Harz beiseite
Traum am Äquator: Handballer klettern auf Mount Kenya
Simon Gorholt aus Korschenbroich und Martin Berger, der bald in Dormagen zu Hause ist, sind Botschafter ihres Sports - und für fast jede verrückte Idee zu haben, wie ihre Bergtour mit Happy End zeigt.

Wir haben es geschafft!!! Für Simon Gorholt (links) und Martin Berger war der Aufstieg auf den Mount Kenya ein Abenteuer mit echtem Happy End. (Foto: SG)

Sie sind beide verrückt nach Handball. Und sie lieben es, die Faszination „ihres“ Sports hinaus in die Welt zu tragen – zum Beispiel nach Afrika. Einer aus dem Duo ist Simon Gorholt – jener 21 Jahre junge Korschenbroicher, der seit einem halben Jahr in Kenia lebt und sich dort fast schon wie zu Hause fühlt. Simon lernt in einem vom Verein „Jugend im Ausland“ aus Kiel organisierten Freiwilligen-Jahr in Juja eine ganz andere Welt kennen – kulturell, sprachlich, sportlich, wirtschaftlich, im Umgang der Menschen miteinander. Seine bisherigen fünf Beiträge von dort haben uns immer wieder einen beeindruckenden Einblick darüber gegeben, wie der Sport Menschen zusammenführt und wie sich darüber unter anderem Themen wie Umweltschutz oder Frauenrechte transportieren lassen. Der zweite Teil des Duos ist Martin Berger (29), für den der Handball sogar Berufung und Beruf zugleich ist –  weil er bereits die Jugend der Füchse Berlin trainiert hat und in Zukunft beim Zweitligisten TSV Bayer Dormagen für die Bundesliga-A-Jugend und die zweite Mannschaft verantwortlich sein wird, die zurzeit um den Aufstieg in die Regionalliga kämpft. Martin Berger hat eine eigene Organisation gegründet, bei der der Name ebenfalls Programm ist: “Handball kennt keine Grenzen“. Dadurch reist Martin durch die Welt und da er schon seit Längerem „PlayHandball“ unterstützt, machte er kürzlich auch in Kenia Station – unter anderem, um Simon zu unterstützen. Irgendwann war dann eine Eingebung mehr als nur eine vorübergehende Spinnerei: „Wir besteigen den Mount Kenya.“ Die Geschichte passt hundertprozentig zu den beiden, die längst Freunde geworden sind:  Sie. haben. es. getan. Simon Gorholt hat das Unternehmen zweier Handballer auf ungewöhnlichen Pfaden in Worte gefasst. Es war am Ende auch anstrengend. Und es war vor allen Dingen ein unvergessliches Erlebnis. Hier ist seine Geschichte:

 

„Der deutsche Coach Martin Berger und ich haben uns dazu entschieden (Anfang März), den Mount Kenya zu besteigen. Dabei handelt es sich um eine rund fünf Tage lange Besteigung, in der man die unterschiedlichen klimatischen Zonen des Berges durchläuft und erlebt. Das Mount-Kenya-Massiv ist mit 5199 Metern das zweithöchste Bergmassiv in Afrika. Der Berg hat mit Batian (5199 Meter), Nelion (5189 Meter) und Lenana (4985 Meter) drei Hauptgipfel, welche die Namen wichtiger Massai-Häuptlinge tragen. Die Waldgrenze liegt bei etwa 3200 Metern. Oberhalb davon erstreckt sich eine üppige Vegetation von Hochgras, Stauden und Buschwerk, die bis etwa 4000 Meter reicht. Das felsige Massiv beherbergt auch Firn- und Schneefelder, Gebirgsflüsse, Wasserfälle und Gebirgsseen, die sich in den ehemaligen Vulkankratern gebildet haben.

Weil sich an den Hochgebirgsregionen des Massivs sehr oft Wolken stauen, was meist zu starken und lang anhaltenden Niederschlägen führt, konnte sich an seinen Hängen ein schmaler Streifen Tropischer Regenwald entwickeln. Somit bildet das Bergmassiv eine grüne Insel in der sonst so trockenen ostafrikanischen Savanne. Auf den Berg rauf nehmen wir die Chogoria-Route, welche für viele als die attraktivste Route mit den besten Szenarien gilt. Runter werden wir dann der Sirimon-Route folgen. Für die gesamte Zeit werden wir in Zelten schlafen, da es auf diesem Weg rauf und runter keine Hütte gibt.

Tag 1

Am Montag wurden wir morgens von unserem Guide in Nairobi abgeholt und haben uns direkt auf den Weg zum Mount Kenya gemacht. Auf dem Weg dorthin haben wir dann noch unsere Helfer für den Aufstieg eingesammelt. Somit waren wir schlussendlich ein Guide, ein Koch und vierweitere „Porter“. Darüber waren wir sehr überrascht, da wir zunächst dachten, dass dies komplett übertrieben sei. Allerdings würde sich im Laufe der Tage zeigen, dass alle durchaus notwendig waren, um den Aufstieg erfolgreich zu gestalten.

Gegen Mittag sind wir am Nationalpark angekommen. Der erste Tag war relativ entspannt und somit waren wir nur etwa zwei Stunden aktiv, bevor wir das Camp erreichten. Neben dem Abendessen und Beobachten des unglaublichen Sternenhimmels ging es dann direkt ins Bett für mich, um für den ersten richtigen Wandertag gut ausgeschlafen zu sein. Wir haben in der ersten Nacht am Chogoria Gate gecampt – auf einer Höhe von 2950 Metern.

 

Über den Wolken: Manchmal sah der Weg zum Gipfel schon sehr herausfordernd aus. (Foto: SG)

Tag 2

Um 7 Uhr morgens hat der Wecker geklingelt am Dienstag. Eine halbe Stunde später gab es dann auch schon Frühstück und eine weitere Stunde später ging es los. Heute war unser Ziel, rauf zum Lake Ellis zu steigen, der bei 3455 Metern liegt, um dann wiederum runter zum Chogoria Readhead Camp (3300 Meter) abzusteigen. Der Dienstag sollte, wie der erste Tag,  als Akklimatisierungstag genutzt werden. Dies ist äußerst wichtig – vor allem für eher unerfahrene Kletterer, um starke Auswirkungen der Höhenkrankheit zu verhindern. Im Nachhinein kann ich dies nur jedem raten und für uns war es auch essentiell, da mein höchster Berg zuvor beispielsweise nur ungefähr 2500 Meter hoch war und ich die Höhenveränderung durchaus gemerkt habe.

​Wir waren ungefähr fünf Stunden unterwegs und haben gegen Mittag am Lake Ellis eine kleine Pause eingelegt – auch, um noch mal ein wenig Kraft durch die Sonne zu tanken. Abschließend war auch der Dienstag ziemlich entspannt und wir haben uns mit einer Dusche mit Wasser aus dem am Camp liegenden Gebirgsbach erfrischt. Das Essen, welches uns von unserem eigenen Koch zubereitet  wurde, war – wie an allen anderen Tagen – einfach klasse und hat die nötige Energie gegeben, um den Aufstieg erfolgreich zu gestalten. Um noch einmal auf die Frage der vielen Helfer zurückzukommen:  Diese sind notwendig, um notwendige Sachen wie das Zelt und beispielsweise das Essen zu tragen, da man auf dem Weg nichts organisiert bekommt. Selber schleppen kommt für einen Anfänger nicht in Frage, solange der Aufstieg erfolgreich gestaltet werden soll.

 

Tag 3

Der dritte Tag würde für mich persönlich am schwierigsten werden, was ich natürlich am Morgen noch nicht wusste. Wir sind nach dem Frühstück direkt los – mit dem Ziel, am frühen Nachmittag das Minto’s Camp zu erreichen, welches auf einer Höhe von 4200 Metern liegt. Zu diesem Zeitpunkt war uns nicht klar, dass wir ungefähr zwölf Kilometer an Strecke zurücklegen werden. Die ersten Stunden bis zum Mittag liefen einwandfrei und bereits dort boten sich unglaubliche Aussichten von der zurückgelegten Strecke der letzten zwei Tage.

Auch nach der Mittagspause war ich noch bei voller Energie. Vor allem hier bekamen wir jetzt einen freien Blick auf die Spitze des Mount Kenya und die anderen unzählbaren Gipfel drumherum. Einzig ein gewisser Druck auf dem Kopf machte sich bemerkbar. Schließlich konnten wir so gegen drei Uhr nachmittags das Camp erreichen. Nach etwa einer Stunde am Camp und weiteren unglaublichen Blicken fing es bei mir an. Die Kopfschmerzen wurden mehr, ich hatte eine Art Dauerdurst und ebenfalls Magenprobleme.

Von dort fing ich an zu zweifeln, da es am Morgen bereits um zwei Uhr nachts weitergehen würde und wir den anstrengendsten Tag noch vor uns hatten. Den restlichen Tag habe ich mich einfach nur erholt, so sehr es ging, und mich ruhig verhalten. Zudem nahm ich dann noch eine Schmerztablette, um wenigstens den so wichtigen Schlaf zu bekommen. Auch unser Guide hatte noch einmal bei mir geprüft, ob ich vielleicht höhenkrank sei. Allerdings gab es keine Anzeichen, da mein Puls und Blutdruck vollkommen normal waren. Somit konnte ich einfach nur hoffen, dass sich alles über Nacht schlagartig verbessern würde.

Irgendwo da? Simon Gorholt stellte sich auf dem Weg nach oben immer wieder Fragen. Eine davon: Schaffe ich das wirklich? Am Ende stand ein eindeutiges Ja. (Foto: SG)

Tag 4

Ich war am dritten Tag mit einem sehr schlechten Gefühl ins Bett gegangen, da wir neben den anderen Sachen auch unsere kälteste Nacht hatten. Doch wie durch ein Wunder wachte ich um ein Uhr nachts, vom Wecker geweckt, vollkommen munter und ohne irgendwelche Probleme auf – als hätte es gestern gar nicht gegeben. Heute würden wir insgesamt eine Strecke von 21 Kilometern zurücklegen, zwölf Stunden unterwegs sein und über 2500 Höhenmeter hinter uns lassen. Somit machten wir uns warm eingepackt in der Nacht auf den Weg zur Spitze des Mount Kenya. Wir hatten einen vierstündigen Aufstieg vor uns, um noch vor Sonnenaufgang oben zu sein. Für mich war dieser Part des Tages nicht allzu schwierig, sondern einfach nur extrem kalt, da meine Schuhe meine Füße nicht ausreichend warmhielten.

Dennoch konnten wir gegen sechs Uhr morgens den Point Lelana des Mount Kenya mit einer Höhe von 4985 Metern erklimmen. Dieser Blick, welcher sich bot, war einfach nur unbeschreiblich – und das Gefühl, es geschafft zu haben, unglaublich. Neben dem traumhaften Sonnenaufgang konnten wir sogar in etwa 300 Kilometern Entfernung die Umrisse des Mount Kilimanjaro in Tansania erkennen, welcher ja bekanntlich der höchste Berg Afrikas mit einer Höhe von über 5900 Metern ist.

Nach einigen Bildern, bei denen uns beim Fotografieren fast die Hände erfroren, ging es dann für zwei weitere Stunden wieder runter zum Frühstückscamp, welches wiederum auf 4200 Metern lag. Hier zeigte sich für mich zuerst meine Müdigkeit. Dennoch hatten wir noch fünf Stunden Abstieg vor uns. Wiederum gestärkt durch das Frühstück, ging es weiter. Nach einer Mittagspause, bei der sowohl Martin als auch ich einen „Powernap“ machten, erreichten wir nach doch nur vier Stunden das letzte Camp für unseren Trip. Dort hieß es, nur noch den Sonnenuntergang mit einem Tee zu genießen und dann sofort schlafen zu gehen. Abschließend war dieser Tag noch mal ein ganzes Stück anstrengender als der dritte – allein aufgrund der Länge der Strecke. Dennoch hatte ich nicht die negativen Auswirkungen wie am Tag zuvor.

 

Den Mutigen gehört der Berg: Auf der Fünf-Tages-Tour auf den Mount Kenya zeigten sich auch ungewöhnliche Aussichts-Plattformen. (Foto: SG)

Tag 5

Schließlich hatten wir den letzten Tag erreicht. Gut ausgeschlafen machten wir uns nach dem Frühstück für die letzten zwei Stunden auf den Weg zum Gate der Sirimon Route, welcher wir beim Abstieg gefolgt waren. Diese gingen dann natürlich noch mal schön auf die Knie, welche bereits vom Vortag müde waren. Dennoch war der letzte Abstieg wie ein Kinderspiel und schließlich erreichten wir das Gate und somit das Ende unseres Trips. Auf dem Weg dorthin konnten wir glücklicherweise noch Affen verschiedener Arten beobachten und ebenfalls von einer Seite des Äquators auf die andere springen – was ziemlich beeindruckend ist, wenn ich darüber nachdenke. Nach kurzem Warten machten wir uns dann direkt auf den Weg zurück nach Juja.

Das erste Ziel war jetzt, sich auszuruhen und neue Energie zu sammeln, welche für Samstag, also den nächsten Tag, wichtig war. Denn auf uns wartete bereits das Handball-Turnier, für das ich noch abschließende Vorbereitungen und organisatorische Dinge regeln musste. Somit fiel ich nach einer durchaus notwendigen Dusche und einem umfangreichen Abendessen um neun Uhr nach fünf Tagen Isomatte komplett fertig ins Bett.

Fazit

Rückblickend auf den gesamten Trip beschreibt das Wort EINMALIG alles am besten. Vorher hatte ich erst ganz selten eine vergleichbare Erfahrung und um mich dran zu erinnern, müsste ich erst gut nachdenken. Einen Aufstieg, Ausblicke und Erfahrungen, welche man beim Besteigen des Bergmassivs macht, sind unbeschreiblich. Und ich bin mir sicher, diese niemals zu vergessen.

Einen Berg dieser Größe einmal besteigen zu dürfen und zu können, war ein Traum. Und ich bin sehr dankbar darüber, in Martin einen klasse Kameraden dabei gehabt zu haben, welcher mir bei der einen oder anderen etwas schwierigeren Situation weitergeholfen hat. Danke! Jedem, der die Möglichkeit irgendwo sieht, kann ich diesen Trip nur empfehlen. Also: Wenn ihr in Kenia seid, macht euch auf den Weg!“

 

Wer noch einmal die bisherigen Kapitel mit den Erlebnissen von Simon Gorholt in Kenia nachlesen möchte, wird hier fündig:

 

Teil 1: https://www.harzhelden.news/2021/11/10/handball-in-kenia-das-grosse-abenteuer-des-simon-gorholt/

Teil 2: https://www.harzhelden.news/2021/12/15/simon-gorholt-in-kenia-natuerlich-auch-mit-harz/

Teil 3: https://www.harzhelden.news/2022/01/17/weihnachten-in-kenia-handball-im-regen-uebernachten-in-der-garage/

Teil 4: https://www.harzhelden.news/2022/02/14/das-kenia-abenteuer-im-januar-ueber-eiswasser-eifel-und-ecobricks/

Teil 5: https://www.harzhelden.news/2022/03/21/martin-macht-mit-profi-tipps-und-abwehrspiel-in-kenia/