07. Mai 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Was ist das für ein Wirrwarr? Und warum erweckt der Handball immer wieder den Eindruck, er sei in Absurdistan zu Hause? Richtig ist zunächst, dass diese Nachricht in dieser Form so falsch ist. Der VfL Gummersbach stehe als Aufsteiger in die Bundesliga und sogar als Meister der 2. Bundesliga fest, wenn er denn „nur“ am Samstagabend bei der SG BBM Bietigheim gewinnt. Dachten wir. Also hieß die Überschrift: „Matchball für Gummersbach.“ Grundannahme: Der VfL sei bei dann 52:12 Punkten nicht mehr vom ASV Hamm-Westfalen (42:22) und der HSG Nordhorn-Lingen (40:22) einzuholen, weil er bei maximal noch möglicher Punktgleichheit auf jeden Fall über den in beiden Fällen klar gewonnenen direkten Vergleich vorne bleibe. So ist es allerdings doch nicht (mehr), weil die für die beiden nationalen Profiligen zuständige Handball-Bundesliga (HBL) ihre erst 2020 vollzogene Änderung mit dem Beginn dieser Saison wieder gekippt hat: Während es 2020/2021 tatsächlich – im Gegensatz zu früher – auf den direkten Vergleich ankam (womit unter anderem Bundestrainer Alfred Gislasson sehr einverstanden gewesen sein soll), gilt seit dem Beginn der Serie 2021/2022 echt wieder das Torverhältnis. Zu finden ist das in den Tiefen der HBL-Durchführungsbestimmungen unter Abschnitt III (Spieltechnische Vorschriften) in § 3 zur Saisonwertung der Lizenzligen: „Nach Abschluss der Meisterschaftsspiele entscheidet über die Tabellenplatzierung bei Punktgleichheit (Pluspunkte) die bessere Tordifferenz.“ Es gilt aber als ausgeschlossen, dass sich der Handballer allgemein dorthin verirrt. Und nachhaltig offen bis nachvollziehbar kommuniziert hat es ebenfalls niemand. Warum auch. Wäre ja ein Fall sport- und kundenfreundlicher Öffentlichkeitsarbeit.
Richtig absurd wird es aber eigentlich, wenn wir eine Etage tiefer gehen, in die 3. Liga, die der Deutsche Handball-Bund (DHB) immerhin selbst organisieren darf. Dort gilt bei Punktgleichheit – kein Scherz – jener direkte Vergleich, den sie oben nicht mehr mögen. Die Regelung, ebenfalls in den Tiefen der Durchführungsbestimmungen zu finden, ist unter anderem der Grund dafür, warum die HSG Krefeld Niederrhein in der Aufstiegsrunde der 3. Liga keine Chance mehr hat, einen Platz in der 2. Bundesliga zu ergattern – wobei es für die Eagles über das Torverhältnis nicht viel besser aussähe.
Wir setzen den Weg fort und sehen uns im leistungsorientierten Amateur-Handball um – zuerst in der von Handball Nordrhein für die Verbände Niederrhein und Mittelrhein organisierte Regionalliga. Hier gilt? Richtig geraten: Ebenfalls der direkte Vergleich. Nun sind die Verbände selbst dran, was zum nächsten verblüffenden Resultat führt: Man ist sich herrlich uneinig. Wer am Niederrhein wohnt, darf sein Augenmerk auf den direkten Vergleich richten – wie im Aufstiegskampf der Bergische HC II und Borussia Mönchengladbach. Wer aber am Mittelrhein wohnt, hat auf sein Torverhältnis zu achten – wie im Aufstiegskampf die HSG Refrath/Hand und der TSV Bayer Dormagen II. Bestimmt kriegen die Beteiligten es aber hin, demnächst für die zum 31. Dezember 2022 geplante Fusion aus Niederrhein und Mittelrhein zum neuen Handball-Verband Nordrhein eine einheitliche Regelung zu finden. Unbedingt überzeugt sind wir nicht.
Zurück zum VfL Gummersbach: Dass in der 2. Bundesliga bei Punktgleichheit das Torverhältnis zählt, ändert für den Tabellenführer wenig: Dieses Torverhältnis liegt vor dem Auftritt in Bietigheim in einer für die anderen fernen Galaxie – bei plus 152. Hamm steht bei plus 35, Nordhorn bei plus 23. Um das aus der Hand zu geben, müsste der VfL ab jetzt jedes Spiel mit ungefähr zehn Toren Differenz verlieren und die Konkurrenten nur noch in derselben Höhe gewinnen. Beides. Wird. Nicht. Passieren. Deshalb: Gummersbach steht unmittelbar vor der Meisterschaft und vor der Rückkehr in die höchste Klasse des deutschen Handballs. Fertig.
Die Nummer mit dem Torverhältnis ist im Übrigen für den mitten im Kampf gegen den Abstieg steckenden TSV Bayer Dormagen ebenfalls nicht unwichtig, der vor der Partie beim Fünften TV Hüttenberg (35:25 Zähler) als Drittletzter bei 22:40 Punkten und minus 60 Toren steht. Ein schlechteres Torverhältnis hat bloß der Letzte EHV Aue, der den Gang in die 3. Liga bei 19:47 Zählern und minus 71 Toren kaum wird vermeiden können. Günstiger stehen im unteren Drittel etwa der TuS Ferndorf (16./24:38/minus 33), der TV Großwallstadt (17./23:29/minus 21) und selbst der Vorletzte TV Emsdetten (19./21:41/minus 36).