Harz beiseite
Simon Gorholt in Kenia: Natürlich auch mit Harz!
20 Jahre junger Korschenbroicher macht ein Freiwilligenjahr in Nairobi. Auch Teil zwei seiner Geschichte gibt beeindruckende Einblicke.

Zeichensprache: Handball ist international und Simon Gorholt hat keine Probleme, sich zu verständigen. Im Zweifel helfen eben Hände und Füße bei der Übermittlung von Inhalten. (Foto: SG)

Diese Geschichte bleibt spannend wie ein Krimi. Handball in Kenia? Hört sich wie ein Abenteuer an, ist ein Abenteuer und eignet sich auf jeden Fall für einen Mehrteiler – bei dem es sich lohnt, ihn möglichst vielen zu erzählen. Wir sprechen von Simon Gorholt, der vor ein paar Wochen den Niederrhein verlassen hat, um weit von der Heimat entfernt in einem vom Verein „Jugend im Ausland“ aus Kiel organisierten Freiwilligen-Jahr eine ganz andere Welt kennenzulernen – kulturell, sprachlich, sportlich, wirtschaftlich, im Umgang der Menschen miteinander. Bereits der erste Teil seines Kenia-Berichts über die Zeit von Ende September bis Anfang November gab vor vier Wochen beeindruckende Einblicke weit über den Sport hinaus. Nun erzählt Simon im zweiten Teil davon, wie sich speziell die Sache mit dem Handball entwickelt hat – wie es ist, wenn statt der erwarteten 15 Kinder und Jugendlichen einfach 60 kommen oder im anderen Extremfall gar keine. Und am Ende sucht der junge Korschenbroicher, der seine ersten handballerischen Gehversuche als Sechsjähriger beim TVK unternahm, gerade nach einer Chance, selbst in einer kenianische Liga-Mannschaft zu spielen. Der Junioren-Nationaltrainer, den er der Einfachheit halber nur Victor nennt, hilft ihm dabei.

Sollte es mit der eigenen „Karriere“ in Kenia klappen, wird Simon Gorholt im Übrigen ziemlich sicher auch mit jenem klebrigen Etwas in Berührung kommen, ohne dass in Europa zumindest höherklassiger Handball undenkbar ist. „Tatsächlich benutzen die hier durchweg Harz, wenn der Belag das zulässt“, erzählt Simon, „in der Liga sind die Unterschiede zwischen den Teams teilweise ein bisschen groß, aber es gibt auch echt viele gute Mannschaften. Das hat mich überrascht, wie weit die hier schon sind mit dem Handball. Die meisten von denen benutzen echt Harz und danach kann man sich ja vorstellen. dass die Hände extrem schwarz sind. Ich bin gespannt, wenn ich einem Team mittrainieren und mitspielen darf, wie das sein wird. Auf diesem Rubber oder Gummibelag, den man in Deutschland auf Hartplätzen kennt, benutzen die Harz – genauso, wenn die auf Stein spielen.“ Handball auf Gras gibt es in Kenia ebenfalls. Und da fehlt Simon Gorholt (nicht nur ihm) die Phantasie dafür, dass ein Harz-Einsatz in Frage kommt: „Da klebt ja das ganze Gras am Ball.“ Vielleicht versucht es Simon irgendwann trotzdem mal. Ganz klar aber: Der Erzählstoff wird ihm sowieso nicht ausgehen. Hier folgt zunächst Teil zwei der Kenia-Geschichte von Simon Gorholt: 

 

Die Rahmenbedingungen:

„Im November stand nun endlich der Trainingsstart in den Schulen an. Wie bereits im vorherigen Bericht erwähnt, haben wir fünf Schulen, welche jeweils einmal pro Woche von Montag bis Freitag trainiert werden. Dabei findet das Training immer am Nachmittag zwischen 15 und 17 Uhr statt und so haben wir immer zwischen 90 bis 120 Minuten Trainingszeit, da wir nicht während der Unterrichtszeit trainieren dürfen.“

 

Das Community Team:

„Zudem versuchen wir aktuell so oft wie möglich, zusätzliche Trainingseinheiten für die Community zu organisieren, was allerdings hauptsächlich nur samstagmorgens Raum findet. Das Ziel ist hierbei, ebenfalls ein Team bilden zu können, welches aus Mitgliedern der Community besteht und somit hoffentlich auch neben den angebotenen Einheiten und nach meinem Jahr weiter trainiert. Hierbei sind die meisten Teilnehmer natürlich auch in Schulen – allerdings nicht speziell in denen, welche wir trainieren.

Durch dieses Training in der Community – wie ebenfalls in den Schulen – werden vor allem soziale Skills der Kinder gefördert. Hierzu zählen Teamfähigkeit, Toleranz, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Empathie und vieles mehr. Hierdurch erlernen die Jugendlichen einen respektvollen Umgang mit dem Sport und den Mitspielern/Mitspielerinnen.  Der Sport soll neben dem Vermitteln der angesprochenen Skills ebenfalls einen festen Bestandteil im Leben der Jugendlichen ausmachen und ihnen deutlich machen, dass vieles von dem, was einem noch fehlen mag, lernbar und damit erreichbar ist.“

 

Ich mache es vor: Simon Gorholt ist selbst Handballer und gleichzeitig macht sich bezahlt, dass er früher schon im Jugendbereich Trainer-Erfahrungen sammeln konnte. (Foto: SG) Foto von Simon Gorholt (SG)

Die Trainingsplanung:

„Am Anfang der Woche setzen wir uns immer mit Nakileto und Samuli (den Mitfreiwilligen aus Kenia, welche mir dabei helfen, das Training auszuführen) zusammen, um die Trainingseinheiten in den Schulen zu planen. Dies fällt häufig weitaus umfangreicher aus, als man denken könnte, da wir einerseits auf Grund der unterschiedlichen Starts in den Schulen und andererseits wegen des unterschiedlichen Alters der Jugendlichen (Primary Schools zwölf bis 15 Jahre, Highschools 15 bis 17 Jahre) jeweils individuell planen müssen. Andererseits machen unterschiedliche Einheiten für uns als Trainer auch mehr Spaß.

Zudem kommt es nicht selten vor, dass wir die Planung mit dem Start des Trainings komplett über den Haufen schmeißen können, da sich die Rahmenbedingungen verändert haben. Dies kann zum einen daran liegen, dass wir zehn Schüler weniger haben als ursprünglich gedacht, da sie beispielsweise ihre Schulgebühren noch nicht gezahlt haben oder aktuell Klausuren schreiben. Andererseits wird der Platz, den wir normalerweise zur Verfügung haben, ausgerechnet dann für ein Fußballtraining genutzt, was manchmal ein wenig nervenauftreibend sein kann. Hinzu kommen noch andere Faktoren – wie schlechtes Wetter, bei dem ein Training unmöglich durchführbar ist, oder dass  ein Schulteam erst gar nicht auftaucht.“

 

Der Trainingsstart in den Schulen:

„Der Trainingsstart in den Schulen in Juja und Umgebung verlief wechselhaft. Die Bilanz ist  überwiegend positiv und die Schulen waren vorbereitet. Allerdings hatten wir in zwei Schulen ein paar organisatorische Probleme, wodurch der Start ein wenig stotternd war. Wir mussten bereits eine Schule wechseln, da sie es nicht geschafft haben, die Rahmenbedingungen zu schaffen – in dem Fall, die Mannschaft aus Jungs und Mädchen bereit- und freizustellen. Dies finde ich ziemlich schade, vor allem für die Schüler und Schülerinnen.

Die anderen Schulen waren hingegen nach der ersten Woche der Findung, in der wir auch mal insgesamt 60 Schüler und Schülerinnen vor uns hatten anstatt der vorher festgelegten 15 Jungs und Mädchen, in der Lage, alles ausreichend zu organisieren. Diese begrenzte Zahl haben wir ganz bewusst gewählt, da wir einerseits nur einen begrenzten Platz haben, den wir zum Training benutzen können, und es andererseits für uns so viel einfacher ist, den Überblick und die Kontrolle zu behalten und gleichzeitig zu gewährleisten, dass eine stetige Entwicklung stattfindet, wovon beide Seiten profitieren können.

Schließlich hatten wir nun alle die Möglichkeit, uns in den ersten Wochen gegenseitig besser kennenzulernen. Neben Spielen hierzu stand vor allem natürlich erst mal der Spaßfaktor im Vordergrund. Andererseits wollte ich mir auch einen Überblick verschaffen, inwieweit die Schüler und Schülerinnen bereits Erfahrungen in Handball haben. Dabei wurde ich meist überaus positiv überrascht. Abschließend für die ersten Trainingswochen habe ich ein paar Grundtechniken des Spiels und darauf bezogene Spiele trainiert, um so Schritt für Schritt dem richtigen Spiel näherzukommen.“

 

Mach einfach mit: Simon Gorholt würde sich riesig freuen, bald  in einer Mannschaft spielen zu dürfen – und mindestens zwei der künftigen Mitspieler oder Gegenspieler offensichtlich auch. (Foto: SG)

Meine eigene Handballaktivität:

„Neben dem eigentlichen Projekt, in dem ich als Trainer fungiere, wollte ich, sofern dies möglich ist,  auch mein eigenes Handballspielen auf dem Laufenden halten. Bevor ich ankam, dachte ich nicht, dass es geht. Allerdings durfte ich mit Freude feststellen, dass es in Kenia bereits eine aktive Liga gibt, welche national ausgetragen wird. Somit hatte ich seit meiner Ankunft die Hoffnung, vielleicht mit einem Team trainieren zu dürfen. Dieser Wunsch wurde dann realisierbar, als Carol mir Victor vorstellte, den Junioren-Nationaltrainer. Victor war ebenfalls aktiv in dem Sport, welchen wir so lieben, und er konnte bereits Erfahrungen in Deutschland bei der zweiten Mannschaft von Gummersbach sammeln. Ebenfalls spielte er viele Jahre für die zu seiner Zeit und auch aktuell beste Mannschaft in Kenia, mit der er die Meisterschaft gewann.

Ebenfalls hatte ich bereits die Möglichkeit, ein Spiel dieser Liga anzuschauen. Hier hatte ich auch die Möglichkeit, bereits einige andere Spieler kennenzulernen, die vermutlich meine Mitspieler beziehungsweise Gegenspieler werden könnten. Um nun ein Verhältnis zum deutschen Handball zu schaffen, folgt an dieser Stelle eine ziemlich unprofessionelle Einschätzung meinerseits: Ich würde behaupten, dass sich die Topmannschaften hier physisch auf einem Level mit Oberliga- beziehungsweise Regionalliga-Mannschaften bei uns befinden. Technisch hingegen würde ich sie eher zwischen Verbands- und Oberliga einordnen. Um nun schlussendlich noch einmal zu mir zu kommen: Ich kann mit Freude behaupten, dass Victor aktuell eine Mannschaft sucht, bei der ich mittrainieren und vielleicht sogar mitspielen kann.“

 

Kurze Erklärung noch: Carol, von der Simon Gorholt spricht, ist die Leiterin der Organisation „PLAY HANDBALL“ in Kenia, die mit seiner deutschen „Entsende-Organisation“ zusammenarbeitet. Simon lebt in Juja, das ein Teil der Metropolregion Nairobi ist. Dort hat auch die Organisation Pendo Amani (Pendo Amani Youth Organization), die mit PLAY HANDBALL zusammenarbeitet, ihren Standort. „Mit dieser Organisation und der Community vor Ort werde ich für den Zeitraum meines Freiwilligendienstes zusammenarbeiten und an den Schulen in der Umgebung die Jugendlichen in Handball trainieren“, erklärt Simon. Ganz am Schluss ein Hinweis für diejenigen, die Simon Gorholt unterstützen wollen: Das seit 2017 in Kenia aktive Projekt, das auch der DHB unterstützt, wird über das Entwicklungs-Programm „weltwärts“ gefördert. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) übernimmt allerdings nur einen Teil der Kosten. „Wir Freiwilligen sollen unsere Arbeit bewerben und möglichst die fehlenden Gelder für unsere Projekte durch Sammlung von Fördergelder/Spenden unterstützen“, erläutert Simon. Wer mehr darüber wissen will, kann uns gerne eine Mail zukommen lassen (redaktion@harzhelden.news). Wir versuchen dann, den Kontakt zu Simon herzustellen.

Infos zum gesamten Projekt:
jugend-im-ausland.de/laender/kenia
https://play-handball.org/de/home-de/
https://play-handball.org/de/informieren/