1. Bundesliga
Weiter, weiter: Julian Köster und der Termin-Wahnsinn
Gummersbachs Kapitän absolviert beim 26:24 in Eisenach sein zwölftes Spiel innerhalb eines Monats. Der Bergische HC verliert mit 25:29 gegen Kiel.

Noch geht es wohl: Gummersbachs Julian Köster (links) findet allerdings im Augenblick nur wenig Gelegenheit, die Strapazen der Terminhatz zu verarbeiten. Teamkollege Tom Kiesler (rechts) und Co-Trainer Anel Mahmutefendic hätten wohl nicht so gerne mit ihm getauscht. (Foto: Thomas Schmidt)

Einen derartigen terminlichen Irrsinn kann es wohl nur in der HBL geben. Das gilt für den VfL Gummersbach und erst recht auch für die Handball-Profis aus Dänemark oder Schweden, die bei den Top-Klubs in der Bundesliga unterwegs sind. Noch am 28. Januar war Gummersbachs Julian Köster bei der Europameisterschaft (Beginn 10. Januar) im Spiel um Platz drei beschäftigt – gegen die Schweden um Jim Gottfridsson. Im Finale gegen Frankreich zu tun hatten unter anderem die Dänen Matthias Gidsel, der für die Füchse Berlin spielt (Zweiter/36:4), und Simon Pytlik, der wie Gottfridsson das Trikot der SG Flensburg-Handewitt trägt (Dritter/30:10). Was die vier (und nicht nur die) gemeinsam haben: Sie waren am 3./4. Februar nur sechs und sieben Tage nach dem Ende des EM-Hammerprogramms aus neun Spielen innerhalb von zweieinhalb Wochen erneut gefordert. Während sich Berliner, Flensburger und die Vertreter des SC Magdeburg (Erster/36:4) wie die MT Melsungen (Fünfter/27:13) für die Höchst-Beanspruchung mit dem Erreichen des Final Four im DHB-Pokal belohnen konnten, mussten sich die Gummersbacher trotz einer guten Leistung im Viertelfinale mit dem 29:31 in Berlin von diesem Pokaltraum verabschieden. Viel Zeit, sich daran gedanklich abzuarbeiten, hatten sie anschließend ebenfalls nicht, weil diesmal der Wieder-Einstieg in die Bundesliga zu absolvieren war. Hier gab es zuerst am 7. Februar ein 29:32 bei der TSV Hannover-Burgdorf (Sechster/21:19) und zum Abschluss am Samstag (10. Februar) ein hart erkämpftes 26:24 beim Aufsteiger ThSV Eisenach (Rang 17/13:29). Erneut konnte Gummersbach keinen Gedanken daran verschwenden, mit der Energie vielleicht sparsam umzugehen – im Gegenteil. Dabei mutet die Termingestaltung wiederum vollkommen verrückt an: Als an diesem Samstagabend (10. Februar) in Eisenach die Schluss-Sirene zu hören war, hatte unter anderem der Bergische HC noch keine einzige Minute in einem offiziellen Wettbewerb 2024 hinter sich. Das Team von Trainer Jamal Naji trat dann tatsächlich erst am späten Sonntagnachmittag (11. Februar) gegen den Rekordmeister THW Kiel (Vierter/28:12) auf den Plan und zog sich dabei sehr ordentlich aus der Affäre – ohne letztlich die 25:29-Niederlage verhindern zu können. Dem VfL bleibt dafür immerhin die Tatsache, dass er mit seinem wieder ausgeglichenen Konto (20:20 Punkte) als Siebter fernab von allen sportlichen Sorgen unterwegs ist – und die Pause bis zur nächsten Hürde am 19. Februar in eigener Halle gegen den SC DHfK Leipzig (Platz 13/15:23) könnte ihm fast wie eine Art Kurz-Urlaub vorkommen. Der BHC, der am kommenden Freitagabend in Melsungen weitermacht, steht dagegen in einem extrem engen unteren Drittel weiter unter Druck: Auf Platz 16 herrscht bei 13:27 Punkten unverändert akute Gefahr, denn der Vorletzte Eisenach und Schlusslicht HBW Balingen-Weilstetten (9:31) haben sich und den Kampf um den Klassenerhalt noch lange nicht aufgegeben.

Gegen Kiel wäre für Najis Mannschaft plötzlich Zählbares drin gewesen – wonach es lange nicht ausgesehen hatte. Der THW legte durchs 1:0 (1.) von Petter Øverby direkt vor und er schien sich übers 6:2 (10.) und 7:3 (15.) auf den Weg zu einem ruhigen Abend zu machen. Die Gastgeber, als klarer Außenseiter angetreten, verkürzten aber auf 7:8 (19.) und mussten nach dem 8:12 (23.) einen neuen Anlauf nehmen – der ihnen den 12:13-Anschluss brachte (28.). Anschließend taten die drei Gegentreffer hintereinander zum 12:16 (30.) ebenso weh wie das 12:17 (31.) am Anfang der zweiten Halbzeit. Auch beim 14:19 (36.) oder 17:21 (40.) sprach wenig für den BHC – bei dem allerdings plötzlich alle Puzzleteile an den richtigen Platz fielen, während sich durchschnittliche Kieler erstaunliche viele Fehler und Ballverluste erlaubten. Die Hausherren, die sich mit jeder gelungenen Aktion mehr an sich zu berauschen schienen, belohnten sich: Mit dem 5:0-Lauf zum 22:21 (47.) schienen die Dinge in eine völlig andere Richtung zu laufen und die ganz große Überraschung war auf einmal greifbar nah. Kiel wäre allerdings kaum Kiel, wenn es nicht Ideen für eine Wende gehabt hätte, und eine der Maßnahmen war die Hereinnahme des französischen Europameister-Torwarts Samir Bellahcene. Der Keeper hielt mehrmals stark und besonders wichtig war seine Siebenmeter-Parade (56.) gegen Linus Arnesson beim Stande von 25:24.

Kurz darauf folgte die Zeitstrafe gegen Tim Nothdurft (57.), sodass die Hausherren ihren Torhüter Christopher Rudeck von der Platte nahmen und durch einen sechsten Feldspieler ersetzten – und es erwies sich bald als eine Idee, die ihren Zweck komplett verfehlte. Gleich drei Mal hintereinander blieben die Solinger an der Abwehr der Kieler hängen oder sie verloren einfach den Ball. Weil auf der Gegenseite das Tor leer war, langte der THW sofort dankbar zu und er traf drei Mal hintereinander entscheidend in den verwaisten BHC-Kasten – 24:26 (58.) durch Rune Dahmke und 24:27 (58.) durch Niclas Ekberg sowie 24:28 (59.) durch Domagoj Duvnjak, als der BHC wieder vollzählig war und es nun mit dem siebten Feldspieler probieren wollte. „Minus vier am Ende wird unserem Auftritt heute, glaube ich, nicht gerecht. Weil Kiel diese Abgezocktheit hat, gewinnen sie dementsprechend verdient. Für uns zählt, so schwer das jetzt klingen mag, dass wir diesen Auftritt mitnehmen. Wie wir füreinander einstanden und gefightet haben, müssen wir in die restlichen Spiele übertragen. Und dann bin ich auch zuversichtlich, dass wir unsere Punkte holen werden.“ In der Summe ging der Erfolg des THW im Übrigen trotzdem in Ordnung, weil den nicht wenigen ungenutzten BHC-Chancen ebenfalls nicht wenige Würfe der Kieler an Pfosten oder Latte gegenüberstanden.

Gummersbachs Niederlage in Hannover war ein Stück weit unnötig und bis zum 25:25 (49.) durch Julian Köster durchaus alles möglich für den VfL, der vor der Pause mit dem 8:4 (13.) oder 11:6 (20.) klar geführt hatte und erst in der zweiten Halbzeit zum ersten Mal in Rückstand geriet – 20:21, 20:22 (39.). Für die wegweisende Führung brauchten die Gastgeber dann nach dem 25:25 (49.) bis zum 28:25 (51.) lediglich zwei Minuten, ehe sie sogar auf 29:25 (54.) erhöhten und in der Folge nicht mehr richtig in Gefahr gerieten. Eins der dicksten Probleme für die Gäste: Der relativ spät eingewechselte TSV-Torhüter Somom Gade war für sein Team mit fünf zum Teil spektakulären Paraden zur Stelle. Spektakulär sah für den VfL ein paar Tage später auch die Dienstreise nach Eisenach aus, wo ihm der stark gefährdete ThSV besonders vor der Pause alles abverlangte und bis zum 13:12 (26.) immer wieder vorlegte. Weil Gummersbach mit Torhüter Daniel Rebmann als herausragendem Fakor in der kochenden Atmosphäre einen relativ klaren Kopf bewahrte, machte es aus dem 15:14 (30.) am Ende der ersten Hälfte ein 18:14 (38.) und blieb bis zum 20:16 (41.) Herr der Lage. Eisenachs Anschluss zum 19:20 (44.) und 20:21 (50.) beantworteten Ole Pregler (52.) und Dominik Mappes (54./Siebenmeter) zwar mit dem 23:20, das allerdings gegen leidenschaftlich kämpfende Eisenacher noch keine Entscheidung war. Die besorgte am Ende der vorletzten Minute erst Pregler, der das 24:23 (59.) auf 25:23 (59) ausbaute. Nach dem 24:25 (60.) des ThSV genau 17 Sekunden vor dem Ende setzte Tilen Kodrin im finalen Angriff den eher statistisch wichtigen Schlusspunkt hinter 60 Minuten Kampf.

TSV Hannover-Burgdorf – VfL Gummersbach 32:29 (14:15).

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson, Kodrin (4), Vujovic (6/4), Köster (4), Blohme (3), Schroven, Häseler (1), Schluroff (2), Tskhovrebadze (1), Mappes (5), Pregler, Horzen (3), Kiesler, Zeman.

 

ThSV Eisenach – VfL Gummersbach 24:26 (14:15).

VfL Gummersbach: Rebmann, Ivanisevic – Vidarsson (1), Kodrin (1), Vujovic (5/3), Köster (4), Blohme (2), Schroven, Häseler, Schluroff (4), Tskhovrebadze, Mappes (5/1), Pregler (4), Horzen, Kiesler, Zeman.

 

Bergischer HC – THW Kiel 25:29 (12:16).

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Persson, Nothdurft (4), Krecic (3), M’Bengue, Ladefoged (5), Andersen (2), Fraatz (2), Babak, Schmitz, Arnesson (4/3), Morante Maldonado (3), Stutzke (2), Santos.