DHB-Pokal
Ein Tiefpunkt: Begräbnis zweiter Klasse für den Amateurpokal
Bundesrat des DHB beschließt Änderung der Spielordnung. Interaktiv.Handball und Gelpe/Strombach dürfen auf starke Lose hoffen. Es ist aber ein Abschied.

Und jetzt? Alexander Oelze (mit Ball), der spielende Co-Trainer des Drittliga-Aufsteigers Interaktiv.Handball, gewann mit seiner Mannschaft vor gut drei Wochen das Finale des Deutschen Amateurpokals gegen den HC Gelpe/Strombach (Nummer 6 Felix Maier) und so vor der letzten Saison seiner aktiven Karriere eine Eintrittskarte für den DHB-Pokal. Dass mit ihm der Amateurpokal geht, hätte der Ex-Profi aber auch nicht gedacht. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Es wird einfach nicht besser und schon wieder beschleicht einen das Gefühl, nachhaltig auf den Arm genommen zu werden. Und erneut stellt sich die Frage: Wissen sie, was sie da tun? Am 12. Juni hatte die HBL (Handball-Bundesliga) fast wie nebenbei eine lapidar klingende Ankündigung veröffentlicht – mit einem völlig umgekrempelten und durch die Hintertür in aller Stille erarbeiteten neuen Rahmen für den DHB-Pokal, der in weiten Teilen als sinnfrei daherkam – im Detail nachzulesen in unserem Beitrag vom 13. Juni. So sollten der HSC Coburg und der VfL Lübeck-Schwartau durch die Reduzierung der startberechtigten Zweitligisten von zwölf auf zehn nicht mehr mitmachen dürfen. Außerdem wurden kurzerhand die aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegenen EHV Aue und TuS Vinnhorst ausgesperrt – während zehn andere Drittligisten ein Ticket bekamen. Ganz klar: Die Begeisterung bei den über Nacht Verbannten hielt sich in engen Grenzen und es gab Proteste, die mehr oder weniger laut ausfielen. Mancher wird überlegt haben, ob das alles nicht sogar rechtlich angreifbar sei. Ernüchterung kehrte drüber hinaus unter anderem auch bei Interaktiv.Handball ein (Aufsteiger in die 3. Liga), das zum Zeitpunkt des Finales im Deutschen Amateurpokal noch Regionalligist war und im Endspiel mit einem 35:24 gegen den Klassenkonkurrenten HC Gelpe/Strombach den Titel geholt hatte. Beide Finalisten waren davon ausgegangen, als Amateur-Vertreter erst in der zweiten Runde einsteigen zu müssen. Und beide hatten gehofft, dort als Gegner einen der Großen aus der 1. Bundesliga zugelost zu bekommen – was die HBL kurzerhand in den Papierkorb warf. Das war vor knapp drei Wochen und scheint eine Ewigkeit her zu sein.

Inzwischen allerdings hat sich wiederum einiges getan – was indirekt mit der zurzeit in Deutschland und Griechenland stattfindenden Junioren-WM zu tun hat. In Hannover, wo die deutsche U 21 die Vorrunde mit drei Siegen spielte, tagte praktisch im Rahmenprogramm am 24. Juni der Bundesrat des DHB. Der hielt erstens seine Öffentlichkeitsarbeit mit einer „Amtlichen Bekanntmachung“ nach § 50 seiner Satzung für erledigt – und überraschte zweitens mit einer kompletten Kehrtwende, die nun in „Gesetzesform“ gegossen ist. Der finale Text, der inzwischen bereits in der offiziellen Spielordnung verankert und dadurch unumstößlich ist, wird in Coburg, Lübeck, Vinnhorst und Aue vorwiegend gut ankommen – weil alle vier jetzt wieder drin sind. Vermutlich werden Begriffe wie Gerechtigkeit oder Fehlerkorrektur die Rolle rückwärts begleiten. Vielleicht sind die Verantwortlichen sogar selbst mit dem einverstanden, was sie da auf den Weg gebracht haben. In Ratingen bei Interaktiv und im Oberbergischen beim HC Gelpe/Strombach werden sie das vielleicht ein bisschen anders sehen – weil sich beide als Vertreter der Handball-Amateure sehen (müssen). Vordergründig werden sie es cool finden, dass sie nun doch erst später einsteigen dürfen/sollen. Das bedeutet unter anderem, dass HC-Trainer Markus Murfuni als Gummersbacher von einem Duell mit dem VfL Gummersbach träumen kann. Auf der anderen Seite wird aus einem ähnlichen Karriere-Höhepunkt nichts für Alexander Oelze, den spielenden Co-Trainer bei Interaktiv: Warum der gebürtige Magdeburger kein Spiel gegen den Gewinner der Champions League bekommt, steht etwas weiter unten. Viel bedeutsamer jedoch für die beiden Klubs: Sie werden die letzten Amateur-Vertreter im DHB-Pokal sein. Der Deutsche Handball-Bund sperrt die Klubs unterhalb der 3. Liga kurzerhand aus, berücksichtigt sie in den Planungen ab 2024/2025 nicht mehr und spendiert dem Amateurpokal damit nichts anderes als ein Begräbnis zweiter Klasse – zweitklassig deshalb, weil es unwürdig und schädlich für das Band zwischen „oben“ und „unten“ ist.

Der zentrale Punkt in der „Reform“ ist der § 45 Abs. 4 in der Spielordnung (SpO). Hier steht für die Saison 2023/2024 in Abschnitt b dieses: „An der Hauptrunde nehmen 26 Mannschaften teil. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Neun Mannschaften aus der Qualifikation, 15 Mannschaften aus der Bundesliga und zwei Finalisten aus der Deutschen Amateur-Pokalmeisterschaft 2023.“ Das sagt zunächst, dass es vorher in Qualifikation umbenannte Runden eins und zwei geben wird – und sowohl Interaktiv als auch Gelpe/Strombach jene überspringen, womit sie prinzipiell zu einem Kreis von 29 Teams gehören, die um den DHB-Pokal 2023/2024 kämpfen dürfen. 29? Wie das geht? Sie haben sich was Neues ausgedacht, das nachzuvollziehen gar nicht so einfach und/oder schlüssig ist.

So steht es geschrieben: „Die Qualifikation zum DHB-Pokal beginnt mit 24 Mannschaften. Diese setzt sich wie folgt zusammen: Zwölf Teilnehmer aus der 2. Liga (keine zweiten Mannschaften) und zwölf Teilnehmer aus der 3. Liga. An der ersten Qualifikationsrunde nehmen jeweils durch Los ermittelte sechs Teilnehmer aus der 3. Liga und sechs Teilnehmer aus der 2. Liga teil.“ Abgesehen davon, dass es bereits hier vor teilnehmenden Teilnehmern wimmelt, geht es in einer ähnlichen Sprachregelung weiter: „An der zweiten Qualifikationsrunde nehmen sechs Gewinner der Qualifikationsrunde eins und die verbleibenden zwölf Teilnehmer aus der 2. und 3. Liga teil.“ Für die über die Pokalrunde der Drittligisten zur Qualifikation qualifizierten Bergischen Panther folgt daraus eventuell, dass sie in der ersten Qualifikationsrunde womöglich ein Freilos erwischen und in der zweiten Runde als unterklassige Mannschaft vielleicht Heimrecht gegen einen Zweitligisten haben. Spiele gegen andere Drittligisten scheinen ebenfalls nicht ausgeschlossen zu sein, weil sonst diese Formulierung überflüssig wäre: „Die unterklassige Mannschaft hat jeweils das Heimrecht, bei gleicher Klasse entscheidet das Los.“

In der Summe kommen nach mathematischen Grundregeln auf jeden Fall sechs Sieger der ersten Runde der Qualifikation weiter und sie treffen dann auf die zwölf vorher Durchgewunkenen. Daraus ergeben sich neun Paarungen und entsprechend neun Gewinner – für die es gemeinsam mit 17 anderen Mannschaften weitergeht: „An der Hauptrunde nehmen 26 Mannschaften teil.“ Das sind neben den neun Qualifizierten genau 15 Erstligisten und die beiden Finalisten des Amateurpokals – die nun tatsächlich auf den Deutschen Meister THW Kiel – vermutlich das Traumlos schlechthin für die meisten – oder die Füchse Berlin oder den Bergischen HC oder den VfL Gummersbach treffen könnten. Dass die Rhein-Neckar Löwen, der SC Magdeburg oder die SG Flensburg-Handewitt dafür nicht in Frage kommen, liegt an einer weiteren Veränderung, die durch die amtliche Festschreibung ins Regelwerk nicht sinnvoller wird: Die Löwen als Pokalsieger, Magdeburg als Zweiter und Flensburg als Dritter des vergangenen Final Four 2023 dürfen auch hier noch pausieren. Sie sind erst ab dem Achtelfinale dabei und so geht schließlich die Rechnung der Verantwortlichen für einen normalen Pokal-Rhythmus verzögert auf: Die 13 Gewinner aus der Hauptrunde ergänzen sich mit den drei Spät-Einsteigern zu einem 16er-Feld, deren Mitglieder über das Achtelfinale und Viertelfinale die Gelegenheit haben, sich ein Ticket fürs Final Four 2024 zu sichern.

Es gehört nur eine geringe prophetische Gabe zu der Vermutung, dass weder Interaktiv.Handball noch der HC Gelpe/Strombach dann weiter im Wettbewerb vertreten sein werden. Beide Klubs auf dem Harzhelden-Gebiet werden damit die letzten Überlebenden eines erst 2015 installierten Wettbewerbs sein – der als ideales Bindeglied zu den Profis gelten durfte und das erst recht, solange das Amateur-Finale im Rahmenprogramm des großen Final Four über die Bühne ging. Was zuletzt passierte, war ein Abschied auf Raten, der die Amateure mit einer eigenen Veranstaltung von den Profis separierte. Jetzt kommt es noch schlimmer: Künftig gibt es nicht mal mehr dieses Modell. Die bereits oben erwähnte Amtliche Mitteilung drückt es unromantisch aus: „Der § 45 Absatz fünf der Spielordnung wird gestrichen“. Jene Passage lautete so: „Die Deutsche Amateur-Pokalmeisterschaft der Männer beginnt im Pokaljahr 2018/19 mit 22 von den Landesverbänden gemeldeten amtierenden Landes- Pokalsiegern, die in dem Kalenderjahr ermittelt wurden, in dem das Pokaljahr beginnt, und die im Meisterschaftsspielbetrieb maximal einer Oberliga (vierthöchsten Spielklasse) angehören dürfen. Ist der Landespokalsieger gleichzeitig Aufsteiger in die 3. Liga, so kann der zweite Endspielteilnehmer im Landesverbandspokal gemeldet werden. Diese spielen in geografisch zugeordneten Qualifikationsspielen die 16 Mannschaften für die erste Hauptrunde aus. An der ersten Hauptrunde nehmen 16 Mannschaften teil. Weiteres wird in den Durchführungsbestimmungen geregelt.“

Noch klarer steht es beim Verweis auf den § 57 der Spielordnung, der die Zuständigkeit des DHB für verschiedene Wettbewerbe regelt – und im Absatz e bislang eben die „Deutsche Amateur-Pokalmeisterschaft der Männer“ umfasste. „Der Deutsche Amateurpokal wird in allen Ordnungen gestrichen.“ Als Argument werden sie dafür mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein nachlassendes Interesse anführen – was sich ja tatsächlich jüngst mit nur sieben Meldungen aus den Landesverbänden in einem übersichtlichen Bereich bewegte. Eine andere Frage ist die nach den Ursachen dafür: Ob es vielleicht daran lag, dass der umgebaute Modus ohne Aussicht, das Final Four der Profis zu erleben, dem Wettbewerb bereits mehr als zwei Drittel seines einst enormen Reizes geraubt hat? Noch ein spannendes Thema tut sich beim Blick auf die Zusammensetzung des Bundesrates auf, der ja mit für die Entwicklung verantwortlich ist: Zu diesem Gremium gehören unter anderem die Präsidenten der Landesverbände (wie Niederrhein und Mittelrhein) oder deren Vertreter/Vertreterinnen, die offensichtlich die Streichung des Amateurpokals entweder nicht verhindern wollten oder nicht verhindern konnten. Beides wäre gleich schwierig und die Abschaffung des Wettbewerbs ist ein Begräbnis zweiter Klasse. Fortan können sie es sich damit im Grunde gleich sparen, um einen Länderpokal zu spielen. Unser Fazit: Das alles kann nicht gut für den Handball sein, der sich selbst Schaden zufügt, indem er den Graben zwischen Profis und Basis weiter ausbaggert. Am Ende stellt sich deshalb wieder die Frage: Wissen sie, was sie da tun? Es wird einfach nicht besser und erneut beschleicht einen das Gefühl, nachhaltig auf den Arm genommen zu werden.