Oberliga Niederrhein
Der Chancen-Check: Warum mehr für die Borussia spricht
Spitzenreiter hat noch fünfmal Heimrecht und ist bisher ohne Ausrutscher unterwegs - den Verfolger Unitas Haan schon eingestreut hat.

Wenig Raum, viel Widerstand: Philippe D’Avoine (vorne/mit Ball) und André Moser (hinten) haben in Sachen Aufstiegskampf noch einen weiten Weg vor sich. Das gilt auch für Moritz Langen (Nummer 30), Christoph Lesch (15) und Maximilian Strunk (rechts), die allerdings mit dem TuS Lintorf in den Kampf gegen den Abstieg verwickelt sind. (Foto: Horst Lesch)

Oft ist es ja tatsächlich so, dass eine Meisterschaft nicht in den direkten Duellen der Favoriten entschieden wird, sondern zu irgendeiner anderen, gerne nicht richtig kalkulierbaren Gelegenheit. Trifft das jetzt wieder zu, hat sich die bis vor Kurzem ungeschlagene Unitas Haan vielleicht selbst aus dem Spiel genommen: Das keine zwei Wochen alte 30:32 gegen den um den Klassenerhalt kämpfenden Zwölften Handball Oppum (11:27 Punkte) war eins jener überraschenden Ergebnisse mit viel Wirkung – wie aus heiterem Himmel kommend und kaum schlüssig zu erklären. Direkt Beteiligte wie die Haaner oder die anderen gefährdeten Teams werden das vermutlich nicht so schön gefunden haben – wohl aber nachvollziehbar die Borussia Mönchengladbach, die durch die eigene Siegesserie und den Haaner Ausrutscher auf Platz eins klettern konnte. Dort ist die Mannschaft von Trainer Ronny Rogawska nun mit 36:2 Zählern ausgestattet und Haan spürt nun direkt dahinter bei 35:3 Punkten den größeren Druck – trotz des 32:27 gegen Mönchengladbach aus der Hinrunde. Dieser Sieg hilft vor allem dann, wenn die beiden Titelkontrahenten am Ende punktgleich über die Ziellinie gehen und der direkte Vergleich zur Ermittlung der genauen Position heranzuziehen ist. Ein Blick auf das Restprogramm lässt aber vor allem den Schluss zu, dass die Borussia bei den Chancen mit vielleicht 70:30 als Favorit ins letzte Viertel der Saison geht.

Selbstredend könnte auch Mönchengladbach noch verlieren. Dass es so oft vorkommen wird, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Erstens: Jenes 27:32 in Haan war die einzige Niederlage überhaupt bisher. Zweitens: Der bisher knappste Erfolg des Spitzenreiters mit fünf Toren Differenz stammt vom ersten Spieltag – 32:27 beim LTV Wuppertal (Neunter). In echte Gefahr geriet die Borussia bei ihren insgesamt 18 Siegen nie. Hin und wieder gab es eine verhalten bis bescheiden geführte erste Halbzeit, doch selbst dann immer einen unter dem Strich glatten Erfolg. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit waren das 34:25 beim TV Geistenbeck (Achter) nach einem 15:15 am Ende der ersten Halbzeit, ein 31:23 beim HSV Überruhr (Siebter) nach einem 14:15 und das 31:24 über den TV Lobberich (Fünfter) nach einem 14:13. Mönchengladbach scheint damit inzwischen bei Bedarf einen Gang höher schalten zu können – was zugleich ein klares Indiz für über die Monate gewachsenes Selbstbewusstsein ist. Gleichzeitig darf die Konkurrenz offensichtlich nicht hoffen, dass der Tabellenführer einen Gegner auf die leichte Schulter nimmt – und den kommenden sowieso nicht. In Mönchengladbach werden sie vielmehr sehr genau wissen, dass beim Dritten DJK Adler Königshof (29:9) nur Einsatz und Konzentration von der ersten Minute an einen Erfolg ermöglichen – und selbst dann immer noch nicht garantieren. Und natürlich werden am Samstagabend alle Haaner zu heißen Adler-Fans und dem Team um Spielertrainer Sebastian Bartmann sämtliche zur Verfügung stehenden Daumen drücken.

Was ebenfalls für die Borussia spricht: Sie hat nach dem Spitzenspiel in Königshof gleich fünf Mal hintereinander Heimrecht – mit dem klaren Höhepunkt am 25. März gegen die Haaner. Vorher kommt am 18. März der Vorletzte TSV Aufderhöhe in die Jahnhalle, danach ist erst einmal Osterpause – immerhin einen ganzen Monat lang. Weiter geht es am 22. April gegen Mettmann-Sport (Vierter), am 29. April gegen Handball Oppum (Zwölfter) und am 6. Mai gegen den TV Angermund (Letzter). Am 13. Mai wartet dann zum Abschluss noch die Partie bei der HSG Hiesfeld/Aldenrade (Zehnter). Klarer Fall bei allem Respekt vor den jeweiligen Klubs auf der anderen Seite: Gegen Aufderhöhe, Oppum, Angermund und Hiesfeld darf der Klassenprimus nicht verlieren. Warum Mönchengladbach nun zunächst aber den Fokus voll auf die Adler Königshof richten muss: Die Krefelder holten aus den vergangenen zehn Begegnungen ohne Niederlage ziemlich großartige 18:2 Punkte – darunter im Januar ein 36:36 gegen die Unitas Haan, die gut sechs Minuten vor Schluss sogar mit 32:35 zurücklag. Das könnte am Samstag ein spannender Abend werden in der Sporthalle Königshof. Die Adler können dabei völlig befreit auf die Platte gehen, weil für sie der Aufstieg in die Regionalliga in dieser Saison nie ein Thema war – und trotz der tollen Serie auch keins geworden ist.

Was für die Unitas spricht: Sie hat schwierige Rückrunden-Aufgaben wie jene bei den Adlern (36:36) und das Kreisderby bei Mettmann-Sport (30:27) bereits hinter sich. Nun bestreitet das Team von Trainer Markus Neußer am Samstag gegen Hiesfeld/Aldenrade und am 19. März beim LTV Wuppertal zwei Aufgaben, in die sie erneut als Favorit geht – wie beim Ausrutscher gegen Oppum, wie zuletzt beim klaren Sieg als Gast des Letzten TV Angermund. Im Idealfall aus Sicht der Unitas verliert die Borussia zum Beispiel in Königshof und sie selbst sammelt vier weitere Punkte ein, womit dann das Gipfeltreffen in Mönchengladbach immer noch eins wäre – allerdings mit vertauschten Rollen. Nach dem Kracher der beiden Titelkandidaten folgt auch für Haan eine Vier-Wochen-Pause, die ja nach Entwicklung Segen oder Fluch sein kann. Ob der folgende Schluss-Spurt am 23. April beim HSV Überruhr, am 30. April gegen den TSV Kaldenkirchen, am 6. Mai gegen den TV Geistenbeck und am 14. Mai gegen den TV Lobberich mehr Lust oder mehr Last wird, ist die ganz große Frage. Unitas-Trainer Markus Neußer, seit Anfang Januar als Nachfolger des aus privaten und beruflichen Gründen ausgeschiedenen Ronny Lasch im Amt, hatte die Ansprüche in Richtung Aufstieg damals so formuliert: „Natürlich kann unsere Mannschaft das schaffen. Aber wir werden noch schwere Spiele vor uns haben. Darauf müssen wir vorbereitet sein.“ Neußer hat schon jetzt Recht behalten.