Oberliga Niederrhein
Der Top-Favorit: Alle tippen auf die Unitas
Im Kampf um die Meisterschaft scheint kaum ein Weg am letztjährigen Zweiten vorbeizuführen.

Der „Alte“: Der Ex-Langenfelder Andreas Nelte (41) geht bei der Unitas Haan in seinen nächsten Frühling und will mit bekannter Leidenschaft beim Unternehmen Aufstieg helfen. (Foto: Thomas Ellmann)

Es kann nur einen geben, sagen die meisten. Anders ausgedrückt hört sich das so an: „Platz eins ist vergeben.“ Dagegen hätten sie bei der Unitas Haan im Grunde auch wenig einzuwenden – und es wäre ja sowieso komplett sinnlos, sich großartig gegen die Rolle des Favoriten für die neue Saison in der Oberliga Niederrhein zu wehren. In der vergangenen Serie war das erst von Ronny Lasch und ab dem Winter von Markus Neußer trainierte Team ganz lange der einzige ernsthafte Konkurrent des späteren Meisters und Regionalliga-Aufsteigers Borussia Mönchengladbach. Hinter der Borussia (50:2 Punkte) und den Haanern (45:7) kam dann erst einmal lange nichts. Weder die Adler Königshof (36:16) noch Mettmann-Sport (34:18) hatten ernsthaft etwas mit der Vergabe des Titels zu tun – und beide erheben jetzt erneut keinerlei Ansprüche darauf, den Sprung in die Regionalliga zu versuchen. Das ist bei der Unitas doch ein wenig anders. „Grundsätzlich ist der Aufstieg das Ziel des Vereins und der Mannschaft“, sagt der neue Coach David Horscht. Dass die Angelegenheit ein Selbstläufer wird, mag er allerdings ganz und gar nicht glauben. 

„Dafür müssen natürlich viele Faktoren zusammenkommen – eigene Leistung abrufen, neue Spieler und ein neues Spielsystem integrieren, verletzungsfrei bleiben“, findet Horscht, „und selbst dann gibt es genug Mannschaften in der Liga, die nicht mal eben so besiegt werden. Wenn wir es schaffen, unsere individuelle Qualität, die sich zum Vorjahr noch mal erhöht hat, konstant abzurufen, sehe ich uns in einer guten Ausgangslage. Ich schätze Mettmann-Sport, DJK Adler Königshof und TV Lobberich als große Konkurrenz ein, aber daneben gibt es genügend Teams, gegen die man ohne hundertprozentige Leistung straucheln kann. Spannend werden die beiden Aufsteiger sein und Neuss als Absteiger aus der Regionalliga.“ Einer dieser spannenden Neu-Oberligisten ist der von Trainer-Legende Leszek Hoft zur Verbandsliga-Meisterschaft geführte TB Wülfrath und in Hofts sportlicher DNA sind mindestens drei Bestandteile unverzichtbar: „Erfolg ist Arbeit, Struktur und Fleiß.“ So sind die Wülfrather aufgestiegen – und so wollen sie sich in den kommenden Monaten eine Klasse höher behaupten. Eine echte Hilfe dabei dürften Zugänge wie die einst unter anderem für den Drittliga-Aufsteiger Interaktiv.Handball tätigen Kai Funke (32) und Fabian Claussen (28) sein. Die Unitas wird und muss sich definitiv davor hüten, die Auftakt-Aufgabe am Samstag in Wülfrath auch nur im Ansatz zu unterschätzen. Die Gastgeber bringen außerdem als Empfehlung mit, dass sie 2022/2023 alle 13 Heimspiele gewonnen haben. Hoft hätte wenig gegen eine Überraschung im Duell mit der Unitas, ist jedoch insgesamt ziemlich realistisch: „Wir werden nicht mehr jedes Spiel gewinnen.“ Ganz persönlich freut er sich auf ein Wiedersehen mit dem Neu-Haaner Andreas Nelte (41), denn beide schätzen einander sehr und sie waren zusammen vor einigen Jahren intensiv am damaligen Aufschwung der SG Langenfeld beteiligt.

Der letztjährige Dritte Adler Königshof scheint noch auf der Suche nach dem richtigen Standort zu sein – was vor allen Dingen damit zu tun hat, dass in Matthias Meurer und Elias Eiker (beide zum OSC Rheinhausen in die Regionalliga) zwei der besten Werfer aus der vergangenen Saison nicht mehr an Bord sind: Dadurch fehlen mal eben knapp 300 Tore (Meurer 162, Eiker 126). Spielertrainer Sebastian Bartmann äußert sich deshalb etwas zurückhaltend: „Wir hoffen, dass wir an die gute letzte Saison anknüpfen können. Die Abgänge sind natürlich Lücken, die wir schließen müssen.“ Ambitionen nach ganz oben lassen sich daraus zwar nicht ableiten, aber die Adler wollen alles für ein überzeugendes Abschneiden in die Waagschale werfen. „Die Neuzugänge finden immer besser in unser System“, meint Bartmann, „ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden, und ich hoffe das wir die top fünf angreifen können.“ Nach dem Heimspiel-Start gegen den TSV Kaldenkirchen (zuletzt Elfter) werden die Königshofer schon eher wissen, wohin sie sich orientieren können/müssen. Ähnliches wie für die Adler gilt vielleicht für die Mettmanner, die die Saison in der Oberliga Niederrhein mit ihrer auf den Freitagabend vorgezogenen Partie beim TV Geistenbeck (Zehnter) eröffnen. Neu-Trainer Loschinski beweist dabei viel Sinn für die Realität: „Wir haben ja einige Neue dazugekriegt und es wird sich zeigen, wie alles funktioniert. Es ist sicher unser Anspruch, nicht schlechter zu werden, und wir wollen einen Platz zwischen zwei und vier. Das Maß der Dinge wird die Unitas Haan sein. Bei uns gibt es eine gute Entwicklung in die richtige Richtung. Der Aufstieg ist aber eher semi-realistisch.“

Der Sinn fürs Machbare dominiert auch beim Regionalliga-Absteiger Neusser HV, der nach über einem Jahr ohne Heimsieg zunächst heilfroh darüber ist, dass ihm die aufwändig instandgesetzte Halle Hammfeld wieder als feste Heimspielstätte zur Verfügung steht. Forsche Aussagen finden in der Welt von Trainer Julian Fanenbruck dennoch keinen Platz, zumal die Neusser zahlreiche personelle Veränderungen zu bewältigen haben. „Wir müssen noch mal neu aufbauen“, betont Fanenbruck „wir arbeiten darauf hin, dass wir wieder mehr gewinnen. Es wäre aber absolut vermessen, wenn wir sagen würden, dass wir wieder hochgehen. Unser Wunsch wäre das obere Drittel.“ Der sportlich spektakulärste Neuzugang ist Heimkehrer David Jurisic (21), der mehrere Pluspunkte auf seinem persönlichen Konto stehen hat: Jurisic ist erstens Ur-Neusser und zweitens als begehrter Linkshänder im rechten Rückraum unterwegs. Außerdem sammelte er zuletzt bereits Erfahrung in der 2. Bundesliga und in der 3. Liga (Wilhelmshavener HV, VfL Eintracht Hagen, ASV Hamm-Westfalen). Seinen ersten Härtetest in der Meisterschaft bestreitet der umgebaute NHV in der auf den 29. August verlegten Partie bei der HSG Hiesfeld/Aldenrade (zuletzt Zehnter).

Eins der ungewöhnlicheren Duelle des erstens Spieltages steigt zum Saisonstart zwischen Handball Oppum und der Turnerschaft St. Tönis. Punkt eins: Während die in der zurückliegenden Serie nur sehr knapp dem Abstieg entgangenen Oppumer auf einen deutlichen Schritt nach oben hoffen, geht es für den nach 42 Jahren in die Oberliga zurückgekehrten Aufsteiger St. Tönis tatsächlich „nur“ darum, die Klasse zu halten. Punkt zwei: Der Einstieg in die Saison wird zugleich ein Duell unter Brüdern zwischen Oppums Ljubomir Cutura und Turnerschaft-Coach Zoran Cutura, der mit seiner Mannschaft womöglich in vielen Spielen Außenseiter sein wird. Wie sie der Konkurrenz allgemein und besonders dem nur ein paar Kilometer entfernt angesiedelten Nachbarn begegnen wollen? „Wir sind eine eingeschworene Truppe“, betont Zoran Cutura. Wozu das reicht, wird sich am Samstag zeigen. Und in diesem Punkt sind sich nicht nur beide Cuturas einig: Gut, dass es jetzt losgeht.