3. Liga
HSG Krefeld: Wo der Trainerstuhl zum Schleudersitz wird
Eagles ersetzen den zwei Mal in der Aufstiegsrunde gescheiterten Maik Pallach durch Mark Schmetz. Der Niederländer ist der siebte Coach innerhalb von fünf Jahren.

Was ist denn hier los? Maik Pallach (Mitte) ist nun der Ex-Trainer von Pascal Noll (links) und Jonas Molz (Zweiter von rechts). Die Verantwortlichen der HSG mit dem Sportlichen Leiter Stefan Nippes (ganz rechts) hielten es für angezeigt, sich vom Coach zu trennen. (Foto: Herbert Mölleken).

November 2017. Die Welt bei der Handball-Spielgemeinschaft Krefeld, 2013 gegründet von den Vereinen DJK Adler Königshof und SC Bayer Uerdingen, scheint in Ordnung zu sein. Trainer ist bereits im fünften Jahr Olaf Mast und der Verein sieht sich auf dem richtigen Weg – hin zu mehr Professionalisierung, hin zur Etablierung der HSG als Marke. Dann bittet Mast den Verein um die Auflösung seines Vertrages, weil er als Chefcoach bei aller Liebe zum Handball die ständig wachsenden Anforderungen und den notwendigen zeitlichen Mehr-Einsatz aus beruflichen und familiären Gründen nicht mehr im von ihm selbst geforderten Maß erfüllen kann. Die Trennung geht freundschaftlich über die Bühne und die Krefelder können Dusko Bilanovic bis zum Ende der Saison 2017/2018 gewinnen. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnt: Ab jetzt geht es richtig rund auf dem Krefelder Trainerstuhl, der inzwischen sogar ein klassischer Schleudersitz geworden ist: Bis heute, Mitte Juli 2022, stehen auf der Trainerliste des Drittligisten weitere fünf Namen. Im Durchschnitt bleiben die verantwortlichen Männer an der Seitenlinie also nicht mal ein Jahr.

Mast-Bilanovic-Nachfolger wird der Däne Ronny Rogwaska, der die Saison 2018/2019 mit dem von beiden Seiten erhofften Erfolg krönt und die HSG in die 2. Bundesliga führt. Nach zwei dramatisch verlaufenen Qualifikations-Spielen gegen den HC Empor Rostock (23:24/24:22) hätte der Himmel voller Geigen hängen müssen, doch das Glück hält nicht lange – im Gegenteil: Praktisch mit dem Beginn der Vorbereitung kommt es aufgrund erheblicher Uneinigkeiten bei der Vertragsgestaltung zur überraschenden Trennung. Unter Zeitdruck verpflichtet die HSG dann ab Juli den Isländer Arnar Gunnarsson, dessen Amtszeit nach weniger als sechs Monaten am 14. Dezember 2019 mit dem 18:28 gegen die HSG Konstanz beim Stande von 2:30 Punkten und nur einem Sieg aus 16 Spielen endet. Interimstrainer werden der vorherige Co-Trainer Felix Linden und Spielmacher Tim Gentges, ehe sie Linden ab Januar 2020 zum Chefcoach befördern. Der neue erste Mann bekommt zwar in der Folge viel Lob für seine engagierte Arbeit, kann allerdings den letzten Platz nicht verhindern und damit am Ende auch nicht den Abstieg. Was sicher nicht seine Verantwortung ist: Die Eagles müssen später als einziger Klub der 2. Liga absteigen – in einer letztlich abgebrochenen Saison, in der es eigentlich keinen Absteiger gibt. Krefeld hat aber für die nächste Serie 2020/2021 nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist gemeldet und keine entsprechenden Lizenz-Unterlagen eingereicht.

Die weitere Karriere von Felix Linden in der Halle Glockenspitz dauert vier Spiele, bis zum 26:30 am 24. Oktober 2020 bei der HG Saarlouis. Der Zwischenstand von 4:4 Punkten sagt damals im Herbst vor allem eins – nichts, weil es viel zu früh für sportliche Prognosen ist. Pandemiebedingt wird die noch junge Serie zunächst unterbrochen, ehe die Verantwortlichen des DHB den aufstiegswilligen Klubs ab April 2021 eine entsprechende Aufstiegsrunde anbieten. Dem eigenen Anspruch entsprechend sind die Krefelder dabei – jedoch nicht Felix Linden, dem sie im Februar 2021 mal eben den Laufpass gegeben hatten. Als Nachfolger verpflichtet die HSG kurz darauf den bis zum Winter beim TV Großwallstadt tätigen Gummersbacher Maik Pallach – der einiges vorhat und daraus im Harzhelden-Gespräch natürlich kein Geheimnis macht: „Maik Pallach liebt das Projekt Adler.“ Das mit der Liebe ist anschließend jedoch so eine besondere Sache. In der Aufstiegsrunde scheitern die Krefelder, die in der Saison 2021/2022 einen neuen Anlauf auf die 2. Bundesliga nehmen. Das Ergebnis: Am 14. Mai steht nach der Aufstiegsrunde endgültig fest: Es klappt wieder nicht – und es hat Folgen. Keine zwei Monate darauf teilen die HSG-Verantwortlichen Pallach am Ende der vergangenen Woche mit, dass er entlassen sei.

In einer wie fast immer in diesen Fällen inhaltsleeren Verlautbarung ist der HSG dieser Schritt natürlich sehr schwergefallen. Man habe Respekt vor der Arbeit des Trainers, man habe eine große Wertschätzung füreinander und wünsche Pallach das Beste für die Zukunft. Das ist jedoch vor allem eins: Grenzenlos langweilig. Etwas anderes wirkt spannender: Nur Stunden nach der Trennung von Maik Pallach gibt die HSG die Verpflichtung von Mark Schmetz bekannt, mit dem die HSG, den Gesetzen der Logik folgend, deutlich vorher einen nicht nur losen Kontakt gehabt haben muss. Der Niederländer war zuletzt für den Klassen-Konkurrenten SG Schalksmühle-Halver tätig und schied dort offiziell erst kurz vor der Einigung mit der HSG nach zahlreichen Diskussionen aus. Was Schmetz unter anderem als Empfehlung an den Niederrhein mitbringt: Ihm gelangen in den vergangenen Monaten mit den Dragons drei Siege über die HSG – einer in der Hinrunde, einer in der Rückrunde, einer in der Aufstiegsrunde. Was Schmetz unter anderem aus eigenem Interesse mitbringen muss: Er wird ein sehr, sehr dickes Fell brauchen. Und maximal möglichen Erfolg. Er sollte besser den Aufstieg vorweisen. Sonst geht es ihm wahrscheinlich wie den Herren Gunnarsson, Linden und Pallach.

Jener Maik Pallach sieht den neuesten Stand der Dinge (und die vorerst gewonnene Freizeit) relativ gelassen, obwohl er mit seinem Abschied so nicht gerechnet hatte und noch bei der Erstellung des Vorbereitungsplans inklusive des erstklassig besetzten Turniers am 6. und 7. August intensiv beteiligt war. Teilnehmer dort neben der HSG: VfL Gummersbach, TuS N-Lübbecke und TuSEM Essen. Wie hatte das der Verein im Frühjahr 2021 formuliert? Als klare Ansage: „Gemeinsam mit ihm wollen wir eine Ära in Krefeld prägen und uns für die Zukunft ausrichten. Maik hat eine perfekte Mischung aus Erfahrung und Jugend, denn mit 39 Jahren gehört er immer noch zur aufstrebenden Generation und bietet eine langfristige Perspektive für unsere Entwicklung.“ Der damals derart in den Himmel Gelobte beurteilt die Entscheidung des Vereins in erster Linie aus seiner reichhaltigen Erfahrung im (Profi-) Geschäft.  „So sind am Ende die Mechanismen im Sport. Ich bin da lange genug unterwegs“, sagt Pallach, „es ist nicht gut, wenn man das an sich ranlässt. Ich habe keinen Stress und warte ab, wie es weitergeht.“ Juli 2022. Die Welt bei der HSG Krefeld Niederrhein ist in Bewegung. In welche Richtung, muss sich erst zeigen.