsson, den viele eher „Goggi“ nennen, seinen Vertrag im Oberbergischen gleich bis Sommer 2025 verlängert hat. Sein Urteil zum Spiel fiel trotzdem gewohnt sachlich aus: „Vor allem am Anfang haben wir überragend gedeckt, aber gegen Bietigheim darf man nie nachlassen. Das ist uns teilweise passiert und dann sind die Bietigheimer über Gegenstöße und viele Kreuzungen zu Toren gekommen. In der zweiten Halbzeit haben wir dann wieder so gut angefangen wie in der ersten. Dadurch konnten wir uns absetzten und das hat mir gut gefallen. Ich bin insgesamt ziemlich zufrieden mit der Abwehr und größtenteils auch mit dem Angriff. Es war ein gelungener Abend für uns.“

VfL Gummersbach: Nagy, Ivanisevic – Fanger, Vidarsson (4), Köster (7), Blohme, Hermann, Schneider, Pregler (6), Dzialakiewicz (2), Santos (5), Styrmisson (3/2), Kiesler (1), Stüber, Zeman, Bozovic (4).

TSV Bayer Dormagen – TV Hüttenberg 28:30 (13:14). Kämpferisch hatten sich die Dormagener nicht viel vorzuwerfen. Trotz widriger Umstände und einiger personeller Ausfälle, die im Verlauf der Partie noch umfangreicher wurden, hielt die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic gegen eines der aktuellen Top-Teams der 2. Bundesliga über weite Strecken mit – stand aber am Ende wieder mal mit leeren Händen da. Während Hüttenberg durch den Sieg auf Platz drei vorrückte (19:7 Punkte), wird die Lage für den TSV im Tabellenkeller immer ernster. Die siebte sieglose Partie in Folge bedeutet weiterhin den vorletzten Platz mit jetzt 5:17 Zählern und doch schon einigem Abstand ans rettende Ufer. Dort liegt nach dem Mittwoch für den Moment der ThSV Eisenach (9:13).

Patryk Biernacki erzielte mit dem 1:0 (2.) die einzige Dormagener Führung des Abends, welche die Gäste schnell drehten – 1:3 (7.), 2:5 (9.). Beim Stande von 5:7 (15.) musste Dormagen dann den nächsten herben Dämpfer verkraften, denn Kapitän und Abwehrchef Patrick Hüter sah nach einem (unabsichtlichen) Gesichtstreffer gegen Hüttenbergs Hendrik Schreiber die Rote Karte. Die Gastgeber dachten allerdings in der Folge weiterhin nicht ans Aufgeben und kamen in doppelter Überzahl vom 6:9 (18.) zum 9:9-Ausgleich (20.). Die Partie war bereits in dieser Phase von viel Hektik geprägt und allein vor der Pause gab es für beide Teams jeweils vier Zwei-Minuten-Strafen, dazu die Roten Karten gegen Hüter und später für Hüttenbergs Johannes Klein (26.). Positiv für Bilanovic: Sein Team blieb dran und bis zum 13:13 (30.) auf Augenhöhe.

Auch nach dem 13:15 (33.) oder 16:19 (39.) ließ sich Dormagen nicht abschütteln und kam regelmäßig auf einen Treffer heran – vom 18:19 (41.) bis zum 25:26 (54.) trafen beide Mannschaften immer wieder abwechselnd. Die Hausherren ließen dabei mehrmals die Chance zum Ausgleich liegen und nach dem 27:29 (59.) scheiterten sie vor allem an Dominik Plaue. Der Hüttenberger Keeper kam in der offiziellen HBL-Statistik am Ende genau wie Bayer-Kollege Martin Juzbasic auf elf gehaltene Bälle (beide mit einem abgewehrten Siebenmeter). Plaues Doppel-Parade gegen Aron Seesing (frei vom Kreis) und Ante Grbavac rund eine Minute vor dem Ende war  allerdings entscheidend, denn Philipp Schwarz erzielte im Gegenzug das 30:27 für die Gäste und machte so den Deckel auf die Partie. Die Rote Karte gegen Hüttenbergs Ian Weber und das 28:30 durch Grbavac Sekunden vor Schluss waren danach nur Randnotizen.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Klama – Träger, Meuser (8), Biernacki (3), Reimer, Beckers (5), Zurga, P. Hüter, Sterba (2), Grbavac (7/4), Seesing, Steinhaus, Mast (3).

 

Dessau-Roßlauer HV – TuSEM Essen 28:36 (15:20). Die Gefühle auf der Hinfahrt dürften gemischt gewesen sein – kein Wunder nach einem missratenen Oktober-Ende (23:29 in Gummersbach) und drei weiteren Rückschlägen im trüben November. Bevor die Lage aber richtig ungemütlich werden konnte, sorgte die Mannschaft von Trainer Jamal Naji am Mittwochabend mit dem Sieg in Sachsen-Anhalt für einen Befreiungsschlag – der nach den Auftritten in der jüngeren Vergangenheit so nicht zu erwarten, aber in der Summe auf jeden Fall verdient war. Einer der wesentlichen Faktoren für das Ende der Niederlagen-Serie: Der Angriff produzierte wieder auf Hochtouren und stellte mit 36 Treffern gleichzeitig einen Saisonrekord auf. Von Rang sechs aus hat TuSEM mit seinen 15:11 Zählern sogar wieder/noch losen Kontakt zu den Teams hinter dem zurzeit unangreifbar wirkenden VfL Gummersbach, denn der Zweite HSG Nordhorn-Lingen steht bei acht Minuspunkten. Damit aus dem Hoffnungsschimmer eine durchgreifende Wende zum Besseren wird, müssen die Essener nun allerdings am Sonntag gegen den Zehnten TV Emsdetten (12:14 Punkte) nachlegen.  

Die Gäste gerieten mehr als 450 Kilometer von Essen entfernt nur ein Mal ins Hintertreffen – beim 0:1 in der zweiten Minute. Mit dem 5:2 (8.) durch Rechtsaußen Dimitri Ignatow, der es auf insgesamt zehn Tore brachte, war TuSEM noch nicht entscheidend weg – weil Dessau (jetzt Neunter/12:10 Punkte) zum 6:6 (14.) ausgleichen konnte und bis zum 8:8 (17.) sehr hartnäckig blieb. Najis Team stellte nun innerhalb von drei Minuten durch eine konsequente Chancenverwertung mit eingeschaltetem Turbo die Weichen auf Sieg, weil Lukas Becher (18.), Tim Rozman (19.), Jonas Ellwanger (20.), erneut Rozman (21.) und wiederum Becher (21.) das Ergebnis auf 13:8 stellten. Diese fünf Tore Vorsprung transportierte der Bundesliga-Absteiger in die zweite Halbzeit, die er unter dem Strich doch eher gefahrlos über die Bühne brachte – 24:19 (37.), 29:24 (49.), 30:25 (53.), 33:28 (57.). Wie gut der Vorsprung der Mannschaft bekam, zeigte dann noch einmal die Schlussphase, als sich Najis Team keineswegs auf dem Polster ausruhte. Markus Dangers (57.) und zweimal Ignatow (59./60.) erhöhten zum 36:28-Endstand. Klar: Gemischte Gefühle waren später nicht mehr an Bord. Es dürfte eher das fröhlichste Ende einer Dienstreise nach langer Zeit geworden sein.

Naji war die Genugtuung über das Resultat deutlich anzumerken: „Das war ein wichtiger Sieg. Wir haben sehr bewusst Handball gespielt heute, vor allen Dingen im Angriff. Wir haben dann auch, als es Anfang der zweiten Halbzeit nicht ganz so lief, unsere Contenance gehalten. Wir waren da wirklich sehr diszipliniert. Es freut mich sehr, dass die Jungs das in dieser Phase hinbekommen konnten. Wir hatten in Justin Müller, Eloy Morante Maldonado und Jonas Ellwanger drei Rechtshänder, die alle gut funktioniert haben. Und wir haben Dessau mit unserer offensiven 5:1-Abwehr ein Stück weit überrascht und viele technische Fehler provoziert.“ Bei aller Freude über den gelungenen Mittwochabend blieben die Essener aber lieber auf dem Teppich, um die Konzentration für die nächsten Aufgaben nicht zu gefährden. „Das ist jetzt direkt abgehakt“, fand der TuSEM-Coach, „gegen die starken Emsdettener geht es weiter.“ Nichts dagegen hätte er, wenn seine diesmal überragende Flügelzange mit Ignatow und Lukas Becher dann in einer Art Gemeinschafts-Produktion erneut 15 Treffer beisteuert.

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – J. Ellwanger (2), Glatthard, Rozman (5), Dangers (3), Homscheid, Becher (5), Ignatow (10), Szczesny, Müller (6), Firnhaber, Seidel, Morante Maldonado (5/2), Klingler.