Regionalliga Nordrhein/Oberliga Niederrhein/Oberliga Mittelrhein
Chaos-Club: „Amtliche“ Regeln sind ein Irrgarten
Durchführungsbestimmungen des neuen Verbandes Nordrhein für die kommende Saison sorgen für maximale Verwirrung bei den Vereinen.

Gefangen: Sogar das Spielgerät dürfte sich in inzwischen fragen, warum sich der Handball ständig selbst ein Bein stellen muss. (Foto: Thomas Schmidt)

Langsam wird es absurd. Und irgendwie beinahe auch langweilig. Vor über einem Monat, genau am 1. Juli, vollzogen die früheren Verbände Nieder- und Mittelrhein die bereits seit Jahren geplante „Fusion“ zum neuen Verband Handball Nordrhein. Dass hiermit die Neuordnung der Spielklassen und die Zusammenführung der Strukturen verbunden sein muss, hätte den Verantwortlichen der beiden alten Verbände irgendwie schon vor einer ganzen Weile klar werden können. Drei Wochen vor dem Start der letzten Saison, die noch im Rahmen der alten Ligen durchgeführt wird, wusste aber unter den beteiligten Vereinen des Gebiets niemand, wie das letzte Spieljahr laufen soll. Der Mittelrhein hatte am 10. Juli auf seiner Webseite mal Durchführungsbestimmungen veröffentlicht, die durchweg nur für Kopfschütteln sorgten. Wenige Tage später ruderten die Verantwortlichen hier zurück: Bei der Veröffentlichung hätte es sich um ein Versehen gehandelt und so wäre das alles natürlich nicht geplant. Umso gespannter warteten die Vertreter der zahlreichen Vereine auf irgendeine Form von offizieller Klarheit. Am gestrigen Sonntag um kurz nach halb acht Abends erreichte die Vertreter an der Basis dann eine Nachricht: „Die Durchführungsbestimmungen von Handball Nordrhein sind online.“ Die Zugriffszahlen der neuen Verbandshomepage dürften in den folgenden Stunden sprunghaft angestiegen sein. Doch ebenso groß wie das Interesse der Vereine ist die Ernüchterung, denn die veröffentlichten Dokumente bieten viel – aber keine Klarheit. Es ist, wie schon so oft, eine unübersichtliche Ansammlung von Widersprüchen und zudem unvollständig.

Der Reihe nach: Wer sich auf die entsprechende Unterseite des Nordrhein-Online-Auftritts durchklickt, findet insgesamt zehn Links zu PDF-Dateien. Die erste trägt den Namen „HNR Informationen zu den HNR-DfB 2023/2024“. Sie enthält eine allgemeine Beschreibung und Einführung in die Thematik, der Verfasser äußert im ersten Absatz den Wunsch, „allen Beteiligten mehr Transparenz [zu] verschaffen“. Immerhin. Die zweite PDF-Datei trägt dann den Namen „HNR Durchführungsbestimmungen 2023/2024“. Wer sie am Sonntagabend anklickte, erlebte jedoch eine Enttäuschung. Es öffnete sich eine Datei mit demselben Inhalt wie die erste. Anstatt der Durchführungsbestimmungen gab es lediglich wieder die gleichen allgemeinen Hinweise und Erläuterungen. Vermutlich handelt es sich hier bloß um einen Flüchtigkeitsfehler beim Hochladen der Dateien. Fakt ist aber: Die tatsächlichen Durchführungsbestimmungen waren trotz anderslautender Ankündigung des Verbandes zunächst nicht abrufbar.

Was die beteiligten Vereine natürlich vor allem anderen interessiert, sind die Auf- und Abstiegsregelungen, über die im Vorfeld wild spekuliert wurde. Die vier nächsten PDF-Dateien sollen hier Auskunft geben. Sie tragen die Namen „HNR Anlage 1 Senioren Regionalliga 2023/2024“, „HNR Anlage 2 Senioren HVM 2023/2024“, „HNR Anlage 3 Senioren HVN 2023/2024“ und „HNR Anlage 3.1 Mögliche Szenarien HVN 2023/2024“. Mit Transparenz und Klarheit haben diese vier Dateien dann allerdings eher gar nichts zu tun. Sie sind im Gegenteil kaum verständlich, teilweise widersprüchlich und/oder wieder mal offensichtlich nicht auf dem aktuellen Stand. Ein Beispiel gefällig? In der Anlage des alten HV Mittelrhein heißt es unter Punkt 1.3: „RLNR: Die sportlich qualifizierten 14 Mannschaften spielen ab der Saison 2024/2025 OL-Nordrhein.“ Bereits seit Monaten ist bekannt, dass die Spielordnung des DHB für die vierthöchste Spielklasse bundesweit einheitlich die Bezeichnung „Regionalliga“ anordnet. Am Mittelrhein haben sie das aber offenbar noch nicht verarbeitet. Logische Konsequenz: Die Anlage sorgt alleine deswegen für ganz viel Verwirrung, weil die Spielklassen nicht korrekt benannt sind.

Etwas ausgereifter wirkt – zumindest auf den ersten Blick – die Ausarbeitung der Kollegen des alten Verbandes Niederrhein. Die Anlage mit den „möglichen Szenarien“ bietet auf insgesamt 164 Seiten ganz viele Varianten, wie Auf- und Abstieg von der Regionalliga bis zur alten Landesliga (entfällt nach dieser Saison) aussehen könnten. Der erste Haken: Ob es sich bei den Tabellen jeweils um Szenarien für den Männer- oder den Frauenbereich handelt, steht leider nirgendwo. Das darf sich der kundige Leser wohl selbst erarbeiten. Kleiner Tipp: Die Bereiche sind anhand der Zahl der Landesligen (bei den Männern fünf, bei den Frauen lediglich drei) zu unterscheiden. Auch die hier dargestellten Konstellationen sind allerdings nicht frei von Fehlern. Noch ein Beispiel? In der eher kurzen „HNR Anlage 1 Senioren Regionalliga 2023/2024“ ist unter Punkt 1.1.3 klar geregelt, dass es in jedem denkbaren Szenario zwei Aufsteiger aus der Oberliga in die Regionalliga geben wird (jeweils die Meister aus den beiden bisherigen Oberligen). Bedeutet übersetzt: Steigt keine Mannschaft aus dem Gebiet des Nordrheins von der 3. Liga in die Regionalliga ab, reduziert sich dort der Abstieg auf lediglich ein Team. In der „HNR Anlage 3.1 Mögliche Szenarien HVN 2023/2024“ bieten die Verantwortlichen nun aber ganz andere Rechnungen für diesen Fall an. Hier bleibt es in jedem Fall bei zwei Absteigern aus der Regionalliga in die Oberliga. Gibt es keinen Absteiger aus der 3. Liga, sollen stattdessen die Zweitplatzierten der Oberligen eine „Relegation“ um den letzten freien Platz in der Regionalliga ausspielen. Was gilt denn nun? Reicht im Fall der Fälle Platz 13 der Regionalliga zum Klassenerhalt oder nicht? Sowohl die gefährdeten Mannschaften der Regionalliga als auch die an  den Aufstieg denkenden Oberligisten dürfte das brennend interessieren.

Angesichts der ganze Probleme und offenen Fragen haben wir uns einen genaueren Blick auf die Auf- und Abstiegsregelungen bisher gespart. Im Groben sieht es wohl so aus, dass unter der weiter eingleisigen Regionalliga im Herrenbereich drei Oberligen und sechs Verbandsligen geben soll. Und auch in der kommenden Saison soll es – entgegen früheren Gerüchten – in allen Klassen auch Absteiger geben. Über die Einzelheiten kann sich gerne jeder selbst informieren oder seine Meinung bilden. Dass bei einer solchen Zusammenführung von Ligen nie jeder glücklich sein kann, ist im Übrigen gar nicht das Problem. Aber nach mehreren Jahren Vorbereitungszeit hätte der Handball mehr verdient als ein derart mangelhaftes Produkt, verpackt in miserable bis gar nicht erfolgte Kommunikation. Zum Abschluss lohnt vielleicht noch einmal ein Blick in die Datei „HNR Informationen zu den HNR-DfB 2023/2024“. Geradezu prophetisch ist dort der letzte Absatz. Im Wortlaut: „Wir hoffen, mit vorangestellten Informationen allen Mannschaften/Vereinen etwas mehr Klarheit verschafft zu haben – wohlwissend, dass eine solche Qualifikationssaison sehr viel Unbill und somit Diskussionsstoff mit sich trägt.“ Eine bessere Bezeichnung als das gewählte „Unbill“ hätten die Verantwortlichen wohl kaum finden können. Der Duden definiert diesen eher gehobenen Begriff mit „üble Behandlung; Unrecht; etwas Übles, was jemand zu ertragen hat“. Passt geradezu perfekt.